Erdgas in Österreich: Energiekrise und Gasverbrauch : Wo die Industrie das meiste Gas benötigt

Labor in der Chemieindustrie. Gasverbrauch in der österreichischen Industrie

Gasverbrauch in der österreichischen Industrie: Die Chemieindustrie ist der zweithöchste Industrie-Verbraucher von Gas.

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Österreichs Abhängigkeit von Gas-Importen ist im internationalen Vergleich sehr hoch. Leicht auf die Energiequelle verzichten kann das Land nicht, denn die Industrie ist in hohem Maß von Erdgas abhängig.

Spätestens seit dem Krieg in der Ukraine sind Gas-Lieferungen aus Russland nicht mehr so attraktiv. Zudem ist ein Lieferstopp als Reaktion auf westliche Sanktionen möglich. Doch käme Österreich ohne den Bezug aus? "Wir können die Wirtschaft ohne Gas nicht aufrechterhalten", sagt Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung (IV).

Wie viel Gas benötigt das Land, wie viel davon die Industrie? Dieser Artikel schlüsselt den Gasbedarf auf und erläutert den Verbrauch.

Was ist Erdgas und wie entsteht es?

Erdgas ist ein natürlich entstehendes Gasgemisch mit dem Hauptbestandteil Methan. Es kommt unterirdisch vor – oft zusammen mit Erdöl. Rohes Erdgas entsteht aus abgestorbenen organischen Substanzen (meist Algen). Erst durch hohen Druck und hohe Temperaturen in der Erdkruste werden die Einzeller in Gas umgewandelt.

Gerade die Gasvorkommen in Österreich haben aber eine andere Entstehungsgeschichte: mikrobielle Zersetzung organischer Sedimente ohne hohe Temperaturen. Dieses Gas ist mit 20 Millionen Jahren noch recht jung.

Gas Erdgas Flamme Feuer Hitze Temperatur
Gasvorkommen in Österreich: Der Hauptbestandteil des natürlichen Gasgemisches ist Methan. - © FGW / Ludwig Schedl

Gas in Österreich

Der Erdgas-Verbrauch in Österreich liegt bei rund 9 Milliarden Kubikmetern jährlich. 40 % davon braucht laut IV die produzierende Industrie. 30 % gehen in die Energieversorgung, vor allem in die Stabilisierung des Stromnetzes. 20 % gehen an die Haushalte, 10 % Gas werden für Sonstiges aufgewendet.

Hat Österreich Erdgas?

Österreich fördert eigenes Erdgas in der Menge von über 1,5 Milliarden Kubikmetern. Damit werden rund 15 % des Eigenbedarfs gedeckt. Wirtschaftliche relevante Erdgas-Vorkommen im Untergrund gibt es nördlich von Wien, in Oberösterreich und in Salzburg. Gefördert wird durch die OMV und RAG Austria.

Woher bezieht Österreich Erdgas?

Daneben setzt Österreich auf Gas-Importe. 2020 wurden 6,16 m3 importiert, 2019 waren es 10,74. 2018 wurden 7,49 Kubikmeter importiert. Bis in 2022 hinein machten die Importe aus Russland 80 % aus. Mittlerweile ist Norwegen der Hauptimporteur für Österreich.

Mehr zum Thema: "Die unbequeme Wahrheit" – keine Alternative zu russischem Gas

Im europäischen Vergleich importieren nur die Niederlande mehr Gas als Österreich. Auch was den prozentualen Anteil aus Russland angeht, lag Österreich im Spitzenfeld. Zum Vergleich: Deutschlands Importe kamen zur gleichen Zeit nur zu gut 50 % aus Russland.

Wer sind die größten Gasverbraucher in Österreich?

Der Gasverbrauch in Österreich ist regional unterschiedlich stark. Im Bundesländervergleich wird ersichtlich, wie unterschiedlich intensiv Gas für die Industrie benötigt wird.

Wien und Oberösterreich beziehen gesamt am meisten Erdgas. Gas in Wien entfällt aber zu mehr als 50 % auf Umwandlung, etwa in Strom. Nur ein winziger Bruchteil wird für die gasintensive Industrie benötigt.

Welche Industriezweige benötigen Gas?

In Oberösterreich hingegen braucht der produzierende Bereich mit über 36.000 Terajoule (Stand 2020) mehr als die Hälfte seines Erdgasbezugs. Das meiste davon ging in die Eisen- und Stahlerzeugung, sowie Chemie und Petrochemie.

Das meiste Erdgas für die Industrie nach Oberösterreich brauchen mit über 27.000, respektive über 24.000 Terajoule die Steiermark und Niederösterreich.

Zwar sind manche Industriezweige deutlich gasintensiver als andere; doch die verschiedenen Industrien sind nicht gleichmäßig auf die Bundesländer verteilt. So kommt es, dass gewisse Branchen pro Bundesland sehr viel mehr Gas verbraucht haben als andere. Details dazu gibt es in den nachfolgenden Abschnitten.

Erdgas in der Papierindustrie

Wie viel Gas braucht die Papierindustrie?

Die Papierindustrie braucht das meiste Gas in Österreichs Industrie. Der energetische Endverbrauch bei Papier und Druck liegt bei 5,9 Terawattstunden Gas (Stand 2020 laut Zahlen der WKO und Statistik Austria). Das sind 19,3 % des gesamten Gasverbrauchs im produzierenden Bereich.

Gemeinsam mit dem zweitintensivsten Industriezweig – der Chemieindustrie – benötigt Papier mehr als ein Zehntel des gesamten österreichischen Gasverbrauchs von rund 90 TWh jährlich.

Zellstofffabriken erzeugen den Großteil ihrer Energie selbst, doch auch hier wird "ein Minimum an Gas" gebraucht, heißt es aus der Branche.

Warum ist die Papierindustrie so gasintensiv?

Gas wird für die Dampf- und Stromerzeugung in den Papierfabriken gebraucht, sowie als Start- und Stützbrennstoff in den Zellstoff-Fabriken. Zur Herstellung von Papier muss der Papierbrei getrocknet werden, häufig mit Wärme, die aus Gas erzeugt wird.

Dass der Industriezweig so viel Gas benötigt, liegt auch daran, dass in Österreich viel Papier produziert wird. Der Branchenverband Austropapier bezeichnet die Alpenrepublik als "Papierland". Es gibt 23 österreichische Papierfabriken (Stand Frühjahr 2022). Gemeinsam erzeugen diese pro Jahr etwa fünf Millionen Tonnen Papier und zwei Millionen Tonnen Zellstoff.

Welche sind die größten Papierproduzenten?

Gemessen am Nettoumsatz (Stand 2020) sind die größten Unternehmen der österreichischen Papier- und Zellstoffindustrie: Mondi (6,6 Millionen Euro), Mayr-Melnhof (2,5 Millionen Euro) und Prinzhorn (1,9 Millionen Euro). Weitere große Produzenten sind Heinzel, Delfort, Roxcel, MTH, Central National Gottesman, Sappi, Ganahl und andere.

Maschine in der Fertigung der Heinzel Group
Fertigung bei Heinzel. Die Holding ist einer der größten Papierproduzenten Österreichs. - © Heinzel

Wie wird Erdgas flüssig gemacht?

Erdgas kann auch einen flüssigen Zustand erreichen. Dafür wird es erst gereinigt und dann auf -162 Grad Celsius abgekühlt. Das Flüssigerdgas – oder LNG (Liquefied Natural Gas) – verbraucht 600 Mal weniger Platz als im gasförmigen Zustand.

Besonders bei weiten Transporten, etwa über Ozeane, rentiert sich der Bau von Pipelines nicht mehr. Das Flüssiggas hingegen kann per Lkw oder Schiff transportiert werden.

Das Flüssigerdgas wird in Tanks gelagert und bei Bedarf regasifiziert, also erhitzt, bis es verdampft. Durch Pipelines wird es schließlich mit Druck und Pumpen gasförmig transportiert.

Gastanks bei Raffinerie
LNG benötigt bei der Lagerung weit weniger Platz. - © weerapong - stock.adobe.com

Gashungriges Papier – gibt es Alternativen?

Kosten-Nutzen-Rechnung

20 % der Gesamtkosten einer Papierfabrik entfallen auf Energie. Schon 2021 spürte Österreichs Papierindustrie die höheren Preise für Gas und Strom. Daneben stiegen auch die Preise für Altpapier und Zellstoff deutlich. Mit Grund dafür ist, dass zu wenig Altpapier am Markt ist.

Fast 90 % des in Österreich produzierten Papiers gehen in den Export. 2021 machte die Papierindustrie rund vier Milliarden Euro Umsatz.

Lässt sich Gas in der Papierindustrie ersetzen?


Die Papierindustrie hat einen Anteil von 60 % an Erneuerbaren Energien. Damit ist sie ein Vorreiter bei der Ökoenergie. Dennoch ist sie noch zu 35 % auf Gas angewiesen. Austropapier-Präsident Kurt Maier sagt dazu: „Gas ist eine Brückentechnologie, die uns noch einige Zeit lange begleiten wird. Wir investieren aber kontinuierlich in Klimaschutzmaßnahmen, um die Klimaziele zu erreichen."

"Die kurzfristige Ausweichmöglichkeit ist limitiert", erklärt Max Oberhumer, CEO der Papierfabrik Sappi Gratkorn nahe Graz. Es gebe ein paar andere Möglichkeiten, Gasbrennstoff zu erzeugen, etwa aus Biogasanlagen. "Das ist aber mengenmäßig nicht vergleichbar. Das heißt, kurzfristig ist es technologisch nicht möglich, Gas durch einen anderen Brennstoff zu ersetzen."

An Öl etwa würden zu große Mengen gebraucht, um damit Gas zu ersetzen, sagt auch Sebastian Heinzel von der Heinzel Group. Er sieht allerdings Möglichkeiten darin, Baumrinden als Heizstoff zu verwenden. Den gleichen Zweck könnte Altpapier erfüllen, dass sich nicht mehr zum Recycling eignet.

Da die Papierindustrie in den vergangenen Jahren bereits den Ausstieg aus fossilen Energieträgern vorangetrieben hat, sind auch die CO2-Emissionen seit dem Jahr 2000 um ein Viertel gesenkt worden. "Wir haben nur kein Rezept, dass wir hier einen Hebel umlegen und über Nacht sagen können, wir brauchen kein Erdgas mehr", so Maier. Selbstverständlich könne man bei einem Mangel zunächst Teile der Produktion stilllegen, aber "in letzter Konsequenz, wenn die Gasflüsse völlig zum Erliegen kommen, müssten wir alle Papierfabriken abstellen".

Mit dem Ukrainekrieg hat sich die Situation bei Energie derart verschärft, dass einzelne Unternehmen ihre Produktion kurzfristig stilllegen mussten. Im Falle eines Gas-Embargos oder Gas-Lieferstopps könnte laut Maier nicht mehr weiterproduziert werden. Die Papierindustrie fordert deshalb die verstärkte Förderung von Maßnahmen zur Dekarbonisierung und unbürokratische Genehmigungsverfahren, um den Gasbedarf sukzessive zu reduzieren.

Wie wichtig ist die Papierindustrie?


Hergestellt werden unter anderem Verpackungen für Lebensmittel und Medikamente, aber auch Hygienepapiere, wären innerhalb kurzer Zeit nicht mehr verfügbar. Über 100.000 Haushalte werden außerdem mit Fernwärme und Strom beliefert. Die Papierindustrie steuert 10 % der in Österreich hergestellten Erneuerbaren Energie her.

Größte Papierproduzenten in Österreich nach Nettoumsatz 2020:

große Papierrolle in Papierfabrik
Kann Gas in der Papierindustrie ersetzt werden? Jedenfalls nicht mit Öl – die benötigten Mengen wären zu hoch. - © hxdyl - stock.adobe.com

Erdgas in der Chemieindustrie

Wie viel Gas braucht die chemische Industrie?

Der nach der Papierindustrie energieintensivste Zweig ist die Chemieindustrie. 2020 betrug der energetische Endverbrauch in der Chemie und Petrochemie 5,1 Terawattstunden. Das sind 16,7 % des gesamten Gasverbrauchs im produzierenden Bereich.

Gemeinsam mit dem energieintensivsten Industriezweig – der Papierindustrie – benötigt die Chemie mehr als ein Zehntel des gesamten österreichischen Gasverbrauchs von rund 90 TWh jährlich.

Lesen Sie auch hier: Mit diesen Maßnahmen will Chemieindustrie ihre Gasversorgung sichern

Wie wichtig ist Gas in der Chemieindustrie?

Erdgas ist in diesem Industriezweig nicht nur ein wichtiger Energieträger, sondern auch Rohstoff, etwa für die Basischemikalie Ammoniak. Es wird für eine Vielzahl von Materialien und Stoffen benötigt, die man für die Herstellung von lebenswichtigen Produkten braucht. Dazu zählen auch Medikamente und Düngemittel.

Wie wichtig ist die Chemieindustrie?

Die Chemie steht am Anfang fast aller Produktionsprozesse. 96 % der in der EU hergestellten Waren benötigen Vorprodukte aus der Chemie.

Ihre Erzeugnisse sind also für viele nachgelagerte Lieferketten und Produktionsketten in Österreich essenziell. Neben Kunstdünger und Medikamenten braucht es Chemieerzeugnisse für Matratzen, Dämmstoffe, Kühlschränke, Autositze oder Textilfasern. Zigtausende Arbeitsplätze sind damit direkt oder indirekt von der Branche abhängig.

Auch für die Energiewende ist der Industriezweig wichtig. Chemieerzeugnisse werden für Spezialkunststoffe und High-Tech-Beschichtungen für Windräder und Solarpaneele gebraucht.

Gas ist ein wichtiger Rohstoff in der Chemieindustrie.
Allein durch die umfassende Wiederverwertung von Kunststoffen könnte in Österreich die für die Dekarbonisierung der Chemieindustrie zusätzlich benötigte Energie halbiert werden, heißt es aus der Branche. - © AdobeStock_476468819
„Ein abrupter Stopp der Gasversorgung hätte katastrophale Auswirkungen auf die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern."
Hubert Culik, Obmann der chemischen Industrie

Dekarbonisierung der chemischen Industrie?

Lässt sich Gas in der Chemieindustrie ersetzen?

Die Branche arbeitet an verschiedenen Lösungen: von Materialien für erneuerbare Energien und dem Einsatz erneuerbaren Wasserstoffs bis hin zu Kreislaufwirtschaft und Carbon Capture and Utilization (CCU).

Allein durch die umfassende Wiederverwertung von Kunststoffen könnte in Österreich die für die Dekarbonisierung der Chemieindustrie zusätzlich benötigte Energie halbiert werden, heißt es aus der Branche. Zusätzlich würde auch ein Großteil der fossilen Ressourcen für die Neuproduktion wegfallen. Biobasierte Ressourcen und der Einsatz erneuerbaren Wasserstoffs könnten massive Einsparungen bei fossilem Energie- und Rohstoffeinsatz bringen.

Wo Gas als Rohstoff eingesetzt wird, ist es aber noch relativ alternativlos.

Welche sind die größten Chemieunternehmen?


Gemessen am Nettoumsatz (Stand 2020) ist die OMV-Tochter Borealis das größte österreichische Chemieunternehmen (6,8 Milliarden Euro). Danach kommt Henkel mit rund 3 Milliarden Euro. Das wichtigste Segment der Borealis sind Polyolefine, die etwa für Automotive, Energie oder Verpackungen eingesetzt werden.

2019 erzielte die österreichische Chemieindustrie einen Gesamtumsatz von 15,05 Milliarden Euro. Das sind knapp 3 % Anteil am europäischen Chemiemarkt. Chemie- und Pharmaindustrie zusammengenommen, kamen 2020 aus der Branche 232 nationale Patentanmeldungen.

Wie treffen Gaspreis und Gasmangel die chemische Industrie?


Bereits 2021 haben explodierende Energiepreise, Probleme in den Lieferketten bei wichtigen Grundstoffen und Vorprodukten, sowie Engpässe und hohe Preise in der Logistik zu deutlichen Einbußen bei den Margen geführt. Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine hat die Situation dann dramatisch verschärft.

Die gestiegenen Herstellungs- und Beschaffungskosten können nicht oder nur zum Teil an die Kunden weitergegeben werden.

„Ein abrupter Stopp der Gasversorgung hätte katastrophale Auswirkungen auf die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern“, so Hubert Culik, Obmann der chemischen Industrie.

Die Nord Stream Pipelines

Nord Stream (die Ostsee-Pipeline) ist ein System aus Gasleitungen von Russland nach Greifswald in Deutschland. Nord Stream 1 wurde 2011 in Betrieb genommen. Die Arbeiten an Nord Stream 2 wurden 2021 abgeschlossen, doch das Genehmigungsverfahren im Zuge des Kriegs in der Ukraine unterbrochen. Gazprom ist zu 51 % Eigentümer und Betreiber der ersten Pipeline, sowie zu 100 % der zweiten. Die Transportkapazität soll jeweils bei 550 TW/h pro Jahr liegen.

Gazprom ist das größte Erdgasförderunternehmen der Welt und generell eines der größten Unternehmen Europas sowie einer der größten Arbeitgeber Russlands. Etwas über die Hälfte gehört dem russischen Staat, welcher auch die Mehrheit der Sitze im Aufsichtsrat hat.
Grafik Gas Erdgas Nord Stream 2 Pipeline Gazprom OMV Russland Deutschland
Nord Stream 1 ist seit 2011 in Betrieb, Nord Stream 2 könnte es auch schon sein – doch die Genehmigung wurde gestoppt. - © APA

Erdgas in der Metallindustrie

Die Stahlproduktion und Eisenproduktion sind zusammen einer der energieintensivsten Industriezweige. Nur die Papierindustrie und Chemieindustrie benötigen mehr Gas.

Wie viel Gas benötigen Stahlindustrie und Eisenindustrie?

2020 betrug der energetische Endverbrauch in der Eisen- und Stahlerzeugung 4,7 Terawattstunden Gas. Zum Vergleich: Der Gesamtverbrauch in Österreich lag bei 90 TWh, die gesamte Industrie machte davon 36 TWh aus.

Wie wichtig ist Erdgas in der Stahlindustrie?

Gas wird in der Stahlerzeugung als Brennstoff zur Temperaturerzeugung genutzt. Außerdem kommt es als Reduktionsmittel in verschiedenen Prozessschritten zum Einsatz – das gilt auch für Roheisen.

Wirtschaftliche Alternativen mit grünem Wasserstoff sind vor 2030 eher nicht zu erwarten. Gas wird in der Stahlindustrie als Brückentechnologie auf dem Weg zur klimaschonenden Produktion mit Wasserstoff gesehen. Durch die Umstellung von Kohle auf Gas wird der CO2-Ausstoß bereits stark reduziert.

Wie wichtig sind Stahl und Eisen?

2021 wurden in Österreich 7,88 Millionen Tonnen Rohstahl erzeugt. Das war ein Anstieg von über einer Million im Vergleich zum Vorjahr. Allein in Österreich beschäftigt die Stahlindustrie über 15.000 Menschen (Stand 2020). Dazu kommen noch zigtausende Arbeitsplätze von Industrien, die Stahl und Eisen als Basiswerkstoffe benötigen.

Die Metalltechnische Industrie, zu der der Stahlbau zählt, macht ein Viertel der österreichischen Exporte aus. 2020 lag ihr Produktionswert bei rund 34 Milliarden Euro.

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Die Voestalpine hat Stahl als Kerngeschäft und ist der größte Stahlproduzent Österreichs. - © Voestalpine

Stahl: Fallbeispiel Voestalpine

Die Voestalpine, der größte Stahlproduzent Österreichs, hat sich jüngst bereits um eine Absicherung der Energieversorgung bemüht. So werden die österreichischen Produktionsstandorte nicht über Nord Stream, sondern größtenteils über die durch die Slowakei verlaufende Transgas-Pipeline versorgt. Gaslieferungen abseits von Russland wurden bereits vertraglich gesichert. Die Eigeneinspeicherung von Gas hat im Mai 2022 begonnen. Das ist durch die Novellierung des Energielenkungsgesetzes möglich (mehr dazu weiter unten).

Gas wird bei der Voestalpine hauptsächlich für Wärmebehandlungsaktivitäten und für die Walzwerke in den Stahlwerken, vor allem in Linz, Donawitz und Kapfenberg, benötigt. Der Konzern will bis zu 1,5 TWh an Gas u.a. in den RAG-Speichern Haag und Haidach einspeichern. Diese Menge ermöglicht drei Monate Vollbetrieb bzw. einen entsprechend längeren Teilbetrieb. Derzeit sind diese Speicher bereits zur Hälfte gefüllt.

2021 wurden in Österreich 7,88 Millionen Tonnen Rohstahl erzeugt. Das war ein Anstieg von über einer Million im Vergleich zum Vorjahr.
2021 wurden in Österreich 7,88 Millionen Tonnen Rohstahl erzeugt. Das war ein Anstieg von über einer Million im Vergleich zum Vorjahr. - © Fotolia

Erdgas in der Glasindustrie

Um Glas herzustellen, sind im Schmelzprozess Temperaturen um die 1.600 Grad nötig. Die Hitze wird größtenteils mit Erdgas hergestellt. Glasöfen laufen rund um die Uhr. Würde zwischendurch das Gas abgestellt, würden Reste darin erhärten und die teure Anlage stark beschädigen oder ruinieren. Ein kontrolliertes Herunter- und Wiederhochfahren dauere Monate, heißt es von Betrieben.

Die größten Gasverbraucher in der Glasindustrie sind Hersteller von Glas für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie sowie die Pharmaindustrie. Aber auch die Bauindustrie und die Automobilindustrie brauchen Glas.

In der Glasproduktion werden außerdem große Mengen Altglas verwertet. Stünde die Produktion still, gebe es auch einen Stau in der Müllverwertung.

Gas hat aus Gründen der Klimaschonung Holz und Öl in der Hitzeerzeugung ersetzt. Der fossile Brennstoff wäre in der Glasindustrie ebenfalls ersetzbar. Die dafür notwendigen technologischen Schritte sind aber umfangreich. Möglich und vielerorts geplant sind etwa Hybridöfen, die mit großen Mengen Strom bzw. langfristig mit Wasserstoff betrieben werden.

Ein Fensterglas auf einem Fließband in der Glasproduktion. Die Glasindustrie ist aber auch wichtig für die Pharmaindustrie.
Fensterglas ist ein wichtiges Erzeugnis der Glasproduktion. Die Glasindustrie ist besonders essentiell für die Pharmaindustrie. - © romaset - stock.adobe.com

Erdgas in der Keramikindustrie

Keramik wird bei Temperaturen von über 1.000 Grad Celsius gebrannt. Fabriken nutzen für diese Hitzeerzeugung Gas.

Technische Keramik wird für viele verschiedene Anwendungsbereiche benötigt, etwa als Dichtscheiben oder Dichtringe. Im Maschinen- und Anlagenbau wird sie als Verschleißschutz eingesetzt, in der Elektrotechnik als Isolator. Auch in der Halbleiter-Industrie und anderen Branchen wird Keramik benötigt.

Die keramische Industrie benötigt Erdgas aber nicht nur als Energiequelle, sondern auch aufgrund des chemischen Prozesses beim Erhitzen. Denn nur eine Verbrennung, bei der Kohlenstoff im Spiel ist, lässt Porzellan weiß werden. Damit würden ohne Gas viele Produkte – etwas im Sanitärbereich – wegfallen, wenn auch nicht technische Keramik.

Alternativen zu Erdgas in der Keramikproduktion sind mittelfristig möglich, aber werden gemeinhin als sehr teuer eingestuft. Grüner Wasserstoff müsste etwa erst methanisiert werden, um die Herstellung weißen Porzellans möglich zu machen.

Arbeiter in einer Keramik-Produktion zeigt eine Keramikplatte. Technische Keramik findet eine Vielzahl an Anwendungsbereichen.
Keramikplatten für die Bauindustrie ist nur eines von vielen Anwendungsgebieten. Technische Keramik ist etwa auch für die Halbleiterindustrie von Bedeutung. - © littlewolf1989 - stock.adobe.com

Erdgas in der Lebensmittelindustrie

Die österreichische Lebensmittelindustrie benötigt rund 3,5 Terawattstunden an Gas jährlich. Das sind etwa zehn Prozent des Gasbedarfs der gesamten Industrie.

Erdgas wird in der Nahrungsmittelindustrie breitflächig benötigt. Viele Produktionsprozesse sind energieintensiv oder erfordern hohe Temperaturen. Gas wird eingesetzt, wenn in der Produktion Dampf, heißes Wasser, Kälte oder Hitze nötig ist. Daneben brauchen Prozesse wie Kochen, Raffinieren oder Zermahlen ebenfalls Energie.

Über ein Viertel des Erdgases in der Lebensmittelindustrie benötigen die Zweige Obst und Gemüse, Stärke und Mühlen. Getränke und die Milchverarbeitung machen jeweils über 13 % aus, gefolgt von Back- und Teigwaren mit 10,5 %. Alles, was unter "Sonstige Nahrungsmittel" fällt, macht über 18 % des Gasbedarfs in der Lebensmittelindustrie aus.

Die Nahrungsmittelindustrie, zu der auch Futtermittel für Tiere gehören, ist unter anderem wichtig für Österreichs Exporte. 2021 machten Lebensmittel 13,9 Milliarden Euro im Export aus, was gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg von über 9 % war. Damit war auch die Außenhandelsbilanz mit Agrarwaren und Lebensmittel nahezu ausgeglichen. Für rund 200 heimische Unternehmen ist der Außenhandel ein bedeutender Faktor.

Arbeiterin am Fliessband in der Lebensmittelindustrie
Gas wird in der Nahrungsmittelproduktion vielerorts eingesetzt: wenn Dampf, heißes Wasser, Kälte oder Hitze nötig ist. - © industrieblick - stock.adobe.com

Wie sieht der Gas-Notfallplan in Österreich aus?

In Österreich gibt es die grundsätzliche Möglichkeit, in den Markt für die Gasversorgung einzugreifen, wenn es zu Problemen kommt. Das gilt auch für viele andere Länder. Dafür besteht ein dreistufiger "Notfallplan Gasversorgung". Auch ein Sprung direkt auf Stufe 3 ist theoretisch möglich.

Stufe 1 – Frühwarnstufe:


Sie wird ausgerufen, wenn es "konkrete und zuverlässige Hinweise gibt, dass es zu einer Verschlechterung der Gasversorgung kommen kann". Dabei geht es vor allem um eine engmaschige Überwachung des Gasmarktes durch die E-Control, wobei insbesondere mit großen Akteuren wie Speicherbetreibern und Großverbrauchern gesprochen wird. Eingriffe in den Markt sind hier nicht vorgesehen.

Die Frühwarnstufe wurde in Österreich bereits im März 2022 ausgerufen. Grund dafür war die Ankündigung Russlands, dass Gaslieferungen künftig nur noch in Rubel bezahlt werden sollen. Gleichzeitig wurde das Überwachungs- und Monitoring-System noch weiter verschärft.

Stufe 2 – Alarmstufe:

Sie wird ausgerufen, wenn sich die Gasversorgungslage tatsächlich verschlechtert. Die Industrie wird nach ihrem aktuellen Gasbedarf befragt und aufgefordert, nach Möglichkeit Alternativen zu Erdgas zu nutzen. Durch eine engere Abstimmung mit den Speicherbetreibern sollen Engpässe vermieden werden. Energielenkende Maßnahmen, also Rationierungen, sind noch nicht vorgesehen.

Stufe 3 - Notfallstufe:


Die Notfallstufe tritt ein, wenn kein Gas mehr geliefert wird und die aktuelle Nachfrage nicht mehr gedeckt werden kann. Die Industrie muss Erdgas durch andere Energieträger ersetzen. Auch Energielenkungsmaßnahmen sind hier möglich. Die Gasversorgung von Haushalten und kleinen Betrieben wird priorisiert.

Was ist das Energielenkungsgesetz?

Bei Energielenkung wird per Verordnung bestimmt, wer im Notfall vorrangig mit Gas beliefert wird. Das ist im Notfallplan in Österreich aber der letzte Schritt.

In einer ersten Phase würde die E-Control bestimmte Unternehmen auffordern, auf freiwilliger Basis ihren Verbrauch zu drosseln. Sollte der Energielenkungsfall eintreten, könnten auch hoheitliche Eingriffe in privatrechtliche Reserven vorgenommen werden.

Eine Novelle des Energielenkungsgesetzes (EnLG) soll Industriebetrieben, die Gas einspeichern, Sicherheiten geben. Große Industriebetriebe, die eigenständig Erdgas kaufen und einspeichern, sollen auch im Krisenfall über ihre Gasreserven selbst verfügen können. Bisher hat diese Sicherheit oft gefehlt, denn im Falle der Energielenkung würde der Staat auf die Reserven zugreifen. Auch war die finanzielle Entschädigung dafür im Gesetz nicht geregelt.

Industriebetriebe, die selbst Gas haben, sollen künftig von Maßnahmen wie etwa einer verpflichtenden Reduktion des Verbrauchs in einem ersten Schritt nicht betroffen sein. Sie sollen auf die eigenen Reserven zugreifen können, um die Produktion fortzusetzen. Erst wenn es die Systemstabilität erfordert, greift der Staat auch auf diese Reserven zu.

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Wie viel kostet Gas?

Der Gaspreis ist vor allem 2021 und 2022 in Österreich, aber auch in vielen anderen Ländern, stark gestiegen. Er wird pro Kilowattstunde (kWh) berechnet und bezieht unterm Strich Netzkosten, Steuern und Abgaben mit ein.

Hierzulande liegt der Preis für Gas laut E-Control (Stand Juli 2022) bei zwischen rund 5,4 Cent und rund 9 Cent. Er ist mitunter stark abhängig vom Gasanbieter und vom Standort, denn die Netzentgelte unterscheiden sich nach Netzgebiet.

Im Juli 2022 sank der Österreichische Gaspreisindex zum ersten Mal seit Februar. Die Preisentwicklung zeigt sich im Jahresvergleich besonders deutlich: Im Juli 2021 lag der Index um 311,3 % niedriger. Der von der Österreichischen Energieagentur berechnete Index fällt im Juli 2022 auf 470,91 Punkte. In den vergangenen zwölf Monaten lag der ÖGPI im Schnitt bei 373,23 Punkten.