Rohstoffe und Energie : Erzeugerpreise in Industrie überraschen Analysten – wie lange noch produziert werden kann

produzierender Betrieb mit Fließbändern in großer Fabrikshalle
© industrieblick

Die Erzeugerpreise sind hoch und steigen weiter. Das zeigt sich in der gesamten Eurozone. Analysten wurden zuletzt von der Stärke des erneuten Preisschubs etwa in Deutschland überrascht.

Der starke Preisauftrieb hat sich im April bei Österreichs großem Nachbarn weiter beschleunigt. Die Produzentenpreise stiegen im Jahresvergleich um 33,5 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden mitteilte. Analysten hatten einen etwas geringeren Anstieg um 31,3 Prozent erwartet. So stark sind die Preise noch nie seit Beginn der Erhebung im Jahr 1949 gestiegen. Bereits in den Vormonaten hatte der Preisauftrieb immer wieder Rekordmarken erreicht.

Im Monatsvergleich stiegen die Preise, die Hersteller für ihre Waren erhalten, um 2,8 Prozent. In dieser Betrachtung wurden die Erwartungen der Analysten ebenfalls deutlich übertroffen. Die Daten spiegeln laut dem Statistischen Bundesamt die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine wider.

Stärkster Preistreiber bleiben die Energiekosten. Für die Erzeuger verteuerte sich Energie im April im Jahresvergleich um 87,3 Prozent, dabei wurde Erdgas 154,8 Prozent teurer. "Kraftwerke zahlten für Erdgas gut viermal so viel wie ein Jahr zuvor", hieß es in der Mitteilung des Bundesamtes.

Hohe Preissteigerungen gab es auch beim Strom und bei Mineralölerzeugnissen. Außerdem verteuerten sich Vorleistungsgütern, und hier stiegen vor allem die Preise für Metalle, Dünge- und Futtermittel sowie Verpackungen aus Holz.

Welche Auswirkungen die steigenden Kosten in der produzierenden Industrie haben, zeigt sich in Österreich unter anderem in der Branche Papier. „Der wirtschaftliche Aufschwung im letzten Jahr wurde durch höhere Kosten bei Rohstoffen und Energie gedämpft“, so Austropapier Präsident Kurt Maier.

20 % der Gesamtkosten einer Papierfabrik entfallen auf Energie, somit zählt die Industrie zu den energieintensiven Branchen. Schon 2021 musste sie für Gas, Strom sowie CO2-Zertifikate tiefer in die Tasche greifen, auch die Altpapier- und Zellstoffpreise stiegen deutlich. Mit dem Ukrainekrieg hat sich die Situation bei Energie derart verschärft, dass erste Unternehmen ihre Produktion kurzfristig stilllegen mussten.

Mehr zum Thema: Sebastian Heinzel: "Wir müssen Teil der Lösung sein"

Die Branche sei mit einer Verfünffachung der Gaspreise konfrontiert - das sei, wie wenn Benzin an der Tankstelle plötzlich 7 oder 8 Euro kosten würde, verglich Max Oberhumer, Energiesprecher von Austropapier. Er räumte ein, dass er vor einem Jahr wohl gesagt hätte, dass die Branche mit einem solchen Gaspreis nicht wirtschaften könne - "und jetzt leben wir in dieser Situation" und die Produktion läuft weiter. Solange alle Vorprodukte lieferbar sind, werde auch weiter produziert. Ein Teil der Kostensteigerungen sei weitergegeben worden, ein Teil nicht. Welche Preisanstiege die Branche noch an Kunden verrechnen muss sei nicht absehbar, so Maier. Weder könne man die Preise, noch die Lieferbarkeit von Vorprodukten vorhersehen.

Auch in Deutschland wird aktuell wieder auf starke Preissteigerungen für Papier und Pappe verwiesen, mit einem Zuwachs um 52,7 Prozent im Jahresvergleich. Besonders stark legten die Preise für Zeitungsdruckpapier (+111,9 Prozent) zu.

Die Erzeugerpreise wirken sich in der Regel auch auf die Verbraucherpreise aus, an denen die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Geldpolitik ausrichtet. Sowohl in Deutschland als auch der Eurozone liegt die Inflation weit über dem mittelfristigen Zielwert der EZB von zwei Prozent. Mittlerweile wird am Markt im Sommer mit einer Zinserhöhung der Zentralbank gerechnet. Die US-Notenbank Fed geht beim Kampf gegen die hohe Inflation weniger zögerlich vor und hat bereits im März mit den Zinserhöhungen begonnen.

Kurt Maier, COO bei der Heinzel Group und zugleich Präsident von Austropapier, der Vereinigung der Österreichischen Papierindustrie
„Der wirtschaftliche Aufschwung im letzten Jahr wurde durch höhere Kosten bei Rohstoffen und Energie gedämpft“, so Austropapier Präsident Kurt Maier. - © Oultine Pictures · www.outline-

Und trotz alledem tut die produzierende Industrie genau das, wonach sie benannt ist. In Österreich ist der arbeitstägig bereinigte Produktionsindex hier im März um 3,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen. Im Vergleich zum Vormonat Februar sank der Index saisonal bereinigt aber um 1,1 Prozent, wie die Statistik Austria mitteilte.

In der Industrie nahm die Produktion gegenüber dem März 2021 um 4,8 Prozent zu, das Baugewerbe verzeichnete hingegen ein leichtes Minus von 0,3 Prozent. In den Industriellen Hauptgruppen zog die Produktion im Jahresvergleich vor allem bei Energie an (plus 12,1 Prozent). Einen Anstieg verzeichneten auch Gebrauchsgüter (plus 8,3 Prozent), Vorleistungsgüter (plus 6,3 Prozent), Verbrauchsgüter (plus 2,5 Prozent) und Investitionsgüter (plus 1,1 Prozent).

Positiv beeinflusst hat die Produktion im vergangenen Jahr laut Statistik Austria vor allem die starke Zunahme bei der Energieversorgung (Hauptgruppe Energie), hier ergab sich ein Plus von 12,7 Prozent. Die Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen ging hingegen um 25,1 Prozent zurück.

Für Zeiten, in denen vielen produzierenden Betrieben Vormaterialien fehlen, um ihre Aufträge abzuarbeiten, sind die Zahlen also gar nicht schlecht. Doch ein Wechsel nach Deutschland zeigt, dass der Aufschwung auch bald wieder Geschichte sein könnte.

So steigerten die deutschen Unternehmen ihre Produktion im Monat des russischen Einmarsches überraschend zum fünften Mal in Folge. Industrie, Bau und Energieversorger stellten im Februar zusammen um 0,2 Prozent mehr her als im Vormonat.

In den Februar-Daten sei aber praktisch noch kein Effekt der russischen Invasion der Ukraine enthalten, erklärte das deutsche Wirtschaftsministerium dazu. "Seit Kriegsbeginn hat sich die Unsicherheit über den weiteren konjunkturellen Verlauf massiv erhöht", betonte das Haus von Minister Robert Habeck. "Es ist davon auszugehen, dass der Krieg die Erholung der Industriekonjunktur zunächst bremsen wird."

Die österreichischen Zahlen derweil beziehen sich auf März. Doch auch hier könnte noch die volle Tragkraft des Kriegs angekommen sein. Erst die April-Zahlen werden diesbezüglich mehr Aufschluss geben.

Die steigenden Energiepreise sind für Österreichs Unternehmen derzeit die größte Existenzbedrohung. stromkosten ergänzung zuschuss
© gopixa - stock.adobe.com

Schließlich stiegen die Erzeugerpreise des Produzierenden Bereichs in Österreich im März binnen Jahresfrist um 21,2 Prozent. Damit hat sich auch auf Produzentenebene der Teuerungsschub verstärkt. Im Februar und im Jänner hatten die Anstiege erst 18,9 bzw. 18,4 Prozent betragen. Binnen Monatsfrist, gegenüber Februar, wuchs der Erzeugerpreisindex um 2,8 Prozent.

Angetrieben wurde der starke Indexanstieg von 21,2 Prozent im Jahresabstand vorwiegend durch den Bereich Energie mit plus 53,1 Prozent. Im Februar und Jänner hatten das Plus bei Energie 43,9 bzw. 43,3 Prozent ausgemacht. Ansteigen ließen den Index für Energie deutliche Preiserhöhungen für "industriell erzeugte Gase; Dienstleistungen der Gasversorgung" von 57,9 Prozent, für "elektrischen Strom und Dienstleistungen der Elektrizitätsversorgung" von 43,3 Prozent sowie für "Mineralölerzeugnisse".

Vorleistungsgüter verteuerten sich um 19,3 Prozent, nach 19,2 Prozent im Februar und 19,0 Prozent im Jänner. Bei Investitionsgütern waren die Preisaufschläge gering, der Trend zeigte aber mit 3,6 Prozent (nach 3,1 Prozent im Februar und 2,9 Prozent im Jänner) nach oben.

"Trotz Ukraine-Krise stehen in Österreichs Industrie und Bau auch im März 2022 die Signale weiterhin auf Grün", so Statistik Austria-Generaldirektor Tobias Thomas Ende April. Insgesamt sei der produzierende Bereich nach wie vor auf Wachstumskurs.

Der Beschäftigtenindex in Industrie und Bau verbuchte im März allerdings lediglich einen Anstieg von 1,7 Prozent. Der Index der geleisteten Arbeitsstunden ging um ein Prozent zurück. Bemerkenswert dabei: Die Umsätze lagen 54,9 Prozent über dem Vorkrisenniveau vom März 2019, was teilweise durch massive Preissteigerungen vor allem im Energiesektor bedingt war. (apa/red)