Produktionsstandorte : Russland/Ukraine: Was die Invasion und die Sanktionen für Österreichs Produktion vor Ort bedeuten
In Russland haben österreichische Firmen 650 Niederlassungen, in der Ukraine 200. Schon die bisherigen Sanktionen gegen Moskau haben der heimischen Wirtschaft jährlich rund 400 Millionen Euro Wertschöpfung gekostet. Was bedeutet das nun für die verschiedenen Branchen?
Maschinenbau:
Russland ist ein wichtiger Markt für österreichische Maschinenbauer. Einige, wie der Salzburger Kranbauer Palfinger, sind in Russland mit Werken vertreten. Dort beschäftigt man in fünf Fabriken 1.300 Mitarbeiter – und produziert für die Region. "Das ist auch im Fall eines Swift-Ausschlusses ungefährdet, da wir innerhalb Russlands in Rubel fakturieren", sagt das Unternehmen. Das Wachstum in diesem Markt, der bislang 7 Prozent des Umsatzes ausgemacht hat, sieht man jetzt allerdings stark limitiert – und vollzieht einen Strategieschwenk auf die Wachstumsmärkte Nord- und Lateinamerika.
Auch kleinere Maschinenbauunternehmen wie etwa die oberösterreichische Fill Gruppe ist betroffen: Seit über 30 Jahren befindet sich das Ski-Produktionswerk von Fischer mit 630 Mitarbeitern in Mukachevo. Zehn heimische Monteure, die vor Ort die Produktion nach einem Brand um- und ausbauen hätten sollen, haben das Werk verlassen.
Stahl-/Metallindustrie:
Die Energieversorgung – aber auch die Versorgung mit Vormaterialien ist für die heimische Stahl- und Metallindustrie ein Thema. So bezieht etwa die voestalpine einen Teil des Eisenerzes bzw. der Pellets aus der Ukraine. Aus heutiger Sicht, so heißt es bei der Voestalpine, sei die Versorgung der Produktionsbereiche für die nächsten Monate durch eigene Lagerstände abgesichert. "Wir gehen davon aus, unseren Rohstoffbedarf darüber hinaus durch unsere anderen Rohstofflieferanten abdecken zu können", so die Stellungnahme des Unternehmens.
Weniger optimistisch zeigt man sich beim Feuerfesthersteller Magnesita. "Ein Ausblick ist nahezu unmöglich", sagt Stefan Borgas, CEO von RHi Magnesita im Hinblick auf die geopolitische Entwicklung. "Wir haben ungefähr 90 Mio. Euro Geschäft in Russland und der Ukraine. Ich glaube, man muss jetzt realistisch davon ausgehen, dass das ziemlich zum Erliegen kommen wird.“ Der Feuerfesthersteller RHI Magnesita warnt zudem vor einem Gas-Engpass. Wenn man in den Produktionsstandorten Breitenau, Steiermark und Hochfilzen in Tirol, nicht genug Gas habe, gehe die Produktion dort zurück.
Nahrungsmittelindustrie:
Agrana ist seit 1997 in der Ukraine und seit 2005 in Russland tätig, man beschäftigt in der Ukraine rund 600 Mitarbeiter und in Russland rund 300 Mitarbeiter zur Verarbeitung von Fruchtsaftkonzentraten für die Molkereiindustrie. Die Produktion an beiden ukrainischen Standorten wurde letzte Woche stillgelegt.
Chemische Industrie/Mineralölindustrie:
Bei der OMV steht man derzeit vor verschiedenen Baustellen. Ein Monitoring-Team beobachtet das Engagement Nord Stream 2, in dem die OMV als Finanzierungspartner der russischen Gazprom rund eine dreiviertel Milliarde Euro vorgestreckt hat. Noch sieht man hier zumindest offiziell keinen Abschreibungsbedarf. Weitere Schwierigkeiten stehen dem Mineralölkonzern, der sich derzeit zum Chemiekonzern wandeln will, jedoch in einem kürzlich erfolgten Verkauf ins Haus: Die Linzer Düngemittelsparte der Borealis soll noch heuer an den russisch-schweizerischen Konzern EuroChem verkauft werden. Angesichts der Ereignisse kritisieren oberösterreichische Politiker den 455-Millionen-Euro-Deal. Die OMV hält zudem einen 24,99-prozentigen Anteil am russischen Gasfeld Juschno-Russkoje.
Beim niederösterreichischen Ölfeldausrüster Schoeller-Bleckmann Oilfield (SBO) hält man sich derzeit mit Prognosen zurück. Die Auswirkungen und damit verbundenen gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen des Kriegs seien aktuell noch nicht abschätzbar. Das Russland-Geschäft von SBO liege jedoch nur im niedrigen zweistelligen Millionenbereich (bei fast 300 Mio. insgesamt).
High Tech:
Die Sanktionen im Technologiesektor betreffen auch Unternehmen in Österreich. Bei dem Chipbauer Infineon Austria hieß es, man beobachte die Situation laufend im "Hinblick auf mögliche regulatorische Änderungen". Details zu finanziellen Auswirkungen könne man nicht nennen. "Der Umsatz des Infineon-Konzerns mit Kunden in Russland übersteigt jedoch einen mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Betrag nicht", schreibt eine Sprecherin.
Das Russlandgeschäft des oberösterreichischen Flugzeugbauers FACC sei mit etwas über 1 Mio. Euro "sehr gering", hieß es am Freitag auf APA-Anfrage. Man beliefere ausschließlich die zivile Luftfahrt. Ob und wie sich die Sanktionen auswirken, könne man allerdings nicht sagen. Die Lieferkette des Flugzeugbauers sei jedenfalls nicht betroffen.
Bauwirtschaft:
Der heimische Ziegelriese Wienerberger ist in Russland aktiv, ortet aber keine schwerwiegenden Auswirkungen auf den Geschäftsgang. "Das 'Exposure' der Wienerberger nach Russland ist unter 1 Prozent des Umsatzes, in der Ukraine sind wir nicht tätig - wir sehen auch kurzfristig keine Auswirkungen auf unser Geschäft", so CEO Heimo Scheuch mit Blick auf den militärischen Konflikt. 1 Prozent vom Jahresumsatz bedeutet bei dem Baustoffkonzern rund 40 Mio. Euro.
Das Management des größten österreichischen Baukonzerns Strabag will die potenziellen Auswirkungen von Sanktionen dann erst kommentieren, "sobald diese umfänglich feststehen und bewertet wurden", hieß es aus dem Unternehmen. Das Russland-Geschäft mache den Angaben zufolge "weniger als 1 Prozent der Konzernleistung", also weniger als rund 160 Mio. Euro. Einer der drei Kernaktionäre ist mit einem Anteil von 27,8 Prozent die MKAO "Rasperia Trading Limited", die dem Oligarchen Oleg Deripaska zuzuordnen ist.
Diplomaten: EU verhängt neue Sanktionen gegen Belarus
Die Europäische Union verhängt Diplomaten zufolge weitere Sanktionen gegen Belarus. Ziel sei es, die Ausfuhr weiterer belarussischer Waren in die EU zu stoppen - zusätzlich zu denen, für die bereits Sanktionen gelten. Die Sanktionen würden auch Oligarchen und die Zentralbank treffen sowie belarussische Banken vom internationalen Zahlsystem Swift abschneiden, heißt es am Mittwoch.