Papierindustrie : Sebastian Heinzel: "Wir müssen Teil der Lösung sein"

Sebastian Heinzel, CSO der Heinzel Holding, CEO von Heinzel Sales in der Papierindustrie und Zellstoffindustrie

Sebastian Heinzel, CEO Heinzel Group

- © Matthias Bernold

Es ist kein gerader Weg, der Sebastian Heinzel an die Spitze des familieneigenen Papier- und Zellstoffkonzerns Heinzl Group führt. Mitte der 2000er – knapp nachdem sein Vater Alfred die bis in die 80er Jahren im Familienbesitz befindlichen Werke Pöls und Laakirchen wieder zurückkauft – geht Sebastian Heinzel, damals Journalist für das Nachrichtenmagazin Profil, nach New York.

Als Vater Alfred den Wiederaufbau des mittlerweile zu einem zwei Milliarden Euro Umsatz-Konzern gewachsene Unternehmens legt, steigt Sohn Sebastian ins damals in New York boomende Startup Business ein: Mit der Online-Plattform Tripwolf gelingt Sebastian Heinzel eine erfolgreiche Gründung. Auch als Heinzel mit Tripwolf Anfang der 2010er Jahre nach Wien zurückkehrt, kommt ein Wechsel in den Familienkonzern nicht in Frage.

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Es ist die späte Renaissance der industriellen Familiengeschichte, die Sohn Heinzel ersparte, sich als Heranwachsender mit der Idee einer späteren Übernahme des Unternehmens auseinanderzusetzen. Und die Freiheit das eigene Glück zu suchen wohl auch der Grund dafür, warum der Einstieg erst so spät erfolgte: 2013 verkauft Heinzel das Startup Tripwolf – das es zwar nie in die Liga von AirBnB schaffte – aber Sebastian Heinzel trotzdem beachtliches Vermögen bescherte.

2014 dockt Heinzel letztlich doch im Familienunternehmen an – am Anfang bei Heinzel Sales, dem umsatzstarken Handelshaus des Familienunternehmens. 2017 wird er CEO von Heinzel Sales – und nimmt als Chief Strategy Officer erstmals im Vorstand des Gesamtkonzerns.

Seit Mitte April ist Sebastian Heinzel CEO der Heinzel Holding mit vier Produktionsstandorten in Europa – neben Pöls und Laakirchen gehört ein Zellstoffwerk in Estland und ein Papierwerk in Raubling/Deutschland zum Konzern. Sein Vorgänger als CEO, Kurt Maier hinterlässt ihm das zweitbeste Unternehmensergebnis in der Geschichte. Mit einem Plus von über 50 Prozent beim Ergebnis erwirtschaftete der Konzern im Vorjahr bei 2 Milliarden Euro Umsatz ein Ebit von 195,8 Millionen Euro.

Interview

Chefredakteur Rudolf Loidl konnte im Rahmen der Sendung INDUSTRIEMAGAZIN NEWS mit dem frisch gebackenen CEO der Heinzel Group darüber sprechen, warum er seinen Schwerpunkt künftig auf das Thema Nachhaltigkeit und Bioökonomie legen, wie er das Unternehmen durch die Energie-und Rohstoffkrise führen wird und was er sich hinsichtlich des Ukraine-Kriegs wünscht.

INDUSTRIEMAGAZIN NEWS: Sie sind seit April neuer CEO der Heinzel-Gruppe. Der bisherige CEO, Kurt Maier, tritt zu Seite, bleibt COO – leitet also weiterhin das operative Geschäft. Was bedeutet das jetzt fürs Unternehmen?

Sebastian Heinzel:
Das bedeutet vor allem, dass wir jetzt eine größere Schlagkraft haben, da wir jetzt zu dritt in der Unternehmensführung sind. Ich bin sehr dankbar, dass Kurt Maier das Unternehmen weiter begleitet. Wir haben viel vor, vor allem im Bereich der Nachhaltigkeit, wo auch ich persönlich einen großen Fokus setze. Unter dem Schlagwort „Nachhaltiges Wachstum“ wollen wir aber auch generell als Gruppe wachsen.

IM-News:
Sie übernehmen die Verantwortung in einer ziemlich herausfordernden Phase: Die Heinzel Gruppe steht – wie die ganze Branche – vor einer dramatische Erhöhung bei den Gestehungskosten (Energie, Rohstoffe). Wie sehen Sie die Entwicklung der nächsten Monate bei Preisen?

Heinzel:
Die Explosion hat eigentlich schon im Jahr 2021 begonnen, wo der Reihe nach ein Rohmaterial nach dem anderen preislich nach oben gegangen ist. Altpapier, Chemikalien, Logistik und dann kam die Energie, die uns bereits seit dem Q4 beschäftigt und noch viel mehr seit dem Ukraine-Krieg. Und jetzt steigen auch noch die Holzpreise. Es folgt ein Kostenpunkt dem anderen und man hinkt da etwas hinterher, um die Preise an die Kunden und den Markt weiterzugeben und auch sinnvoll wirtschaften zu können. Wir befinden uns derzeit alle in einer ungewohnten Phase.

IM-News:
Wie geht es Ihnen mit der Weitergabe dieser Preiserhöhungen?

Heinzel:
Es ist uns bis jetzt halbwegs gelungen, zwar nicht immer zeitgerecht, da ja immer erst die Kosten steigen und man dann erst schafft den Preis weiterzugeben, aber ich denke, wir haben jetzt ein Plateau erreicht. Die Papier- und Zellstoffpreise sind so hoch wie nie zuvor und eigentlich gibt es hier keinen Bewegungsspielraum mehr nach oben.

IM-News:
Wie entwickeln sich die Absatzmengen – und wie weit können Sie die Preiserhöhungen an ihre Kunden weitergeben?

Heinzel:
Nachdem wir 2021 aus der Coronakrise herausgekommen sind, gab es eine sehr starke Nachfrage. Ich fürchte aber, dass die derzeitigen hohen Preise die Nachfrage wieder abwürgen könnten. Wir sind jetzt an einem sensiblen Punkt angelangt und der Blick in die Glaskugel ist sehr schwierig. Keiner weiß genau, wie es weitergehen wird.

IM-News:
In Europa stehen immer wieder Einfuhrstopps von russischem Öl- und Gas im Raum. Was würde ein Öl-Embargo für die Papier/Zellstoffproduktion bedeuten? Was ein Gas-Embargo?

Heinzel:
Wir brauchen sehr viel Gas, da das Papier ja zuerst feucht gemacht wird und dann wieder getrocknet werden muss und das funktioniert am Besten mit Gas. Ein völliger Gas-Stopp wäre für uns dramatisch, denn wir müssten die Produktion abstellen. Das wäre auch teilweise für die Kommunen, in denen wir tätig sind, dramatisch, da wir hier Fernwärme an mehr als 10.000 Haushalte liefern. Wir haben auch Kläranlagen, die durch den Stopp kaputt gehen würden. Eine reine Drosselung des Gases würde zwar nichts kaputt machen, allerdings müssten wir die Produktion senken und das würde einen wirtschaftlichen Schlag bedeuten. Diese Szenarien beschäftigen uns derzeit sehr stark und als wirtschaftlich denkender Mensch hoffe ich, dass es nicht dazu kommt. Als politisch denkender Mensch hoffe ich, dass dieser Krieg so schnell wie möglich endet und das idealerweise mit einem Sieg der Ukraine.

IM-News:
Inwiefern sind Sie ein kritisches Unternehmen, wenn es um die Notversorgung mit Gas geht?

Heinzel:
Wir waren während der Pandemie ein systemrelevantes Unternehmen (Verpackungsmaterial, Toilettenpapier, etc.) und ich denke, dass wir auch in diesem Gas-Szenario (Fernwärme, Kläranlagen,..) systemrelevant wären. Wir wissen es aber natürlich nicht genau und verfolgen diese politischen Debatten sehr genau.

IM-News:
Heinzel Gruppe ist bedeutsamer Energieproduzent: Zwei Wasserkraftwerke, ein Windpark, ihre Werke sind allesamt solar-bedacht. Wo liegen die Handlungsfelder, in denen Sie bis 2030 (also in 8 Jahren) 25% CO2 einsparen wollen?

Heinzel:
Wir wollen sogar 35% einsparen. Wir sind als Papierindustrie Teil der wirklich energieintensiven Industrie. Die Solarkraftwerke und Windparks sind eigentlich nur ein Teil der Lösung, wir werden mehr machen müssen, um von fossilen Energieträgern frei zu werden. Nicht nur um das Klima zu schützen, sondern auch von russischem Gas unabhängiger zu werden. Das bedeutet für uns, dass wir Biomassekessel planen müssen und künftig Holzreste verbrennen, anstelle von Erdgas, um die benötigte Wärme zu erzielen. Wir wissen, dass uns das einiges an Kapital in den nächsten Jahrzehnten kosten wird, um diese Unabhängigkeit zu schaffen. Aber wir sind bereit dieses Geld in die Hand zu nehmen, denn ich glaube nur das kann die Zukunft sein.

IM-News:
Sie haben dem Unternehmen als Chief Strategy Officer bereits in den letzten Jahren deutlich Stempel aufgedrückt – etwa bei der Verankerung von strategischen Nachhaltigkeitszielen. Wo sehen Sie ihr Unternehmen in 10 Jahren?

Heinzel:
In 10 Jahren möchten wir ganz klar Teil der Bioökonomie der Zukunft sein und nicht mehr Teil des Problems. Denn das war die Papierindustrie in der Vergangenheit ja leider sehr oft. Wir wollen Teil der Lösung sein und mit nachwachsenden und wiederverwertbaren Ressourcen arbeiten. Wir haben hier gute Startbedingungen und wollen eine Führungsrolle im Bereich Nachhaltigkeit und Bioökonomie der 21. Jahrhunderts einnehmen.

Das gesamte Interview mit Sebastian Heinzel sehen Sie hier.