Energieversorgung : "Die unbequeme Wahrheit" – keine Alternative zu russischem Gas

Georg Knill, Industriellenvereinigung

Knill: "Den Gashahn von heute auf morgen so stark zu drosseln, hätte katastrophale Auswirkungen."

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Angesichts der Ankündigung von Russlands Präsidenten Wladimir Putin, Gaslieferungen nun in Rubel abzurechnen, und des heutigen Rates der EU-Staats- und Regierungschefs warnt die Industriellenvereinigung (IV) vor einer Gefährdung der Energiesicherheit. Kurzfristig gebe es keine Alternative zum Gas aus Russland, das bleibe "die unbequeme Wahrheit", so die IV. Österreich dürfe seine eigenen Energieversorgung "nicht leichtfertig aufs Spiel setzen", betonte IV-Chef Georg Knill.

Jene, die ein "abruptes und ungeplantes Aus" für die Öl- und Gasversorgung aus Russland fordern, müssten vorher erklären, woher und wie Länder wie Österreich die erforderlichen Energieträger kurzfristig beziehen sollen. "Den Gashahn von heute auf morgen so stark zu drosseln, hätte katastrophale Auswirkungen auf unser alltägliches Leben, unsere Energieversorgung und unsere Wirtschaft insgesamt. Damit vernichten wir unsere Industrie und Arbeitsplätze", warnte Knill heute in einer Aussendung.

Die bisher von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf EU-Ebene vertretene Position sei "im Sinne der Menschen und Unternehmen in Österreich und werde von der Industrie unterstützt.

Russlands Präsident Putin kündigte am gestrigen Mittwoch an, die Zahlungsmethode für Gaslieferungen in "unfreundliche Staaten" umstellen zu wollen. Russland werde seinen vertraglichen Verpflichtungen bei der Menge und den Preisen nachkommen. Die Änderungen beträfen nur die Währung. Die genauen Details würden Regierung und Notenbank in Moskau innerhalb einer Woche klären.

Die österreichische OMV will ihre Gaslieferungen aus Russland laut Generaldirektor Alfred Stern "natürlich" weiterhin in Euro und nicht in Rubel bezahlen. Mehr dazu lesen Sie hier!

Der Krieg Russlands in der Ukraine wird auch den Gipfel der 27 EU-Staats- und Regierungschefs, zu dem auch US-Präsident Joe Biden als Gast geladen ist, am Donnerstag und Freitag in Brüssel dominieren. Diskutiert wird ein fünftes Sanktionspaket der EU, das unter anderem ein Energie-Embargo beinhalten könnte. Allerdings scheint sich bei einigen westlichen EU-Staaten eine gewisse Sanktionsmüdigkeit einzustellen. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) wird an dem Treffen teilnehmen.

Für eine Rede wird der ukrainische Präsident Wolodymir Selenkskyj per Video zugeschaltet. Die Ukraine hatte im Vorfeld ihre Forderung nach einem kompletten Öl- und Gasembargo gegen den Aggressorstaat Russland bekräftigt. Dazu konnten sich die EU-Staats- und Regierungschefs bisher nicht durchringen. Österreich und Deutschland sind im großen Ausmaß abhängig von russischem Gas. Die EU-Staats-und Regierungschef werden zudem die steigenden Energiepreise ins Visier nehmen. Auch soll der EU-Gipfel den sogenannten Strategischen Kompass, eine Art sicherheits- und verteidigungspolitische Doktrin für die EU, absegnen.

Im Vorhinein meinte Nehammer gegenüber der "Kleinen Zeitung", dass er einen Boykott russischer Öl- und Gaslieferungen für "realitätsfremd und falsch" halte. "Das geht nicht", da Österreich sein Gas zu 80 Prozent aus Russland beziehe. "Allein schon die Diskussion schadet wieder dem Thema und treibt die Energiepreise in die Höhe." Ziel sei es, die Versorgungssicherheit nicht zu gefährden, so der Kanzler. "Ein sofortiger Verzicht auf russisches Gas ist nicht möglich. Bei Rohöl sehe ich es nicht anders, weil die Botschaft eine falsche ist." Die eine Maßnahme dürfe nicht die andere gefährden. "Wenn ich sage, wir fördern Solar, Wind, Wasser, hat das eine große Dimension, wenn ich in zehn bis 15 Jahren eine sichtbare Unabhängigkeit von russischem Gas anstreben möchte", so Nehammer.

Österreich legt sich nun außerdem eine strategische Gas-Reserve an. Der entsprechende Beschluss soll Donnerstagabend im Nationalrat mit Zwei-Drittel-Mehrheit erfolgen. Über Details wurde bis zuletzt verhandelt, jedoch ist schon klar, dass sich die Höhe der Reserve an der im Jänner an Netzbenutzer abgegebenen Gasmenge bemisst.

Bereits gültige Sanktionen nochmal im Überblick

Energie: Die USA verhängen ein Importverbot für Öl aus Russland. Deutschland legt die geplante Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 auf Eis. Die EU verbietet Verkauf, Lieferung, Weitergabe oder Ausfuhr bestimmter Güter und Technologien für die Ölveredelung.

Lesen Sie hier mehr zu den Auswirkungen auf die Energiepreise in Österreichs Industrie!

Verkehr: Die EU sperrt den Luftraum für alle russischen Maschinen und erlässt ein Ausfuhrverbot für Güter, Technologien und Dienstleistungen für die Luft- und Raumfahrtindustrie.

Lesen Sie hier mehr zu den Auswirkungen auf die Logistik!

Technologie: Mikroprozessoren zum Beispiel dürfen nicht mehr aus der EU nach Russland exportiert werden. Das gilt auch für Produkte wie Drohnen, die militärisch eingesetzt werden könnten. Auch die USA verbieten den Export von Hightech-Produkten.

Finanzen: Die EU schließt drei russische Banken vom Zahlungsverkehr aus und friert die Vermögenswerte ein. Sieben russische Banken bleiben beim Banken-Kommunikationsnetzwerk SWIFT außen vor. Ein Verbot gilt für Transaktionen mit bestimmten staatseigenen Unternehmen Russlands.

Konsum: Das vierte große Sanktionspaket der EU beinhaltet eine Ausfuhrsperre für Luxusgüter nach Russland. Dabei geht es etwa um Kunstwerke, Uhren und Autos im Wert von mehr als 50.000 Euro. Große Firmen ziehen sich zurück, darunter McDonald"s, Starbucks und Coca-Cola.

Lesen Sie hier, welche Auswirkungen das auf österreichische Unternehmen hat!

(apa/red)