Energieversorgung : Chemieindustrie ohne Gas? – Warum andere Branchen darunter leiden würden

Hubert Culik Obmann FCIO Lackindustrie

Hubert Culik, Obmann des FCIO

- © Sarah Maria Kölbl

Die chemische Industrie in Österreich steht wegen der geopolitischen und wirtschaftlichen Entwicklung der vergangenen Monate stark unter Druck. Davor warnt nun der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO).

Bereits im vergangenen Jahr haben explodierende Energiepreise, Lieferkettenprobleme bei wichtigen Grundstoffen und Vorprodukten sowie Engpässe und hohe Preise in der Logistik zu deutlichen Einbußen bei den Margen geführt. Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine hat die Situation dramatisch verschärft und macht eine seriöse Planung für die kommenden Monate nahezu unmöglich. Eine aktuelle Umfrage des FCIO unter seinen Mitgliedern zeigt, dass ein großer Teil der Unternehmen mit einem Rückgang bei Aufträgen und Umsätzen ab dem zweiten Halbjahr rechnet.

Besonders schwierig ist die Situation für die energieintensiven Unternehmen. Einer der Hauptgründe dafür ist, dass die gestiegenen Herstellungs- und Beschaffungskosten nicht oder nur zum Teil an die Kunden weitergegeben werden kann. Sollte sich die Lage weiter zuspitzen, könnte das zu Versorgungsproblemen bei lebenswichtigen Waren wie Medikamenten oder Düngemitteln führen.

„In einigen Unternehmen der chemischen Industrie stellt sich bereits die Frage, ob überhaupt noch kostendeckend produziert werden kann. Wir brauchen deshalb jetzt eine Entlastung bei den Energiekosten und eine Aufschiebung zusätzlicher Belastungen., appelliert Hubert Culik, Obmann des FCIO und verweist auf die bereits mehrfach vorgebrachten Forderungen der Industrie wie die Strompreiskompensation oder die Einführung des Dekarbonisierungsfonds und eine Verschiebung der CO2-Bepreisung.

Sollte es tatsächlich zu einem Stopp von Erdgaslieferungen aus Russland kommen, hätte das dramatische Auswirkungen. Insbesondere dort, wo Gas auch als Rohstoff benötigt wird, würde es zu Produktionsstillständen kommen. Da die Chemie am Anfang fast aller Produktionsprozesse steht, würden in der Konsequenz auch viele nachgelagerte Liefer- und Produktionsketten in Österreich zusammenbrechen. Von der Automobil- über die Bau- und Pharmaindustrie bis hin zur Landwirtschaft, wären die verschiedensten Branchen betroffen. Zigtausende Arbeitsplätze wären in Gefahr.

„Ein abrupter Stopp der Gasversorgung hätte katastrophale Auswirkungen auf die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern“, warnt der Obmann der chemischen Industrie. „Kurzfristig müssen wir die Gasspeicher in Österreich und Europa so schnell wie möglich füllen. Die notwendigen Schritte für die Diversifizierung und Sicherstellung der Transportlogistik müssen so rasch wie möglich gesetzt werden “, so Culik abschließend.

Mittel- und langfristig geht es um die Entwicklung von neuen Technologien zur Reduktion von Energieimportabhängigkeiten. Gerade die Chemieindustrie mit ihren Produkten und Verfahren ist dafür eine Schlüsselbranche: Von Materialien für erneuerbare Energien und dem Einsatz erneuerbaren Wasserstoffs bis hin zu Kreislaufwirtschaft und Carbon Capture and Utilization (CCU) arbeitet die Branche an verschiedenen Lösungen.