Energieversorgung : Mit diesen Maßnahmen will Chemieindustrie ihre Gasversorgung sichern

Hubert Culik Obmann FCIO Lackindustrie

"Das Zeitfenster steht nicht ewig offen", so Hubert Culik, Obmann des Fachverbands der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO).

- © Sarah Maria Kölbl

Ein Industriezweig, der besonders von Erdgas abhängig ist, ist die chemische Industrie. Genau genommen ist die Chemieindustrie der zweit-intensivste Sektor in Österreichs Industrie. Zusammen mit der Papierindustrie verbraucht sie mehr als ein Zehntel des gesamten österreichischen Gasverbrauchs von rund 90 Terawattstunden jährlich.

Die Branche hat aufgrund der aktuellen Situation einen Maßnahmenmix erarbeitet, mit dem die Versorgung der Industrie sowohl kurz- als auch längerfristig gewährleistet werden soll. „Der Fokus muss zuallererst auf einer raschen Auffüllung der Gasspeicher und einer Diversifizierung der Erdgas-Lieferanten gelegt werden. Das Zeitfenster dafür steht nicht ewig offen", mahnt Hubert Culik, Obmann des Fachverbands der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO).

Erdgas ist in der Chemie nicht nur ein wichtiger Energieträger, sondern auch Rohstoff. Es wird für eine Vielzahl von Materialien und Stoffen benötigt, die man für die Herstellung von lebenswichtigen Produkten wie Medikamente oder Düngemittel braucht. Gerade hier ist das Gas noch mehr oder weniger alternativlos. Ein Lieferstopp russischen Erdgases wegen der Krise in der Ukraine hätte daher drastische Konsequenzen für österreichische Chemieunternehmen.

Da die Maßnahmen Vorlaufzeiten benötigen, müsse unverzüglich damit begonnen werden, die nötigen Mengen sowie Transport- und Speicherkapazitäten zu organisieren, heißt es es aus der Branche. Gleichzeitig würden die Unternehmen einen Schutz vor den explodierenden Kosten brauchen.

So kam es bereits wiederholt zu Produktionsstopps bei der Herstellung von Ammoniak, das bedeutend für die Düngemittelerzeugung ist. „Geplante Maßnahmen wie die Strompreiskompensation oder die Einführung des Dekarbonisierungsfonds müssen schnell umgesetzt werden. Bei der CO2-Bepreisung sollte die Diskussion nicht ideologisch, sondern sachlich und pragmatisch geführt werden. Sie ist bei den aktuellen Kostenexplosionen nicht mehr zielführend und sollte auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden“, fordert der Obmann der Chemieindustrie.

Mittel- und langfristig steht die Entwicklung neuer Technologien für die Transformation der chemischen Industrie im Zentrum. Für die Branche sind die folgenden Handlungsfelder hier zentral:

Ausbau und Bereitstellung ausreichender Kapazitäten erneuerbarer Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen

Förderung der flächendeckenden Einführung einer Kunststoffkreislaufwirtschaft zur Reduktion von fossilen Rohstoffen

Förderung von Schlüsseltechnologien wie Carbon Capture and Utilization (CCU) sowie die Eigenproduktion von erneuerbarem Wasserstoff

Förderung des Ausbaus der Produktionskapazitäten von biobasierten Rohstoffen und Biogas

Allein durch die umfassende Wiederverwertung von Kunststoffen könnte in Österreich die für die Dekarbonisierung der Chemieindustrie zusätzlich benötigte Energie halbiert werden, heißt es aus der Branche. Zusätzlich würde auch ein Großteil der fossilen Ressourcen für die Neuproduktion wegfallen. Biobasierte Ressourcen und der Einsatz erneuerbaren Wasserstoffs könnten massive Einsparungen bei fossilem Energie- und Rohstoffeinsatz bringen. „Mit dem richtigen Maßnahmenmix können wir heute die entscheidenden Weichen für eine nachhaltige und von Russland unabhängige Energieversorgung stellen. Neben Förderungen für Forschung und Entwicklung braucht es rasch den Abbau von regulatorischen Hemmnissen und die Beschleunigung bei Zulassungsverfahren", so Culik.