Autozuliefer-Industrie : Autozulieferer in der Krise: Das große Schrumpfen beginnt
Inhalt
- Riese im Rückwärtsgang: Bosch greift zum Rotstift
- Continental vollzieht radikalen Umbau – 10.000 Jobs betroffen
- ZF Friedrichshafen - Getriebe-Spezialist verliert den Anschluss
- Schaeffler: Robuster als die Konkurrenz – doch 4.700 Jobs wackeln
- Vom Kolben zur Kühlung: Mahle im Umbruch
- AVL kämpft mit Kosten – Graz baut 350 Jobs ab
- Polytec macht Werk in Deutschland dicht
- Pollmann schließt Werk in Vitis – Produktion wandert nach Karlstein
- Hella fährt Montage in Österreich zurück
- Deutscher Umbau: voestalpine schließt Birkenfeld
- Magna Steyr: Produktion in Graz bricht ein – Ergebnis legt dennoch zu
- Infobox: Zulieferer im Überblick
- Zwischen Hoffnung und Gefahr – die Zukunft der Zulieferer

Von Bosch und Continental über ZF und Schaeffler bis zu Magna Steyr, AVL, Pollmann oder Hella: Kaum ein Zulieferer kommt ungeschoren durch die Krise – vielerorts stehen Entlassungen oder sogar Werksschließungen an.
- © dieindustrie.at/Mathias KniepeissDie Krise der Autozulieferer nimmt Fahrt auf: Die Takte werden langsamer, die Luft dünner. In Deutschland und Österreich schrumpfen Bestellungen, die Verkäufe der Hersteller brechen ein – und ein Technologiesprung frisst traditionelle Wertschöpfung. E-Autos brauchen weniger Teile, weniger externes Know-how. Batterietechnologien gelten als strategische Hausmacht – dominiert vor allem von der Konkurrenz aus China.
Autobauer holen Schlüsselkompetenzen zurück ins Werk – um die Auslastung zu steigern und die wegbrechenden Gewinne zu stabilisieren. Gleichzeitig tobt im Zukunftsfeld Elektromobilität ein harter Preiskampf, angeführt von CATL und Huawei.
Die Konsequenz: Viele Werke der Zulieferer sind nicht ausgelastet, hohe Investitionen sind jedoch nötig, um die E-Mobilitätswende zu meistern, Stellenabbau soll die Kostenstruktur glätten.
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Riese im Rückwärtsgang: Bosch greift zum Rotstift
Der weltgrößte Autozulieferer steckt tief in der Transformation. Rund 15.000 Jobs sollen wegfallen, viele davon in Deutschland. Betroffen sind Steuergeräte, Antriebe, Lenkungen, Fahrzeugsoftware – sogar Teile fürs E-Auto. Ursache sind die gedrosselte Fahrzeugproduktion, verschobene Projekte und wachsender Preisdruck aus China. 2024 schrumpfte der Umsatz der Mobility-Sparte um knapp ein Prozent auf 55,8 Milliarden Euro.
Die Krise greift bei Bosch über das Autogeschäft hinaus: Auch Heizungen, Haushaltsgeräte und Elektrowerkzeuge liefern nicht die erhofften Zahlen. Seit Ende 2023 läuft daher ein striktes Sparprogramm.Doch laut CEO Stefan Hartung sind die Einschnitte erst der Anfang.
Continental vollzieht radikalen Umbau – 10.000 Jobs betroffen
Am 18. September spaltet Continental seine schwächelnde Zuliefersparte ab und bringt sie als Aumovio an die Börse. Vorstandschef Nikolai Setzer nennt es die tiefgreifendste Neuaufstellung der Firmengeschichte. Der Schritt gleicht einer Kehrtwende: Conti, einst mit Reifen groß geworden, widmet sich wieder seinem Kerngeschäft – auch die Kunststoffsparte steht vor dem Verkauf. Die Zuliefersparte belastete die Bilanz seit Jahren, trotz jüngster Gewinne durch Kostensenkungen.
Die Folge: mehr als 10.000 Stellen fallen weg. Bislang beschäftigt der Bereich rund 92.000 Mitarbeiter – fast die Hälfte der Continental-Beschäftigten. Der Umsatz lag im vergangenen Jahr bei rund 19,4 Milliarden Euro.
ZF Friedrichshafen - Getriebe-Spezialist verliert den Anschluss
Auch bei ZF Friedrichshafen reißen die schlechten Nachrichten nicht ab. 2025 drohen rote Zahlen, und für die 50.000 Beschäftigten wächst die Angst um ihre Arbeitsplätze – besonders in der kriselnden Antriebssparte „Division E“. Dort ist jeder fünfte ZF-Mitarbeiter beschäftigt, doch der Bereich steht vor massiven Einschnitten.
Das Geschäft mit Getrieben und Antrieben – ob elektrisch, hybrid oder klassisch – steckt in der Klemme. 2024 steuerte die Sparte noch knapp ein Viertel zum Konzernumsatz bei – rund 11,5 Milliarden Euro – doch ihre Wettbewerbsfähigkeit gilt als angeschlagen. In den kommenden Wochen verhandelt das Management mit Arbeitnehmervertretern über die Neuausrichtung. Klar ist: Ohne harte Einschnitte wird ZF die Wende nicht schaffen – tausende Jobs stehen auf der Kippe.
Schaeffler: Robuster als die Konkurrenz – doch 4.700 Jobs wackeln
Der fränkische Auto- und Industriezulieferer Schaeffler kommt bislang etwas robuster durch die Branchenkrise – dank seiner breiten Aufstellung vom Wälzlager bis zum Elektroantrieb. Vor allem das Geschäft mit E-Antrieben wächst. Doch der Rückgang bei klassischen Antriebssträngen und Fahrwerken belastet die Bilanz.
Trotz der vergleichsweise soliden Zahlen greift Schaeffler zum Rotstift: 4.700 Stellen sollen in Europa wegfallen, davon 2.800 in Deutschland. Auch Im Schaeffler-Werk in Berndorf tickt die Uhr: Während der Rückbau bereits läuft, wird vor Ort noch gearbeitet. Ende des Jahres fällt der Vorhang – 450 Jobs sind weg.
Vom Kolben zur Kühlung: Mahle im Umbruch
Der traditionsreiche Zulieferer Mahle, lange als „Kolben-Mahle“ bekannt, steckt mitten im Umbau. Das Geschäft mit dem Verbrenner bricht weg, neue Hoffnungsträger sind Technologien fürs Thermomanagement – also Heizen und Kühlen in Fahrzeugen – ein Schlüsselthema bei Elektroautos.
Doch der Wandel verläuft schleppend. Der Umsatz im Geschäftsjahr 2024 sank von 12,8 Milliarden Euro auf 11,7 Milliarden Euro. In den vergangenen zwölf Monaten wurden in Deutschland bereits 600 Stellen gestrichen, wie Vorstandschef Arnd Franz Ende Juli bestätigte. Der Konzern beschäftigt allein in Deutschland noch rund 10.000 Menschen.
AVL kämpft mit Kosten – Graz baut 350 Jobs ab
Die Lage beim Grazer Entwicklungstechnologiekonzern AVL List bleibt derzeit stabil – trotz schwächerer Nachfrage aus der Automobilbranche. Im vergangenen Geschäftsjahr erzielte das Unternehmen 2,03 Milliarden Euro Umsatz, nach 2,05 Milliarden im Vorjahr.
Die hohen Energie- und Personalkosten setzen dem Unternehmen allerdings zu: Am Stammsitz Graz sollen rund 350 Stellen gestrichen werden – etwa acht Prozent der lokalen Belegschaft. Bereits 2024 wurden rund 200 Arbeitsplätze über Kündigungen und natürliche Fluktuation abgebaut. Insgesamt beschäftigt AVL weltweit rund 12.200 Personen.
AVL entwickelt für nahezu alle großen Autobauer Antriebs- und Batteriesysteme, Prüfstände, Simulationssoftware und Testlösungen – vom klassischen Verbrenner über Hybrid bis zum Elektrofahrzeug.
Polytec macht Werk in Deutschland dicht
Nach einem Millionenverlust im Vorjahr schreibt der oberösterreichische Autozulieferer Polytec wieder schwarze Zahlen: Im ersten Halbjahr 2025 stand ein Nettogewinn von 1,4 Millionen Euro, der Umsatz legte leicht auf 357,6 Millionen Euro zu. Trotz höherer Profitabilität und gesunkener Schulden hält der Konzern am Sparkurs fest – und schließt ein Werk in Deutschland.
Bis Ende April 2026 soll das Werk im rheinland-pfälzischen Georg-Weierbach (Idar-Oberstein) dichtmachen. Dadurch fallen etwa 250 Jobs weg, knapp sieben Prozent der Gesamtbelegschaft von rund 3.600 Mitarbeitern. Die Schließung folgt auf starke Rückgänge bei Kundenabrufen und ein zunehmend unberechenbares Marktumfeld im Bereich „Painted Exterior“. Dort fertigt Polytec lackierte Kunststoff-Exterieurteile – vor allem für die Automobilindustrie.
Pollmann schließt Werk in Vitis – Produktion wandert nach Karlstein
Der Waldviertler Zulieferer Pollmann strafft seine Strukturen: Bis Ende 2025 wird das Werk in Vitis geschlossen, die Serienfertigung von Türschlossgehäusen zieht zum Hauptsitz nach Karlstein. Von den 71 Beschäftigten können fast alle übernommen werden.
Vitis war 2021 noch als „beste Fabrik Österreichs“ ausgezeichnet worden – jetzt kam eine interne Analyse zum Ergebnis, dass Karlstein und der tschechische Standort Jindřichův Hradec genug Kapazitäten haben, um das gesamte Produktionsvolumen zu übernehmen. Pollmann erwirtschaftete 2024 rund 160 Millionen Euro Umsatz und beschäftigt insgesamt etwa 550 Mitarbeiter.
>>> Pollmann verlagert bis Ende 2025 die Produktion vom Werk Vitis an den Hauptsitz Karlstein.
Hella fährt Montage in Österreich zurück
Der deutsche Autozulieferer Forvia Hella, Teil des französischen Technologiekonzerns Forvia, steht unter Druck. Im ersten Quartal 2025 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von 2,0 Milliarden Euro – ein Rückgang von 0,8 %gegenüber dem Vorjahr.
Erste Konsequenzen sind nun auch in Österreich sichtbar: Bis Mitte 2027 wird die Montage am Standort Großpetersdorf im Südburgenland schrittweise eingestellt. Rund 225 von etwa 400 Beschäftigten – also mehr als die Hälfte der Belegschaft – verlieren ihren Arbeitsplatz.
Hintergrund sind der Wegfall mehrerer Großaufträge und rückläufige Produktionsmengen im Segment Land- und Baumaschinen. Die Montagetätigkeit wird in das internationale Produktionsnetzwerk von Forvia verlagert; Spritzguss und Veredelung, etwa für Beleuchtungs- und Elektronikkomponenten, sollen in Großpetersdorf erhalten bleiben.
Deutscher Umbau: voestalpine schließt Birkenfeld
Der Linzer Stahlkonzern voestalpine reagiert auf den schwächelnden Automobilsektor in Deutschland mit umfassenden Umstrukturierungen im Kfz-Zulieferbereich.
Das Werk in Birkenfeld ist von einer geplanten Schließung betroffen – rund 220 Mitarbeiter stehen dort vor dem Aus. An den vier verbleibenden Standorten Dettingen, Schmölln, Schwäbisch Gmünd und Böhmenkirch setzt voestalpine die Produktion fort. In Dettingen sollen allerdings rund ein Drittel der 650 Jobs gestrichen werden.
Trotz der Krise bleibt voestalpine ein gefragter Partner der Autoindustrie: So wurde das Unternehmen von BYD als Stahllieferant für dessen neue Autofabrik in Ungarn ausgewählt.
Magna Steyr: Produktion in Graz bricht ein – Ergebnis legt dennoch zu
Im Grazer Werk von Magna Steyr ist die Fertigung spürbar zurückgegangen: In den ersten sechs Monaten 2025 liefen in Thondorf nur 33.700 Fahrzeuge vom Band – ein Minus von 18 % gegenüber dem Vorjahr. Hauptgrund ist das Produktionsende des Jaguar I-Pace und E-Pace.
Beim Umsatz hielt sich der Rückgang in Grenzen: Die Sparte Gesamtfahrzeugfertigung sank um fünf Prozent auf 2,5 Milliarden US-Dollar. Das Ergebnis entwickelte sich überraschend positiv: Das bereinigte EBIT stieg um 52 % auf 72 Millionen US-Dollar. Magna führt dies auf Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen, frühere Restrukturierungsmaßnahmen und höhere Engineering-Margen zurück. Bereits 2024 hatte Magna Steyr in Graz bis zu 500 Stellen gestrichen – eine Folge der Umstellung auf Einschichtbetrieb und des Auslaufens mehrerer Modelle.
Infobox: Zulieferer im Überblick
- Bosch: 55,8 Mrd. € Umsatz (Mobility 2024), 420.000 Beschäftigte, rund 15.000 Jobs fallen weg.
- Continental: 19,4 Mrd. € Umsatz (2024), 200.000 Mitarbeiter, mehr als 10.000 Stellen betroffen.
- ZF Friedrichshafen: 11,5 Mrd. € Umsatz (Division E 2024), 165.000 Beschäftigte, tausende Jobs gefährdet.
- Schaeffler: 11,9 Mrd. € Umsatz (H1 2025), 83.000 Mitarbeiter, 4.700 Jobs fallen weg (davon 450 in Österreich).
- Mahle: 11,7 Mrd. € Umsatz (2024), 72.000 Beschäftigte, 600 Stellen gestrichen.
- AVL List: 2,03 Mrd. € Umsatz (2024), 12.200 Mitarbeiter, 350 Jobs in Graz gestrichen.
- Polytec: 358 Mio. € Umsatz (H1 2025), 3.600 Beschäftigte, Werksschließung in Deutschland mit 250 Stellen.
- Pollmann: 160 Mio. € Umsatz (2024), 550 Mitarbeiter, Werk Vitis wird geschlossen.
- Hella (Forvia): 2,0 Mrd. € Umsatz (Q1 2025), 37.000 Beschäftigte, 225 Stellen in Österreich fallen weg.
- voestalpine (Automotive Components): über 17 Mrd. € Umsatz (2024/25), 49.000 Mitarbeiter, Werk Birkenfeld (220 Jobs) vor Schließung, Abbau in Dettingen.
- Magna Steyr: 2,5 Mrd. USD Umsatz (H1 2025), 10.000 Beschäftigte in Graz, 2024 rund 500 Jobs gestrichen.
Zwischen Hoffnung und Gefahr – die Zukunft der Zulieferer
Noch laufen die Bänder, wenn auch langsamer – doch in vielen Werken herrscht Ungewissheit. Für die Belegschaften von Bosch, Conti, ZF, Schaeffler oder Magna bedeutet die Transformation zur Elektromobilität ein Dilemma: Einerseits schrumpfen Aufträge und Arbeitsplätze im klassischen Antrieb, andererseits verschlingen neue Projekte Milliarden an Investitionen. Die Branche muss gleichzeitig Kosten senken, Werke straffen und in Batterien, Software und Elektronik expandieren. Dass dieser Spagat nicht allen gelingt, zeigt sich bereits – die ersten Standorte schließen, tausende Jobs sind weg. Klar ist: Die europäische Zulieferindustrie steht vor einer tiefen Zäsur. Wer den Umbau schafft, wird zu den Gewinnern der E-Mobilität zählen. Wer scheitert, läuft Gefahr, im globalen Wettbewerb von China und den USA überrollt zu werden.