Auto-Industrie : Wie chinesische E-Autos die Welt erobern - und die Europäer den Anschluss verlieren

BMW auf der Shanghai Auto Messe

BMW auf der Shanghai Auto Messe: Deutsche Autobauer haben es in China zunehmend schwerer

- © BMW

Die wichtige Automesse in Shanghai ist am Dienstag mit einer Kampfansage der deutschen Autobauer eröffnet worden. Die Elektrifizierungsstrategie für den chinesischen Markt werde "mit Hochdruck vorangetrieben", teilte Volkswagen zum Auftakt der Messe mit. Konzernchef Oliver Blume betonte, VW werde seine Entscheidungs- und Entwicklungsprozesse in China beschleunigen.

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Die Lage in China ist für Volkswagen und die deutsche Automobilindustrie insgesamt schwierig. Schon heute fährt etwa jedes vierte Auto, das in China verkauft wird, elektrisch. Bei Elektroautos spielen deutsche Marken in China bislang aber kaum eine Rolle - anders als bei Verbrennungsmotoren. Hier dominieren lokale Marken.

Die Weltpremiere des neuen ID.7 wurde von Volkswagen auf den Vorabend der Messe gelegt. Mit der neuen Elektro-Limousine verbinden die Wolfsburger große Hoffnungen auf dem chinesischen Markt. Eine vollelektrische Variante der Luxusmarke Maybach stellte Mercedes am Montagabend erstmals in Shanghai vor.

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Vor großen Herausforderungen sieht der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer die Deutschen. Allein im Monat März seien in China rund ein Prozent weniger reine Verbrennungsautos verkauft worden, während der Absatz von reinen Elektroautos und Plug-in-Hybriden um mehr als ein Viertel zugelegt habe. Laut Dudenhöffer macht den Deutschen auch der Preiskampf auf dem chinesischen Markt zu schaffen. "Tesla und die Chinesen haben im Preis- und Kostenwettbewerb die Nase vorn", sagt er.

Wer die Kunden nicht verlieren will, muss bei Elektroautos deutliche Preis- und damit Margenzugeständnisse machen.
Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer

Zwar lasse sich in China nach wie vor viel Geld mit Verbrennungsmotoren verdienen. "Aber wer die Kunden nicht verlieren will, muss bei Elektroautos deutliche Preis- und damit Margenzugeständnisse machen." Laut Dudenhöffer müssen die westlichen Autobauer ihre Produktionsprozesse für Elektroautos neu kalibrieren. Ein "Weiter so" bei der bisherigen Preis- und Produktionsstrategie werde zum Verlust von Kunden führen.

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Bis zum Ende des Jahrzehnts soll der Anteil rein elektrisch angetriebener Fahrzeuge bei Volkswagen Pkw in Europa auf mindestens 80 Prozent der ausgelieferten Fahrzeuge steigen. Bis 2026 sind zehn neue E-Modelle geplant. Dem ID.7 kommt dabei nach Konzernangaben unter anderem die Rolle zu, "die Langstrecke zu elektrisieren". Er erhält die bislang größte Batterie aller Modelle der Kernsparte. VW baut im Werk Emden ab der zweiten Jahreshälfte die Europa- und Nordamerika-Variante des ID.7. Die Version für China wird in der Volksrepublik selbst produziert.

VW präsentiert am Abend vor der Shanghai Auto Messe den neuen ID.7

- © Volkswagen AG

Chinas Auto-Industrie holt stark auf

Lange Zeit wurde China für die Qualität seiner Autos nur belächelt. Das jedoch ändert sich rasant. Die Volksrepublik feiert nach mehreren gescheiterten Versuchen, auf dem Weltmarkt Fuß zu fassen, in jüngster Zeit beachtliche Erfolge. Nach Angaben des chinesischen Automobilverbands CAAM haben sich die Autoexporte allein seit 2020 auf rund 2,5 Millionen Einheiten pro Jahr verdreifacht. Damit ist China inzwischen auf den dritten Platz in der Weltrangliste der Exporteure vorgerückt.

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Nur Deutschland und Japan an der Spitze liegen noch knapp vor China. Aus Deutschland wurden im vergangenen Jahr 2,61 Millionen Pkw exportiert, wie der Verband der Automobilindustrie (VDA) mitteilte. Japan exportierte rund 3 Millionen Pkw. Doch während die Autoexporte der alten Industrienationen nur noch langsam oder gar nicht mehr wachsen, steigt die Nachfrage nach Autos aus China rasant. Die Aufholjagd wird ein zentrales Thema auf der Automesse in Shanghai sein. Die Messe beginnt am kommenden Dienstag.

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Dem ein oder anderen chinesischen Hersteller traue ich in den nächsten fünf Jahren bis zu zwei Prozent Marktanteil in Deutschland zu
Branchenexperte Stefan Reindl

Bis zu 2 Prozent Marktanteil

Chinesische Hersteller sind bereits Marktführer in Teilen des Mittleren Ostens und Lateinamerikas. Aber auch in Europa wird bereits mehr "Made in China" gefahren. Eigentlich wollten die Chinesen schon vor mehr als einem Jahrzehnt auch hier auf dem Markt präsent sein. Die Lücke zur westlichen Konkurrenz konnten sie im Zeitalter des Verbrennungsmotors aber nicht schließen. Man blamierte sich bei Sicherheitstests und mit Fahrzeugen fragwürdiger Qualität. Mit dem Aufkommen des Elektroautos sind die Karten neu gemischt worden. Hier gelten chinesische Hersteller plötzlich als Technologieführer.

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Nach Einschätzung von Autoexperten hat China dank des früheren Starts nicht nur beim Bau von Elektroautos die Nase vorn. Auch bei der Vernetzung und beim autonomen Fahren seien einige chinesische Hersteller besser aufgestellt als etwa die deutsche Konkurrenz.

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So hat der chinesische Konzern Geely bereits vor einigen Jahren geschickt die schwedische Marke Volvo übernommen und sie voll und ganz auf eine elektrische Zukunft ausgerichtet. Aber auch chinesische E-Auto-Marken wie BYD oder Nio sind im Ausland zumindest langsam auf dem Vormarsch. Die Chinesen starten mit ihren E-Autos gerade eine Globalisierungsstrategie, die nicht zuletzt Europa und Deutschland betrifft, sagt Branchenexperte Stefan Reindl, Leiter des Geislinger Instituts für Automobilwirtschaft. "Dem ein oder anderen chinesischen Hersteller traue ich in den nächsten fünf Jahren bis zu zwei Prozent Marktanteil in Deutschland zu", sagt Reindl.

Volvo-Produktion: Das Stammwerk im schwedischen Torslanda ist die erste Pkw-Produktionsstätte des Unternehmens, die vollumfänglich den Status der Klimaneutralität erreicht.

- © Volvo Cars

Wettbewerbsvorteil: Preise

Insbesondere die deutsche Industrie sei nicht in der Lage, in der Kompaktwagenklasse mit einigermaßen wettbewerbsfähigen Preisen zu agieren. Die chinesischen Hersteller benötigten jedoch etablierte Händler als Vertriebspartner, um bestehende Händlernetze und Standorte nutzen zu können. Diese sind insbesondere für den Service der Fahrzeuge wichtig, da auch Elektroautos gewartet und repariert werden müssen. "Viele chinesische Hersteller denken, sie könnten allein mit digitalen Strukturen den Vertrieb in Deutschland und Europa gestalten", sagt Reindl. Doch in Europa sei die Kundenakzeptanz für solche Vertriebskonzepte noch gering.

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Selbst Beobachter in China bezweifeln, dass ihre Autos den Deutschen auf dem Heimatmarkt in absehbarer Zeit nennenswert Geschäft streitig machen können. "Es wird lange dauern, bis chinesische Autofirmen in reifen Märkten Marktanteile gewinnen können", sagt der chinesische Autoanalyst Zeng Zhiling. In Südostasien, Südamerika und Afrika seien die Chinesen dagegen deutlich besser aufgestellt.

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"Konkurrenz belebt das Geschäft"

"Konkurrenz belebt das Geschäft", zeigt sich ein VDA-Sprecher gelassen. Die deutsche Automobilindustrie gehe entschlossen voran: Allein in Deutschland böten deutsche Hersteller über 90 Elektromodelle an, Ende 2024 sollen es 100 sein. Bei der Produktqualität seien deutsche Hersteller führend. In Deutschland werde 2022 mehr als jedes zweite neu zugelassene Elektroauto von einem deutschen Hersteller ausgeliefert. Der Marktanteil der chinesischen Marken werde bei rund sechs Prozent liegen.

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"Das Auto der Zukunft kommt zu großen Teilen aus China", sagt dagegen der deutsche Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer. Er hält es für eine kluge Strategie, erst einmal auf dem Heimatmarkt stark zu werden und dann Schritt für Schritt ins Ausland zu expandieren. Die Chinesen tasteten sich heran. In Osteuropa seien sie schon relativ stark, auch in England hätten sie schon eine gewisse Stärke. "Nach Deutschland kommen sie erst jetzt", sagt Dudenhöffer.

"Das Auto der Zukunft kommt zu einem großen Teil aus China", sagt der deutsche Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer.

- © Volkswagen AG

Perspektiv-Wechsel

Für die deutschen Hersteller ist China der wichtigste Pkw-Markt der Welt. Doch die Situation ist angespannt. Zwar verkauften die Deutschen im vergangenen Jahr noch 4,4 Millionen Autos in China, was einem Marktanteil von 19,1 Prozent entspricht, wie der Verband der Automobilindustrie (VDA) mitteilte. In dem rasant wachsenden Geschäft mit Elektroantrieben lag der Marktanteil der Deutschen aber gerade einmal bei fünf Prozent.

Der Elektro-Marktanteil von Volkswagen hat bei nur 2,4 Prozent gelegen, berichtete das "Handelsblatt" unter Berufung auf ihm vorliegende Versicherungsdaten aus der Volksrepublik. BMW, Mercedes und Audi sind demnach mit 0,8, 0,3 und 0,1 Prozent sogar an der Ein-Prozent-Hürde gescheitert.

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Insgesamt sollen den Angaben zufolge im Jahr 2022 in China 5,7 Millionen Elektroautos zugelassen sein. Nur rund 200.000 davon konnten deutschen Marken zugeordnet werden. Ein Großteil der verkauften Elektroautos stammt vielmehr von chinesischen Herstellern wie BYD sowie dem US-Konkurrenten Tesla. Allein von seinem Kompakt-SUV Model Y soll Tesla in China mehr Autos verkauft haben als die deutschen Hersteller mit all ihren Elektromodellen zusammen.

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Während Verbrenner deutscher Hersteller zu den meistverkauften Modellen in China zählen, haben Volkswagen, BMW und Mercedes laut Bericht seit Jahren Probleme, nennenswerte Stückzahlen ihrer Elektroautos abzusetzen. Unter den Top Ten der am meisten verkauften Elektroautos in China ist kein einziges deutsches Modell zu finden. Lediglich Tesla schafft es in die ansonsten vom chinesischen Autobauer BYD aus Shenzhen dominierte Rangliste als einziger ausländischer Hersteller.

"Die deutschen Automobilhersteller bekommen in China mittlerweile massiv Gegenwind durch einheimische Marken", sagt Autoexperte Stefan Reindl, Leiter des Geislinger Instituts für Automobilwirtschaft. Vor allem in den unteren Fahrzeugklassen sind die chinesischen Fahrzeuge preislich interessant. Aber auch bei den Premium-Marken rückten die Chinesen immer näher - und das zu immer günstigeren Preisen. Reindl vermutet, "dass die deutschen Hersteller in China weiter Marktanteile verlieren werden".

"Die deutschen Automobilhersteller bekommen in China mittlerweile massiv Gegenwind durch einheimische Marken", sagt Autoexperte Stefan Reindl, Leiter des Geislinger Instituts für Automobilwirtschaft.

- © Institut für Automobilwirtschaft

Lage: Durchwachsen bis schwierig

Das Geschäft auf seinem mit Abstand wichtigsten Markt war in den vergangenen Jahren für Europas größten Automobilkonzern Volkswagen durchwachsen bis schwierig. Produktion und Händlernetz waren von den Corona-Lockdowns und dem Chaos in der Lieferkette betroffen. 2022 sank der Absatz der VW-Marken in China über alle Antriebsarten hinweg um 3,6 Prozent auf noch knapp 3,2 Millionen Fahrzeuge. Der Elektro-Absatz legte zwar um mehr als zwei Drittel auf 155.700 Fahrzeuge zu - allerdings kommt VW hier von einem vergleichsweise niedrigen Ausgangsniveau und hatte mit der ID-Reihe seiner Kernmarke Anlaufschwierigkeiten.

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Zudem trafen einige der zuletzt in China angebotenen Modelle nicht immer den Geschmack der Kunden. So vermissten die Käufer bestimmte Ausstattungsmerkmale und Programmfunktionen, die bei anderen Herstellern bereits Standard sind. Verzögerungen und Entwicklungsprobleme bei der hauseigenen Softwaresparte Cariad sollen nun aufgeholt werden. Zudem hofft der Konzern, durch eine eigene Niederlassung in China näher an den Besonderheiten der Nachfrage zu sein, und VW kooperiert beim autonomen Fahren mit dem KI-Unternehmen Horizon Robotics.

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Die deutschen Premiumhersteller hätten die Chance, ihre Produkte noch höher, also in einem noch anspruchsvolleren Premiumsegment zu positionieren, sagt Autoexperte Reindl. Viele Chinesen würden immer wohlhabender und wollten sich auch beim Auto abheben. Ein Problem sieht er bei Volkswagen-Pkw: Die Marke sei viel stärker von kleineren Fahrzeugen abhängig. Das werde eine große Herausforderung, weil chinesische Autos deutlich günstiger seien.

Volkswagen will seine Investitionen in China nun angesichts des harten Wettbewerbs verstärken. Der Konzern will rund eine Milliarde Euro in den Aufbau eines Entwicklungs-, Innovations- und Beschaffungszentrums für voll vernetzte Elektroautos in der chinesischen Stadt Hefei investieren, wie er am Dienstag am Rande der Automesse in Shanghai mitteilte. Die Fahrzeug- und Komponentenentwicklung sowie die Beschaffung sollen in der Gesellschaft mit dem Projektnamen "100%TechCo" gebündelt werden.

Wie der Autobauer mitteilte, sollen die Entwicklungszeiten für neue Produkte und Technologien in China um rund 30 Prozent verkürzt werden.

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- © Volkswagen AG

Mercedes Luxusstrategie

Besser läuft es für den Autohersteller Mercedes-Benz. Das Unternehmen verfolgt eine Luxusstrategie. Statt auf Masse zu setzen, sollen die besonders teuren Autos auch besonders viel Gewinn abwerfen. Das scheint in China zu funktionieren: Mehr als jedes zweite Auto der Luxusmarke Maybach, die zu Mercedes gehört, ging im vergangenen Jahr in das ostasiatische Land.

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Nach Ansicht des Branchenexperten Ferdinand Dudenhöffer könnten die deutschen Autohersteller ohne ihre Anteile in China nicht existieren. Dies gelte nicht nur für die Zahl der verkauften Fahrzeuge, sondern auch für deren Wert. In China würden vor allem Premiumfahrzeuge verkauft, keine Kompaktwagen. "Das Geld, was in Deutschland den Arbeitern und Angestellten und Aktionären bezahlt wird, wird in China verdient", sagt Dudenhöffer.

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Die Chinesen schätzten die deutschen Marken wegen ihrer hohen Qualität und weil sie gut aussähen, sagt Dudenhöffer. Bei den Fahreigenschaften, der Verarbeitung und auch beim Design seien deutsche Fahrzeuge führend. Doch bei Zukunftsthemen wie Elektromobilität oder Software setzten die Chinesen die Maßstäbe.