Auto-Industrie : Wie Oliver Blume Volkswagen umbaut

Oliver Blume and Hans Dieter Pötsch

Auto-Experte: "Blume ist das Gegenteil von Elon Musk und Herbert Diess."

- © Volkswagen AG

Volkswagen-Chef Oliver Blume bezeichnet sich gerne als strategisch denkenden Manager - "Hands-on", wie es im Managerdeutsch heißt. Er hat einen Plan, wie er den Wandel hin zur E-Mobilität beschleunigen und gleichzeitig dem dümpelnden Aktienkurs auf die Sprünge helfen will. Große Visionen sind nicht seine Stärke. "Ich bin ein Mensch, der nicht in der Lage ist zu sagen, wie die Welt in hundert Jahren aussieht", sagte Blume bei seiner ersten Bilanzpressekonferenz.

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Menschen, die als Visionäre bezeichnet werden, hätten andere Eigenschaften. Er hingegen wisse genau, wie man Projekte umsetzt und eine Marke zum Erfolg führt. Und er verstehe es, die Mitarbeiter einzubinden.

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Damit verkörpert Blume das Gegenteil dessen, wofür sein Vorgänger Herbert Diess stand. Der umtriebige Manager hatte den Wolfsburger Autokonzern binnen weniger Jahre auf Elektromobilität und Digitalisierung getrimmt. Bei Anlegern kam die Vision, dass VW ein ernsthafter Rivale von Tesla werden könnte, zunächst gut an. Doch an der Börse verpuffte der Effekt schnell. Am Ende musste Diess gehen, auch weil ehrgeizige Softwareprojekte stockten und der Konzernchef vergaß, das Management mitzunehmen.

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Herbert Diess musste gehen, Oliver Blume führt nun Volkswagen und Porsche.

- © Volkswagen AG

Schlummernde Kräfte wecken

Blume will nun die im Konzern schlummernden Kräfte wecken, die unter Diess brach lagen. Nach dem Vorbild der Sportwagentochter Porsche AG, die der 54-Jährige in Personalunion führt, sollen sich alle Marken an den Kriterien des Kapitalmarkts orientieren und so Volkswagen an der Börse durchstarten lassen. Für Michael Muders von Union Investment sind solche virtuellen Börsengänge, die Blume allen Branchen verordnet, ein Gewinn. "Wenn man den IPO-Prozess durchläuft, eine Due Diligence macht, sich dem Kapitalmarkt stellt, werden Schwachstellen offengelegt." Das sei sehr disziplinierend für das Management. Der Fondsmanager verweist auf den Lkw-Hersteller Daimler Truck, der inzwischen als eigenständiges Unternehmen an der Börse notiert ist. Die ehemalige Daimler-Sparte sei lange hinter den Erwartungen zurückgeblieben. "Das hat sich erst geändert, als sich das Management dem Kapitalmarkt stellen musste."

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Auch Ingo Speich, Corporate-Governance-Experte bei Deka Investment, findet es gut, wenn sich das Management stärker auf den Kapitalmarkt konzentriert. "Das ist in der Vergangenheit oft zu wenig geschehen." Speich gibt allerdings zu bedenken, dass die Konsequenzen noch offen sind, wenn Marken ihre Ziele verfehlen.

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Diess war ein guter Wegbereiter für einen Teamplayer wie Blume.
Autoexperte Stefan Bratzel

Doppelrolle von Blume noch immer Problem

Skeptisch äußerte sich Daniel Schwarz von der Investmentbank Stifel. Der Porsche-Börsengang sei zwar ein Erfolg für die Aktionäre der Sportwagentochter, habe aber nicht die erhoffte Aufwertung für Volkswagen und die Familienholding Porsche SE gebracht. Stattdessen sei der Kursabschlag von Volkswagen offenbar auf unbestimmte Zeit zementiert worden. "Wir glauben, dass die Präsentation der virtuellen Aktiengeschichten auf einem Kapitalmarkttag im Juni die Wahrnehmung von VW nicht ändern wird", schrieb der Analyst in einem Börsenkommentar.

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Einen Grund für den Kursabschlag sieht Speich auch in der schlechten Corporate Governance bei Volkswagen. Die Interessenverflechtung bei dem Autoriesen wird von Anlegern seit langem kritisiert. Sein größter Kritikpunkt ist die Doppelrolle von Blume: "Die Rolle des Vorstandschefs hat selbst Diess vor echte Schwierigkeiten gestellt. Wie will Blume es für zwei DAX-Konzerne schaffen?" Als Volkswagen-Chef könne er die unterschiedlichen Interessen nicht moderieren, als Porsche-Chef gehe er mit einer bestimmten Haltung an die Themen heran.

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Der Autoexperte Stefan Bratzel sagte, Diess habe zwar hehre Ziele verfolgt, sich um die Umsetzung aber nicht gekümmert. "Diess war ein guter Wegbereiter für einen Teamplayer wie Blume", meint Henning Cosman von Barclays. Investoren wollten sehen, dass Schwächen bei VW behoben würden - egal, welche Person an der Unternehmensspitze das bewirke, sagte der Analyst.

Stress mit Diess, Lob für Blume

Ferdinand Dudenhöffer meint, Diess habe zu viel auf einmal gewollt und damit die Organisation überfordert. Blume gehe vorsichtiger vor. "Seine Arbeitsweise ist systematisch, wie bei Menschen, die lange große Werke geführt haben", sagt der Autoprofessor. Es gehe nicht um Knalleffekte, sondern um die Stabilität der Produktion und die 100 Stellschrauben, an denen gedreht werden müsse. "Das ist eine Art kontinuierlicher Verbesserungsprozess." Die Gefahr sei allerdings, dass Tesla Volkswagen bei der Elektromobilität abhängen könnte.

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Der Betriebsrat, der im Dauerstreit mit Diess liegt, lobte die Zusammenarbeit mit Blume. "Das hat schon Handschlagqualität. Da ist auch eine Art Vertrauen gewachsen - zumindest eine solide, belastbare Arbeitsbasis", sagte ein Sprecher. Auch die Arbeitnehmervertreter, die bei VW ein besonderes Mitspracherecht haben, zeigten sich offen für weitere Börsengänge. "Wir schauen uns das an, wenn so ein Thema kommen sollte, was derzeit nicht der Fall ist. Das haben wir bei Traton gemacht, das haben wir bei der neuen Struktur für Bugatti gemacht - und das haben wir zuletzt auch bei Porsche gemacht".

Ferdinand Dudenhöfer zu Oliver Blume: "Seine Arbeitsweise ist systematisch."

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Fuß vom Gas

Zu Beginn seiner Amtszeit Anfang September legte Blume ein hohes Tempo an den Tag. Zunächst verkleinerte er den Vorstand um drei auf neun Positionen. Die traditionelle Planungsrunde im Aufsichtsrat verschob er. Der Maschinenbauer, der fast sein ganzes bisheriges Berufsleben im Konzern verbracht hat, wollte sich erst einmal einen Überblick verschaffen, bevor er über wichtige Investitionen der nächsten Jahre entscheidet. Die Pläne seines Vorgängers zum autonomen Fahren hat er durchkreuzt. So wurde der Start des Trinity-Projekts für vollautomatisiertes Fahren verschoben und der Bau einer von Diess dafür geplanten Fabrik auf Eis gelegt. Bei den Plänen für neue Batteriezellfabriken in Europa nimmt der Konzern den Fuß vom Gas und investiert stattdessen in Nordamerika, wo hohe Subventionen winken. Jetzt warten alle, ob er das Tempo halten kann.

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