Cofinity-X : Wie die 10 Anwendungsfälle von Catena-X jetzt einen großen Schritt näher rücken
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BASF, BMW Group, Henkel, Mercedes-Benz, SAP, Schaeffler, Siemens, T-Systems, Volkswagen und ZF haben gemeinsam das Joint Venture „Cofinity-X“ gegründet, um die Einführung von Catena-X-Anwendungsfällen in der Automobilindustrie zu beschleunigen.
Die Vorteile eines solchen Datenökosystems sind unbestritten: Durch die Standardisierung von Datenräumen werden die beteiligten Unternehmen in die Lage versetzt, fortschrittliche AI- und Automatisierungstechnologien eng mit realen Geschäftsanforderungen zu verknüpfen.
Catena-X: Vorteile für alle Akteure der Wertschöpfungskette
Insgesamt zehn verschiedene Anwendungen sieht das Projekt vor, mit denen das Konzept in die Praxis überführt werden soll. Das erklärte Ziel ist eine branchenweite Plattform an Anwendungen und Diensten für die gesamte automobile Wertschöpfungskette, um CO2- und ESG-Monitoring, Rückverfolgbarkeit, Kreislaufwirtschaft oder Datenmanagement zu optimieren.
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"Das Joint Venture hilft uns, die Nachhaltigkeits- und Effizienzziele in der Automobilindustrie schneller und effizienter zu erreichen. Dies ist nur in einem starken Team auf Augenhöhe zwischen Automobilindustrie, Zulieferern und Geräteherstellern möglich. Siemens bietet mit Catena-X Anwendungen, die von allen Akteuren der automobilen Wertschöpfungskette genutzt werden können, insbesondere auch von kleinen und mittleren Unternehmen“, so Cedrik Neike, Mitglied des Vorstands der Siemens AG und CEO Digital Industries.
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Transformation in Richtung Kreislaufwirtschaft
Das Projekt trifft den Zahn der Zeit, die Lösungsansätze für die Dekarbonisierung und Nachverfolgbarkeit spiegeln die Anforderungen der neuen EU-Richtlinien für Lieferketten und ESG-Berichtspflichten, die derzeit umgesetzt werden. Die Mitglieder von Cofinity-X werden so die Transparenz über deren CO2-Fußabdruck erhöhen sowie Maßnahmen zur Erreichung und Verbesserung gesetzter Nachhaltigkeitsziele ableiten können.
"Als führender Chemiezulieferer für die Automobilindustrie sehen wir enorme Chancen im Betrieb eines Ökosystems, das auf standardisierten digitalen Dienstleistungen und harmonisierten Datenmodellen basiert. Dies wird die Widerstandsfähigkeit der Lieferkette stärken, die Transparenz verbessern und die Transformation in Richtung Kreislaufwirtschaft und Netto-Null-Fußabdruck in vielen Materialkategorien beschleunigen", so Markus Kamieth, Mitglied des Vorstands der BASF SE.
Vernetzung: Enorme Auswirkungen auf Lieferketten
Mit durchgängig vernetzten Datenketten vom Lieferanten bis zum Hersteller sollen so Materialflüsse effizienter gestaltet und Lieferengpässe frühzeitig erkannt werden. Alleine bei Volkswagen hat das enorme Auswirkungen - das Joint Venture sei der nächste Schritt bei den Plänen von VW, seine globale Lieferkette mit mehr als 40.000 Lieferanten und Partnerunternehmen besser zu vernetzen.
Auch BMW sieht großes Potenzial im gemeinsamen Projekt, mi dem neue Industriestandards geschaffen werden. "Cofinity-X leistet Pionierarbeit bei der Industrialisierung von Catena-X-Standards. Ich freue mich darauf, zu sehen, wie das erste wirklich offene und interoperable Produkt- und Dienstleistungsportfolio zum Leben erweckt wird und einen Mehrwert für alle Mitglieder schafft", so Oliver Ganser von BMW, Vorsitzender des Vorstands von Catena-X.
Das neue Konsortium will in den kommenden Monaten ein Produktportfolio mit vier zentralen Produkt- und Dienstleistungsangeboten aufbauen. Die ersten Produkte und Dienstleistungen sollen bereits ab Ende April 2023 verfügbar sein.
Die 10 Anwendungsfälle von Catena-X im Überblick
- Nachhaltigkeit
Catena-X entwickelt Standards und Methoden zur Einsparung von CO2. Software-Apps und ein Regelwerk unterstützen dabei, die CO2-Werte über die Fahrzeugherstellung und Lieferkette hinweg zu verbessern. - Rückverfolgbarkeit
Die Rückverfolgbarkeit auf die gesamte automobile Wertschöpfung soll erweitert werden. Zukünftig sollen Hard- und Softwareeinsätze von der Herstellung bis hin zum Recycling nachvollziehbar sein. - Kreislaufwirtschaft
Catena-X entwickelt ein digitales Abbild der Kreislaufwirtschaft in der Automobilindustrie - gemeinsam mit mehr als 2.000 Partnern und über alle Ebenen der Wertschöpfungskette hinweg. - Manufacturing as a Service
Fertigungsschritte als Dienstleistung – im Catena-X Datenökosystem finden sich Interessenten, Anbietern und On-Demand-Manufacturing-Plattformen für eine gewinnbringende Interaktion. - Business Partner Data Management
Redundante Datenhaltung und -pflege von Geschäftspartner führen heute zu hohen Kapazitäts-, System- und Integrationsaufwendungen bei allen beteiligten Partnern. Angesichts wachsender gesetzlicher, sozialer oder anderweitiger Anforderungen an Geschäftspartner innerhalb der Wertschöpfungskette, kommen stetig neue zusätzliche Aufwendungen bzgl. Datenqualität wie auch -aktualität, Geschwindigkeit und Validierungen im Geschäftspartnerdatenmanagement hinzu. - Modulare Produktion
Erhöhung der Flexibilität und Verfügbarkeit der Produktion durch optimierte Planung und schnelle Rekonfiguration im Fall von produktionsrelevanten Ereignissen im Wertschöpfungsnetzwerk. - Online Steuerung und Simulation
Mithilfe der vorausschauenden Online-Steuerung und Simulation will Catena-X Herstellungs- und Lieferprozesse stabilisieren und so eine größere Effizienz für alle Beteiligten gewährleisten. - Bedarfs- und Kapazitätsmanagement
Sicherer Austausch von Bedarfs- und Kapazitätsdaten sowie eine Zusammenarbeit aller im automobilen Netzwerk involvierten Partner. - Qualitätsmanagement
Ganzheitliches Qualitätsmanagement über die gesamte Wertschöpfungskette soll Frühwarnsysteme und rechtzeitige Maßnahmendefinition ermöglichen. - Digital Behavior Twins
Die Anwendung einer durchgehenden Architektur für verhaltensbeschreibende Produktmodelle (Digital Behavior Twins) aus wiederverwendbaren und gemeinsamen funktionalen Bausteinen in Catena-X ermöglicht vielfältige neue digitale Dienste.
Jürgen Sturm: „In Krisenzeiten Kontrolle behalten“
Jürgen Sturm, CIO des deutschen Technologiekonzerns und Automobilzulieferers ZF Friedrichshafen, ist einer der neun Vorstandsmitglieder von Catena-X. Wir fragen nach, welche Ziele die Industrie mit dem Projekt verfolgt.
ZF gehört zu den Gründungsmitgliedern von Catena-X. Welche Ziele verfolgen Sie mit der Initiative?
Jürgen Sturm: Bei Catena-X geht es um die Vernetzung mit Partnern entlang der gesamten Lieferketten innerhalb der Automobilindustrie. Ziel ist es zum einen, Effizienz und Effektivität in den bestehenden Prozessketten zu steigern. Zum anderen wollen wir uns so auf Anforderungen einstellen, für die es heute noch keine Lösungen gibt: etwa beim Carbon-Footprint. Hier helfen Berechnungen einzelner Firmen nicht weiter; der Nachweis muss von allen Lieferanten nach einer einheitlichen Systematik erfolgen.
Zulieferer werden also gar nicht mehr um Catena-X herumkommen?
Sturm: Richtig. Die Automobilbranche ist hochgradig vernetzt und arbeitsteilig. Die komplexen Lieferketten zu steuern, ist eine große Herausforderung. Der Datenaustausch über Unternehmensgrenzen hinweg war schon immer wichtig in unserer Branche. Bei Catena-X entwickeln wir nun gemeinsam sichere neue Standards und Datenaustausch-Mechanismen. Die Harmonisierung der Geschäftspartneradressen ist ein gutes Beispiel. Jedes Unternehmen pflegt diese Stammdaten. Tun wir das alle gemeinsam, sinkt der Aufwand erheblich und die Daten sind immer aktuell. Damit die Lösung den Anforderungen von Datenschutz, Datensicherheit und Vertraulichkeit genügt, müssen technische und organisatorische Voraussetzungen erfüllt sein.
Es gibt auch Interessen von japanischen oder nordamerikanischen OEMs wie Ford, die heute schon Mitglied sind.
Welche Voraussetzungen sind das?
Sturm: Die Daten werden im Netz von Catena-X nicht zentral gesammelt, sondern sie bleiben bei dem jeweiligen Unternehmen, dem sie gehören. Über sogenannte Daten-Konnektoren werden die Daten nur für den jeweiligen Anwendungsfall miteinander verschaltet. Das gelingt mit einer Technologie, die wir Eclipse Dataspace Connector nennen. Der Data Connector hat eine Kontroll- und eine Datenebene. Auf Kontrollebene werden die entsprechenden Berechtigungen ausgehandelt, auf der Datenebene fließen dann die erforderlichen Daten an die Quellen – und nur dorthin.
Catena-X basiert auf den Prinzipien der europäischen Cloud-Infrastruktur Gaia-X. Verträgt sich das mit der Involvierung der US-Hyperscaler Microsoft, AWS und Google?
Sturm: Auch Cloud-Anbieter wie Microsoft sind Partner von Gaia-X und unterstützen die Gaia-X Kriterien nach europäischem Datenschutzrecht. Gaia-X und Catena-X sind keineswegs auf europäische Unternehmen beschränkt. Es gibt auch Interessen von japanischen oder nordamerikanischen OEMs wie Ford, die heute schon Mitglied sind, denn global agierende Unternehmen müssen in den jeweiligen Wirtschaftsräumen anschlussfähig sein und sich den dortigen Vorgaben anpassen. Das gilt natürlich auch umgekehrt.
Störungen und deren Auswirkungen lassen sich dann leichter eingrenzen und nachverfolgen. Das hilft uns dabei, in Krisenzeiten die Kontrolle zu behalten.
Die Umsetzung des europäischen Cloud-Infrastrukturprojekts Gaia-X verläuft eher schleppend. Wie wirkt sich das auf Catena-X aus?
Sturm: Alle Use Cases von Catena-X sind im Zeitplan. Wir haben im Mai 2021 die Initiative gemeinsam mit 50 Unternehmen gegründet. Inzwischen sind wir über 100 Partner angewachsen. Aktuell arbeiten bei Catena-X rund 850 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschiedlicher Unternehmen in einem agilen Software-Entwicklungsumfeld an unternehmensübergreifenden Anwendungen, darunter auch 70 Beschäftigte von ZF.
Welche der zehn Anwendungsfelder von Catena-X sind für ZF besonders interessant?
Sturm: Wir konzentrieren uns derzeit zum einen stark auf Verbesserungen beim Geschäftspartnerdaten Management. Zum anderen konzentrieren wir uns darauf, zuverlässigere Daten aus der Lieferkette zu erhalten. Dies betrifft etwa den CO2-Fußabdruck, Anforderungen der Kreislaufwirtschaft oder wie sich die Lieferkettensorgfaltspflicht umsetzen lässt. ZF ist darüber hinaus aber an fünf weiteren Anwendungsfeldern beteiligt.
Kann die gemeinsame Automotive-Cloud von Catena-X künftig Probleme wie den Chipmangel abschwächen?
Sturm: Auch mit Catena-X gibt es nicht mehr verfügbare Chips auf dem Weltmarkt. Jedoch ließe sich die Steuerungsfähigkeit und Transparenz in der Lieferkette deutlich verbessern. Störungen und deren Auswirkungen lassen sich dann leichter eingrenzen und nachverfolgen. Das hilft uns dabei, in Krisenzeiten die Kontrolle zu behalten.