Neuzulassungen : Warum Europas Auto-Industrie trotz guter Verkäufe mit Sorge ins Jahr blickt

BMW-Produktion im Werk in Steyr

Fahrzeugmontage bei BMW in Steyr

- © BMW

Die österreichische Autoindustrie dürfte 2023 weiter wachsen. Das Vorkrisenniveau werde aber erst 2024 wieder erreicht, prognostizieren die Ökonomen der Bank Austria. Die heimische Branche dürfte von der wirtschaftlich stabilen Position der deutschen Premiumhersteller profitieren, hieß es am Montag in einer Aussendung. Material- und Lieferengpässe machen der Autoindustrie aber weiterhin zu schaffen.

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Die österreichische Autoindustrie nimmt laut den Ökonomen der Bank Austria nur langsam Fahrt auf. Bis 2021 konnte die heimische Branche ihren Wachstumsvorsprung gegenüber den meisten EU-Produktionsländern ausbauen. Erst 2022 blieb das Produktionswachstum in Österreich mit 0,5 Prozent hinter dem EU-Ergebnis von 4,5 Prozent zurück. Auch das Umsatzwachstum fiel 2022 mit 3,9 Prozent auf 18,5 Mrd. Euro geringer aus als 2021.

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Zu Beginn des Jahres 2023 hat sich die Branchenkonjunktur weiter abgekühlt, wobei der Produktionsrückgang bei gleichzeitig höheren Auftragseingängen im Januar auf weiterhin bestehende Materialengpässe hinweist. Materialengpässe, insbesondere fehlende Halbleiter, stellten im Jahr 2022 für rund drei Viertel der Unternehmen der österreichischen Fahrzeugindustrie das größte Produktionshindernis dar, im ersten Quartal 2023 traf dies noch auf mehr als die Hälfte der Unternehmen zu.

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Der Blick auf die großen Herstellerländer Deutschland, Frankreich und Tschechien zeigt ein ähnliches Bild. Aufgrund der eingetrübten Produktionserwartungen in der Kfz-Industrie können die österreichischen Kfz-Zulieferer erst ab der zweiten Jahreshälfte 2023 mit einer stärkeren Nachfrage aus den europäischen Standorten ihrer wichtigsten Kunden rechnen, so die Ökonomen der Bank Austria. Insgesamt dürfte sich der EU-Automarkt im heurigen Jahr aber trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds positiv entwickeln.

Schaeffler hat angekündigt, eher in den USA investieren zu wollen
Schaeffler hatte erst kürzlich angekündigt, eher in den USA investieren zu wollen - © Schaeffler

Erholung bei Neuzulassungen

Der europäische Automarkt erholt sich weiter. Die Neuzulassungen in der EU stiegen im Februar um 11,5 Prozent auf knapp 803.000 Fahrzeuge, wie der europäische Herstellerverband ACEA am Dienstag mitteilte, weil die Lieferengpässe nachließen.

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In den vier Kernmärkten verzeichnete der Verband im Februar vor allem in Spanien (plus 19,2 Prozent), Italien (plus 17,4 Prozent) und Frankreich (plus 9,4 Prozent) mehr Neuzulassungen. In Deutschland fiel das Plus mit 2,8 Prozent gering aus. Kräftig um rund 11 Prozent stiegen die Neuzulassungen im Februar in Österreich.

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Der österreichische Neuwagenmarkt ist zurück in der Spur.
Statistik Austria-Chef Tobias Thomas

E-Autos stark gefragt

Trotz der Diskussion um das Ende des Verbrennungsmotors sind die meisten Fahrzeuge nach wie vor mit einem Benzinmotor ausgestattet. Mit knapp 37 Prozent blieb ihr Marktanteil im Februar unverändert. Rückläufig war der Anteil der Dieselfahrzeuge mit einem Minus von 3,2 Prozentpunkten auf 15 Prozent.

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Mit einem Zulassungsplus von fast 40 Prozent waren Elektroautos stark gefragt. Ihr Marktanteil ist auf 12,1 (Vorjahr 9,7) Prozent gestiegen. Auch Hybridfahrzeuge, die einen Elektroantrieb mit einem Verbrennungsmotor kombinieren, bauten ihren Anteil auf 25,5 (23,3) Prozent aus. Dagegen ging die Nachfrage nach Plug-in-Hybriden, die an der Steckdose aufgeladen werden, zurück, nachdem die staatliche Förderung im größten EU-Land Deutschland zu Jahresbeginn ausgelaufen war.

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Über alle Antriebsarten hinweg kamen seit Jahresbeginn fast 1,6 Millionen Pkw neu auf die Straße, ein Plus von 11,4 Prozent. Am geringsten war der Zuwachs in Deutschland (plus 0,2 Prozent).

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Mit einem Zulassungsplus von fast 40 Prozent waren Elektroautos stark gefragt. - © Daimler AG

Auch Österreichs Automarkt hat stark zugelegt

"Der österreichische Neuwagenmarkt ist zurück in der Spur: 17.895 Pkw wurden im Februar 2023 erstmals in den Verkehr gebracht. Das sind knapp 1.800 mehr als im sehr schwachen Februar des Vorjahres", rechnete Statistik Austria-Chef Tobias Thomas vor. Damit wurden im Februar 11,1 Prozent mehr Zulassungen als im Vorjahr registriert. Auch die Zahl der Neuzulassungen aller Kraftfahrzeuge ist gestiegen - von Februar auf Februar um 23.543 Einheiten (plus 10,6 Prozent).

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Während die Zulassungen von Benzin- und Diesel-Pkw leicht rückläufig waren, stieg die Nachfrage nach alternativen Antrieben: Binnen Jahresfrist stieg der Anteil alternativ angetriebener Neuwagen an den Pkw-Neuzulassungen um 7,7 Prozentpunkte auf 46,8 Prozent. Pkw mit Benzin-Elektro-Hybridantrieb erreichten einen Anteil von 21,1 Prozent, rein elektrisch angetriebene Pkw 19,1 Prozent und Pkw mit Diesel-Elektro-Hybridantrieb 6,5 Prozent. Von den 3.415 Pkw mit reinem Elektroantrieb waren 79,3 Prozent Firmenwagen.

Bei den Sattelzugmaschinen gab es ein Plus von 46,9 Prozent, während die Landwirte etwas weniger kauften (minus 13,6 Prozent bei den Traktoren). Bei den Motorrädern gab es ein Plus von 3,9 Prozent.

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Bereits im Jänner dieses Jahres haben die Pkw-Neuzulassungen deutlich zugelegt. Mit 18.850 wurden um 20,7 Prozent mehr Pkw zum Verkehr zugelassen als im Jänner des Vorjahres. Nach einem schwachen Jahr 2022, in dem die Pkw-Neuzulassungen um 10,3 Prozent auf 215.050 Fahrzeuge zurückgingen, dürfte die Kauflust nun wieder zurückgekehrt sein.

Statistik Austria-Chef Tobias Thomas

- © Statistik Austria

Verbrenner-Aus: Ja, aber nein...

In einer Anfang März veröffentlichten Online-Umfrage des ÖAMTC (Stichprobe: 1.009 Befragte) sprechen sich 65 Prozent gegen ein Verbot von Verbrennungsmotoren aus, 22 Prozent halten es für eine gute Idee, 13 Prozent sind unentschieden. "Unter den Autobesitzer:innen ist das Stimmungsbild noch eindeutiger: Sieben von zehn sind gegen ein Verbrenner-Verbot, nur zwei von zehn dafür", so der ÖAMTC.

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Nach den ursprünglichen Plänen der EU sollen ab 2035 keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden, worauf sich mittlerweile auch die Automobilindustrie eingestellt hat. So will Audi ab 2026 nur noch neue Modelle mit Elektromotor auf den Markt bringen, Fiat plant den Ausstieg aus dem Verbrenner spätestens 2030, Opel und Citroën werden ab 2028 rein elektrisch fahren. Stellantis, zu dem neben Fiat, Opel und Citroën auch Chrysler und Peugeot gehören, will Weltmarktführer für Elektroautos werden. Mercedes will ab 2030 in der EU keine neuen Verbrennungsmodelle mehr anbieten. Auch von Mini, Volvo und Ford soll es ab 2030 nur noch Elektroautos geben. Toyota und Hyundai peilen das Jahr 2035 für den endgültigen Umstieg an.

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Der Verkehrssektor ist einer der größten Emittenten von Treibhausgasen. Der Straßenverkehr, und hier vor allem der Pkw-Verkehr, ist für den größten Teil der Emissionen verantwortlich. Laut Umweltbundesamt werden die Treibhausgasemissionen des österreichischen Inlandsverkehrs zwischen 1990 und 2020 um 27 Prozent steigen. Anthropogene Treibhausgase sind die Hauptursache der Klimakrise.

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Sorge vor dem restlichen Jahr

Grund für die hohen Neuzulassungen in Europa und Österreich sind die hohen Auftragsbestände, die sich im vergangenen Jahr wegen der Chipknappheit und brüchiger Lieferketten angehäuft hatten und nun abgebaut werden. Neue Aufträge kommen dagegen kaum herein, da sich die Kunden wegen Rezessionsängsten mit größeren Anschaffungen zurückhalten.

>>> Management-Experte: "Ich sehe hier keinen Beginn einer Deindustrialisierungswelle."

Wegen des Wandels zur E-Mobilität sieht das Ifo-Institut eine Deindustrialisierung in der Autobranche. Die Branche habe seit 2013 rund neun Prozent ihrer Fertigungsjobs verloren. Das erklärte Ifo-Experte Oliver Falck am Freitag. "Ein Teil des Verlusts wird bereits und könnte in Zukunft noch mehr durch Batteriefertigung, Dienstleistungen im Bereich Software oder digitale Geschäftsmodelle aufgefangen werden."

>>> Konjunktur in China: Nur 3 Prozent Wachstum in 2022.

Rund 447.000 Beschäftigte stellten demnach 2019 Produkte mit Verbrennertechnologie her. Diese seien vom Wandel von Verbrennungs- zu Elektromotoren direkt betroffen, auch weil Elektromotoren deutlich weniger komplex zu fertigen seien als Verbrennungsmotoren. Noch produzierten die Hersteller Fahrzeuge mit beiden Antriebsarten parallel. "Mit dem Abbau dieser Doppelstrukturen wird sich der Beschäftigungsabbau in der Fertigung in den kommenden Jahren weiter beschleunigen", sagte Falck, Leiter des Ifo-Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien. Dagegen sei die Zahl der Beschäftigten in der IT-Branche seit 2013 um knapp 49 Prozent gestiegen.

>>> "Kriegsabgabe": So will Russland die Industrie zur Kasse bitten.

Das Verhältnis zu China und den USA in einem veränderten geopolitischen Umfeld entscheide über die künftige Wettbewerbsposition der deutschen Automobilindustrie und damit auch über die Produktionsvolumina, so Falck. Mit Tesla hätten die USA derzeit den weltweit größten Hersteller von Elektroautos auf dem Markt. Gleichzeitig produzierten deutsche Autobauer in China deutlich mehr Fahrzeuge als im Heimatland. Auch die Bedeutung chinesischer Unternehmen in der Produktion nehme zu: "Immer mehr einheimische Wettbewerber drängen auf den chinesischen Markt." Die chinesischen Hersteller BYD oder SAIC gehörten bereits zu den Top 10 der weltgrößten Elektroautoproduzenten.