Auto-Industrie : Das Ende der Rekordgewinne für Volkswagen, BMW und Co.
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Viele Automobilhersteller haben in den letzten Jahren von der Krise profitiert: Der Mangel an Halbleitern und Kabelbäumen sorgte für ein knappes Angebot an Fahrzeugen. Volkswagen, Mercedes-Benz oder BMW konnten immer höhere Preise durchsetzen. Traumrenditen von teilweise über 14 Prozent wurden erzielt.
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Für die Verbraucher in Europa verteuerten sich Neuwagen im Gegenzug allein im vergangenen Jahr um durchschnittlich 13 Prozent auf 42.790 Euro, so die Marktforschung DAT. Ein Allzeithoch erreichten die Autopreise 2022 auch in den USA und anderen wichtigen Märkten. Inzwischen verdichten sich jedoch die Anzeichen, dass die Preise nach und nach wieder sinken werden. „Die Rekordwerte sind nicht haltbar“, sagt Arndt Ellinghorst, Autoexperte beim Datenanalyse-Unternehmen Quantco dem deutschen "Handelsblatt".
Das Autogeschäft wird wieder deutlich härter.Ferdinand Dudenhöffer
Warum sinken die Preise für Neuwagen?
Dies hat drei Ursachen: Erstens wird der Preiskampf bei Elektroautos von Tesla forciert und greift zunehmend auf alle Segmente und Antriebsarten über. Erst in der Nacht von Freitag auf Samstag hat der US-Hersteller seine Preise in Deutschland noch einmal um bis zu 6.000 Euro gesenkt. Zweitens ist die Branche insgesamt mit erheblichen Überkapazitäten konfrontiert. Und drittens fehlt das Geld für teure Modelle bei einem Großteil der Verbraucher.
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Ferdinand Dudenhöffer hat errechnet, dass die Listenpreise der 60 meistverkauften Autos hierzulande im Januar und Februar im Schnitt bereits um rund 2300 Euro gesunken sind. Der Leiter des Center Automotive Research (CAR) ist sich sicher: „Die Zeit der Bilderbuchgewinne ist zu Ende. Das Autogeschäft wird wieder deutlich härter.“
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Experten erwarten Einbruch der Gewinne
In der Tat sind die Auftragseingänge in vielen Ländern schon seit Monaten rückläufig. Gleichzeitig werden immer mehr Rabatte gewährt und Fahrzeuge mit abgespeckten Ausstattungsvarianten angeboten. Analysten der Schweizer Großbank UBS rechnen deshalb für börsennotierte Autohersteller wie VW, BMW, Stellantis, Renault, Ford oder GM in diesem Jahr mit einem Einbruch des Gewinns je Aktie um durchschnittlich 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
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Im Zentrum des absehbaren Margenverfalls steht China, wo derzeit mit der „Auto Shanghai“ die wohl wichtigste Branchenmesse des Jahres beginnt. Für viele westliche Automobilhersteller war China als größter Pkw-Markt der Welt bislang ein Gewinngarant. Nirgendwo sonst verkauft zum Beispiel Mercedes so viele Limousinen der S-Klasse in der ultraluxuriösen Maybach-Variante (Basispreis: 175.417 Euro) wie in China.
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Doch das Geschäft mit den klassischen Verbrennungsmotoren ist in China auf dem Rückzug. Hohe Wachstumsraten erzielen nur noch reine Elektroautos und Plug-in-Hybride. Und in diesem Segment ist in China ein harter Preiskampf entbrannt.
Lasset den Preiskampf beginnen!
Um Marktanteile zurückzugewinnen, hatte Tesla - nach BYD die Nummer zwei auf dem weltweiten Markt für Elektroautos - im vergangenen Oktober die Listenpreise deutlich gesenkt. Für Fahrzeuge, die in der Gigafactory in Shanghai produziert werden, gewährte der US-Hersteller im Januar weitere Rabatte. Einige Modelle sind im Vergleich zum Vorjahr um bis zu 14 Prozent günstiger geworden und kosten teilweise nur noch die Hälfte dessen, was in Europa oder den USA verlangt wird.
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Viele lokale, aber auch internationale Wettbewerber haben nachgezogen, um auf dem hart umkämpften Markt mithalten zu können: Mindestens 40 Autohersteller haben in China zuletzt ihre Preise gesenkt. Darunter waren die Elektroauto-Newcomer Nio und Xpeng ebenso wie der Volumenhersteller BYD. Auch die Händler von BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen gewährten teils hohe Nachlässe.
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„Wir werden an diesen Preiskämpfen nicht teilnehmen“, sagte BMW-Chef Oliver Zipse kürzlich dem Handelsblatt. Er war zu Besuch in Peking. Der Manager glaubt, dass es nach der Pandemie zu einem kurzfristigen Abverkauf der Lagerbestände kommen wird. Das habe auch damit zu tun, dass die Staatsführung unter Umständen eine neue Stufe von Emissionsrechten einführen werde. Deshalb sei der Preiskampf seiner Meinung nach nur von kurzer Dauer.
Keine Zeit für Überheblichkeit
Tu Le, Gründer des Beratungsunternehmens Sino Auto Insights, schreibt dagegen in einer aktuellen Analyse, die deutsche Autoindustrie befinde sich noch in einem Zustand der Selbstverleugnung. Zwar seien BMW und Mercedes nach Einschätzung des Autoexperten in einer vergleichsweise guten Ausgangsposition. "Sehr schmerzhaft" würden die kommenden Jahre aber für Massenhersteller wie Volkswagen und seine Premiumtochter Audi. Noch könnten die Wolfsburger das Schlimmste verhindern, aber es bleibe keine Zeit für „weiteres Herumtrödeln oder Arroganz“.
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Als Folge des Preiskampfes auf dem Heimatmarkt werden die chinesischen Hersteller nach Ansicht von Le in großem Stil nach Europa expandieren. Er rechnet damit, dass noch in diesem Jahr 15 bis 20 Automarken in einen oder mehrere europäische Märkte einsteigen werden. Nach wie vor sei das Angebot an Elektrofahrzeugen westlicher Hersteller überschaubar. Die chinesischen Elektro-Angreifer würden nun in diese Lücke stoßen.
Der chinesische Branchenverband CAAM fordert unterdessen ein Ende des Preiskampfes. Der Verband schrieb auf der Social-Media-Plattform Wechat, die Industrie müsse zu einem „normalen Betrieb zurückkehren“, um eine gesunde Entwicklung zu gewährleisten.
Geringe Fixkosten, hohe Profitabilität: Tesla
Dabei hat sich die Rabattschlacht schon längst auch auf andere Regionen ausgeweitet. Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr hatte Tesla vor der Ankündigung in Deutschland in den USA die Listenpreise für alle Baureihen gesenkt. Das Model 3 kostet nun rund 5.000 Dollar weniger als Anfang des Jahres, die Performance-Version der Limousine ist sogar 10.000 Dollar billiger zu haben. Um 13.000 Dollar auf 52.990 Dollar wurde der Preis für das Elektro-SUV Model Y gesenkt. Und der Markt erwartet weitere Preissenkungen.
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Hintergrund sei, dass Tesla die Abkehr von der Verbrennungstechnologie zugunsten der eigenen Elektroautos beschleunigen wolle. Hinzu kommt, dass sich Tesla einen Preiskampf aufgrund der geringen Fixkosten und der hohen Profitabilität des Unternehmens eher leisten kann als seine Konkurrenten.
Rückgang der Neuwagen-Preise
Die Experten von JP Morgan Research prognostizieren, dass die Preise für Neuwagen in den USA in diesem Jahr um bis zu fünf Prozent und für Gebrauchtwagen um gut zehn Prozent sinken werden. Es handele sich um eine „Normalisierung“ auf hohem Niveau, meint Arndt Ellinghorst, Automobilexperte bei Quantco. Deutlich höhere Rabatte erwartet er dagegen in Europa und vor allem in China.
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Allerdings dürften sich die absehbaren Rabatte erst zeitverzögert in den Bilanzen der Autobauer niederschlagen. Nach Einschätzung eines Investmentbankers dürften die Ergebnisse im ersten Quartal branchenweit noch solide bis sehr gut ausfallen. Ein spürbarer Margenverfall könnte dann aber spätestens in der zweiten Jahreshälfte einsetzen.
Schon jetzt gibt es Hersteller, die in China um ihre Existenz kämpfen. Evergrande Auto, eine Tochter des angeschlagenen Immobilienkonzerns Evergrande, warnte vor kurzem, dass man die Produktion einstellen müsse, wenn es dem Unternehmen nicht gelinge, sich frisches Geld zu beschaffen. Bisher hat der Hersteller nur rund 900 Fahrzeuge ausgeliefert.
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Bislang hat sich das Manöver für Tesla, den Initiator des Preiskampfes in China, übrigens nicht ausgezahlt. Nicht nur, dass der Autobauer von Tesla-Kunden, die ihr Fahrzeug im vergangenen Jahr zu höheren Preisen gekauft haben, in den sozialen Medien heftig kritisiert wurde. Der US-Autobauer verlor auch in den ersten beiden Monaten dieses Jahres weiter Marktanteile an seinen Hauptkonkurrenten BYD.