Zölle auf chinesische E-Autos : Belegt die EU chinesische E-Autos mit Anti-Dumping-Zöllen?

Die EU-Kommission sieht die europäische Autobranche durch billige E-Autos aus China gefährdet
- © xy - stock.adobe.comDie EU-Kommission sieht die europäische Autoindustrie durch billige Elektroautos aus China bedroht und erwägt deshalb, Anti-Dumping-Zölle zu erheben. "Die weltweiten Märkte werden mit billigen Elektroautos geflutet", sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch. "Und ihr Preis wird durch gewaltige staatliche Subventionen künstlich niedrig gehalten." Die EU-Kommission habe deshalb begonnen, die chinesische Subventionspraxis zu untersuchen, sagte Leyen.
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Die deutsche Bundesregierung und Frankreich befürworteten den Schritt, Branchenvertreter warnten jedoch vor chinesischen Vergeltungsmaßnahmen. Chinesische Autohersteller drängen verstärkt auf den europäischen Markt und haben gerade auf der Automesse IAA in München mit ihren Elektroauto-Modellen für Aufsehen gesorgt.
Forscher: Bis 2025 ein Viertel aller E-Fahrzeuge in Europa aus China
Mit einem deutlichen Anstieg der Autoimporte aus China nach Europa rechnen Autoexperten der Technischen Universität Chemnitz. In diesem Jahr sei mit rund 600.000 Fahrzeugen zu rechnen, 2025 bereits mit 1,1 Millionen, sagte Professor Werner Olle vom Chemnitzer Institut für Kraftfahrzeuge am Montag. Der Anteil an den Neuzulassungen werde sich damit von 5,0 Prozent auf 7,5 Prozent erhöhen.
Die Konkurrenz für europäische Autobauer wächst vor allem bei Elektroautos. "Da die aus China importierten Fahrzeuge weit überwiegend batterieelektrische Fahrzeuge sind, ist der Anteil an diesem Marktsegment deutlich höher", stellte Olle fest. Im Jahr 2023 sei in diesem Bereich mit einem Anteil von knapp 20 Prozent an den Neuzulassungen in Europa zu rechnen. Bis 2025 könnte er dann auf über 25 Prozent steigen.
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Nicht nur preislich, sondern auch technologisch seien die Fahrzeuge chinesischer Hersteller mit einem Kostenvorteil von mehreren tausend Euro "absolut wettbewerbsfähig". Dies gelte vor allem für die Batterietechnik. Im internationalen Wettbewerb profitiere China bei Elektroautos nicht nur von enormen Verfügbarkeits- und Preisvorteilen bei wichtigen Rohstoffen und Batterien, hieß es. Auch der große Heimatmarkt ermögliche Herstellern hohe Stückzahlen und Kostenvorteile.
"Im Vergleich dazu hat Europa gegenwärtig schlechte Karten", erklärte Dirk Vogel vom Netzwerk Automobilzulieferer Sachsen (AMZ). Als Gründe nannte er unter anderem die hohen Energiekosten, eine Vielzahl von Regulierungen und das zu frühe Auslaufen von steuerlichen Anreizen. Dies wirke sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Unternehmen aus und bremse die Umsetzung der Elektromobilität immer wieder aus.
EU-Kommission selbst Initiator der Untersuchung
Von der Leyen erinnerte an das Schicksal der europäischen Solarindustrie, die von chinesischen Billigimporten verdrängt wurde. Als Reaktion hatte die EU-Kommission Strafzölle gegen chinesische Solaranlagen verhängt und damit fast einen Handelskrieg ausgelöst. Nicht zuletzt wegen der engen Beziehungen Chinas zu Russland sind die Beziehungen zwischen der EU und China angespannt. Um die Abhängigkeit von China bei Rohstoffen und vielen Produkten zu verringern, bemüht sich die EU derzeit.
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Für die Entscheidung über zusätzliche Zölle auf chinesische Elektroautos hat die EU-Kommission nun bis zu 13 Monate Zeit. Derzeit werden auf importierte Fahrzeuge Zölle von zehn Prozent erhoben. Dabei geht es nicht nur um Autos chinesischer Unternehmen. Betroffen sind auch Fahrzeuge, die westliche Firmen in der Volksrepublik für den Export bauen. Aus China in die EU exportieren unter anderem BMW, Tesla oder Renault. Ungewöhnlich ist, dass die EU-Kommission selbst Initiator der Untersuchung ist und nicht die Reaktion auf Beschwerden der Industrie.
Fast ein Drittel billiger
Sowohl Deutschland als auch Frankreich begrüßten die Entscheidung. "Das ist insgesamt die richtige Haltung", sagte der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck. Eine vertiefte Prüfung dieses Marktsegments sei richtig. Es müsse geklärt werden, ob es einen unfairen Wettbewerb gebe, indem chinesische Anbieter verdeckt subventioniert würden, so Habeck. Er habe zudem keine Angst vor Gegenmaßnahmen Chinas, die würde es bereits geben. Ähnlich formulierte es der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin: "Europa muss in der Lage sein, seine ökonomischen Interessen zu verteidigen."
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Vor einem Handelskrieg warnte dagegen der deutsche Branchenverband VDA. Die Anti-Subventions-Untersuchung werde sehr formal durchgeführt. "Mögliche Gegenreaktionen aus China müssen ebenfalls berücksichtigt werden." Die Analysten von Bernstein wiesen darauf hin, dass die europäischen Autobauer stark vom China-Geschäft abhängig seien. Sollte es zu Vergeltungsmaßnahmen kommen, dürfte dies vor allem Premiumhersteller wie BMW oder Mercedes treffen. Eine Stellungnahme lehnten sowohl BMW als auch VW ab.
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Chinesische Autobauer hatten mit ihren Elektroautos auf der Automesse IAA in München für Aufsehen gesorgt. Unternehmen wie BYD haben die lange Zeit führenden europäischen Hersteller inzwischen auf dem Heimatmarkt abgehängt. Zunehmend ist auch der Absatz der Autos im Ausland ein Thema. In Europa haben chinesische Hersteller laut der Beratungsfirma Inovev einen Marktanteil von acht Prozent bei Elektroautos. 2021 waren es noch vier Prozent. In vielen europäischen Ländern sind chinesische Fahrzeuge im Schnitt fast ein Drittel billiger als vergleichbare westliche Modelle.
Preisvorteil: 20%
Zuletzt hatte BMW-Chef Oliver Zipse erklärt, er mache sich vor allem Sorgen um die Massenhersteller. Diese gerieten durch die Konkurrenz aus der Volksrepublik massiv unter Druck. Bezahlbare Elektroautos, die in Europa produziert werden, fehlen bislang allerdings weitgehend. Ein Elektroauto für weniger als 25.000 Euro will beispielsweise VW erst ab 2025 anbieten. Der Gründer des chinesischen Herstellers Nio bezifferte den Kostenvorteil chinesischer Unternehmen im April auf rund 20 Prozent. Der wichtigste Grund: Die Rohstoffe für die Batterien kommen überwiegend aus China. Er warnte damals, dass sich chinesische Autobauer auf protektionistische Maßnahmen aus dem Ausland einstellen müssten.
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Nach Berechnungen der Unternehmensberatung Alix Partners hat die chinesische Regierung die Elektroautobranche zwischen 2016 und 2022 mit 57 Milliarden Dollar unterstützt. Das hat dazu beigetragen, dass China zum weltweit führenden Hersteller von Elektroautos geworden ist und im ersten Quartal Japan als größten Autoexporteur überholt hat. Obwohl die Regierung in Peking die Unterstützung für Käufer von Elektroautos 2022 auslaufen lässt, bieten einige lokale Behörden weiterhin Unterstützung für Investoren und Verbraucher an. Außerdem sind die Preise für Batterien gesunken, auch weil die benötigten Rohstoffe weitgehend in chinesischer Hand sind: Kingsmill Bond, Stratege beim Rocky Mountain Institute, beziffert den Preisvorteil auf 21 Dollar pro Kilowattstunde Speicher im Jahr 2022.
Warnung aus China
Die Untersuchung des chinesischen Elektroautomarktes durch die EU-Kommission wird sich nach Einschätzung des Handelsministeriums in Peking negativ auf die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und der Europäischen Union auswirken. Man sei sehr besorgt und unzufrieden mit der Untersuchung der EU-Kommission, teilte das chinesische Handelsministerium am Donnerstag mit.
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Unter dem Deckmantel des "fairen Wettbewerbs" hätten die EU-Untersuchungen das Ziel, die eigene Wirtschaft zu schützen. China werde protektionistische Tendenzen und darauf folgende Maßnahmen der Europäischen Union genau beobachten und die Interessen chinesischer Unternehmen schützen.
"Chinesische Hersteller drängen massiv auf den europäischen Markt, und das mit durchaus wettbewerbsfähigen Produkten", berichtete Alexander Wachtmeister, Branchenexperte der Unternehmensberatung Boston Consulting, im Vorfeld der IAA. Nach Angaben des europäischen Herstellerverbands Acea wurden 2022 bereits 552.000 Autos aus China in die EU exportiert, das sind sechs Prozent aller Neuzulassungen. Damit lag China erstmals vor Großbritannien, Südkorea und Japan auf Platz eins der Herkunftsländer außerhalb der EU.
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Ein Auto zu entwickeln dauert in China nur halb so lange wie in Europa, sagt McKinsey. Die besten chinesischen Hersteller schafften dies in zwei statt in vier Jahren. Während alle deutschen Hersteller bisher rund 160 Elektromodelle anbieten, bringen die Chinesen jährlich 70 neue auf den Markt.

Suche nach unfairen Subventionen
Die EU-Kommission untersucht ein breites Spektrum potenziell unfairer Subventionen. Das reicht von Rohstoff- und Batteriepreisen über vergünstigte Kredite bis hin zur Bereitstellung günstiger Grundstücke. Die Unternehmensberatung AlixPartners schätzt, dass zwischen 2016 und 2022 57 Milliarden Dollar (53 Milliarden Euro) an staatlichen Subventionen für Elektro- und Hybridfahrzeuge fließen werden. Am bekanntesten ist die staatliche Kaufprämie für Elektroautos. Sie wird an die Hersteller gezahlt. Sie wurde 2009 eingeführt. Bis Ende letzten Jahres wurde sie schrittweise reduziert.
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Im Juni kündigte das Land zudem ein Steuerpaket in Höhe von umgerechnet 72 Milliarden Dollar an. Es soll über vier Jahre laufen. Um den Absatz von Elektroautos und Fahrzeugen mit anderen grünen Antrieben anzukurbeln, werden Verkaufssteuern teilweise ausgesetzt oder gesenkt. Auch regional gibt es in China weiterhin viele Einzelmaßnahmen, die durch Subventionen oder Steueranreize Investitionen in die Produktion anlocken sollen, aber auch Kaufanreize für die Konsumenten. Die Zahl dieser Programme hat mit der Abschwächung der Konjunktur zugenommen.
Die Untersuchungen der EU-Kommission konzentrieren sich auf batteriebetriebene Autos, die in China hergestellt werden, schließen also auch nicht-chinesische Unternehmen ein, die in China produzieren. Tesla ist der größte Exporteur. Nach Angaben der US-amerikanischen Denkfabrik Center for Strategic and International Studies gingen von Januar bis April 40 Prozent der Exporte von Elektroautos aus China auf das Konto des US-Konzerns.
Beliebte Marken aus China, die in Europa verkauft werden, sind zum Beispiel Volvo, Teil des Geely-Konzerns, und die Marke MG, die zum staatlichen Autobauer SAIC gehört. Auch BYD, Nio und Xpeng haben begonnen, nach Europa zu expandieren.
Verdopplung der Zölle möglich
Eine Verdoppelung der Einfuhrzölle auf Elektroautos aus China hält EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton für möglich. Mit Blick auf die von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigte Wettbewerbsuntersuchung gegen chinesische Elektroautos sagte Breton am Sonntag im französischen Fernsehsender LCI, ähnliche Untersuchungen hätten "oft zu Zollerhöhungen von zehn auf 20 Prozent" geführt. Dem Untersuchungsergebnis wolle er nicht vorgreifen.
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Sollte die Kommission zu dem Schluss kommen, dass Peking gegen internationales Handelsrecht verstößt, könnte sie Strafzölle auf chinesische Autos verhängen, was einen Handelskrieg mit China riskieren würde. Derzeit würden in der EU Einfuhrzölle von zehn Prozent auf chinesische Elektroautos erhoben, sagte Breton in einem Interview mit LCI. Er fügte hinzu, dass in den USA beispielsweise 27,5 Prozent erhoben würden.
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Auf von der Leyens Ankündigung einer Untersuchung hatte China bereits in den vergangenen Tagen verärgert reagiert. Das Handelsministerium in Peking erklärte, der Wettbewerbsvorteil chinesischer Hersteller sei "durch harte Arbeit erworben" und "das Ergebnis ununterbrochener technologischer Innovation".