Elektromobilität : Bidirektionales Laden: Werden Autohersteller und Energiekonzerne nun Konkurrenten?
BMW setzt in Zukunft auf V2G: Die neuen Modelle, die 2025 auf den Markt kommen, werden mit der neuen Technologie für bidirektionales Laden ausgestattet sein, so der Hersteller in einer aktuellen Mitteilung. Das heißt: Die Speicherkapazität des neuen iX3 kann dann nicht nur das eigene Zuhause versorgen, sondern bei besonders hohem Bedarf auch dem Stromnetz mit Kapazität aushelfen - und die ist enorm: Eine Ladung des iX3 reicht aus, um eine vierköpfige Familie eine Woche lang mit Strom zu versorgen.
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Andere Hersteller wie Volkswagen oder Nissan erlauben bidirektionales Laden schon länger. Vor allem Volkswagen hat in jüngster Zeit die Speicherkapazität als potenzielles Geschäftsmodell erkannt. Denn die Menge an Batteriestrom, die auf vier Rädern meist nur herumsteht, ist größer als jeder Zwischenspeicher, der von den Stromversorgern je gebaut werden könnte. Auch die Nissan-Modelle Leaf und eNV sind mit von der Partie. Damit leisten die E-Modelle einen wichtigen Beitrag zur Energiesicherheit: Autobatterien, die Strom nicht nur aufnehmen, sondern auch wieder abgeben, könnten die schwankende Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen ausgleichen.
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Zwar gehört der Strom, der in den E-Autos gespeichert ist, natürlich den jeweiligen Besitzerinnen und Besitzern der Fahrzeuge. Energiekonzerne wie der Verbund könnten aber über Smart Home-Lösungen Zugriff auf die Stromkapazitäten der Autobatterien bekommen. An den Autoherstellern kommt allerdings niemand vorbei: Schließlich haben sie über die Garantiebedingungen ihrer E-Autobatterien letzten Zugriff auf die Ladezyklen.
Technik vorhanden, Regulatoren oftmals noch nicht
In der alten Welt der Energieversorgung war alles ganz einfach: Es gab Energieerzeuger, Energiehändler und Unternehmen für den Transport und die Verteilung von Energie. In der neuen, dezentralen Energiewelt sind die Rollen anders verteilt: Jeder kann selbst Strom erzeugen, speichern und wieder ins Netz einspeisen. Mittendrin sind auch die Automobilhersteller: Hunderttausende von Elektroauto-Batterien werden sie künftig mit ihrer Software steuern. Schon ein paar Dutzend solcher Batterien, die in einem kleinen Gebiet verteilt sind, können wie ein virtuelles Kraftwerk betrieben werden: Die kombinierte Speicherkapazität der Autobatterien kann bei geringer Sonnen- und Windstromproduktion und hohem Strombedarf in Spitzenzeiten Energie abgeben, um die Stromversorgung zu stabilisieren. Voraussetzung dafür ist das sogenannte bidirektionale Laden. Theoretisch sind alle Elektroautos in der Lage, bidirektional zu laden.
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Schon heute versprechen viele Modelle die Möglichkeit des so genannten Vehicle-to-Home-Ladens. Dabei wird das Elektroauto an die heimische Wallbox angeschlossen und kann bei Bedarf - etwa weil die Photovoltaikanlage auf dem eigenen Dach keinen Strom liefert - zuvor geladenen Strom für den Eigenverbrauch abgeben. Bei all diesen Modellen ist theoretisch auch eine Einspeisung von Strom in das allgemeine Stromnetz möglich: Die Technik für das so genannte "Vehicle to Grid"-Laden ist vorhanden. Auch ein Standard, der die Kommunikation zwischen Elektroauto und Ladesäule regelt, gibt es seit Mitte 2023. Mit Kosten von bis zu 15.000 Euro ist die Hardware, etwa bidirektionale Wallboxen, die mit dem Netzbetreiber kommunizieren, aber noch sehr teuer. Und noch greifen nicht alle regulatorischen Rädchen ineinander: Wie wird der zurückgespeiste Strom besteuert, insbesondere wenn er tagsüber steuerbegünstigt oder sogar kostenlos aus einem Firmenwagen geladen wurde?
Ist Strom ein Geschäftsmodell für die Automobilindustrie?
Alle Automobilhersteller sind sich einig: Bidirektionales Laden ist die Zukunft. Von BMW bis Volkswagen, von Hyundai und Nissan bis Tesla wird Software getestet und Hardware angepasst. Denn das Potenzial ist riesig: Die kurzfristigen Schwankungen der Strompreise durch die immer stärkere Nutzung von Solar- und Windenergie machen das Auto als externen Speicher sehr lukrativ. In einem Vehicle-to-Grid-Feldversuch mit Audi e-tron Fahrzeugbatterien wurden im vergangenen Jahr rund 1556 Euro innerhalb eines Jahres eingespart. Der Autohersteller BMW hat in einem Projekt ermittelt, dass durch die Vermarktung von Strom aus Elektroautos bis zu 700 Euro pro Fahrzeug und Jahr an Einnahmen möglich sind.
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Der deutsche Autokonzern Volkswagen ist bereits 2019 mit einem Ökostromanbieter gestartet. Das Tochterunternehmen Elli, das ein Komplettpaket aus Hardware, Abrechnungsservice und digitalen Zusatzleistungen anbieten will, hat im vergangenen Sommer sogar eine Lizenz zum Handel an der Strombörse Epex Spot erhalten.
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Man wolle, sagt der Chef der VW-Energietochter Giovanni Palazzo, ein starker Player und eine führende Marke im europäischen Energie- und Batteriemanagement werden. Noch geht es vordergründig um den Handel mit Strom aus einer Batteriefarm, die VW mit ausrangierten Zellmodulen seines Kleinwagens E-Up betreibt, und um die Handelslizenz an der Strombörse. Letztlich aber will VW, wie die gesamte Automobilindustrie, künftig einen Fuß im Geschäftsmodell der intelligenten Energie im Haushalt haben. Denn mit einem leistungsfähigen Speicher hat man den vielleicht wichtigsten Baustein für Millionen intelligenter Energiemanagementsysteme im Haus. Und damit für eine Vielzahl von virtuellen Kraftwerken zur Stabilisierung unserer Stromversorgung.