Kluft zwischen Autoherstellern und Zulieferern : Warum die Auto-Hersteller kräftig verdienen, die Zulieferer aber als Verlierer da stehen
Bei den großen Autokonzernen der Welt wird derzeit prächtig verdient. Im zweiten Quartal erreichten laut einer Quartalsanalyse des Beratungskonzerns EY sowohl die Gewinne (plus 31 Prozent) mit knapp 40 Milliarden Dollar (37 Milliarden Euro) als auch die Umsätze (plus 18 Prozent) neue Rekordwerte. Auf elf Prozent beschleunigte sich das Absatzwachstum der 16 größten Hersteller. Allerdings dürfte es schwieriger werden, die hohen Fahrzeugpreise weiterhin praktisch ohne Rabatte am Markt durchzusetzen.
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Die meisten Autokonzerne konnten ihre Profitabilität zuletzt auf einem sehr hohen Niveau halten. Mercedes-Benz führt mit einer Marge von 13,04 Prozent knapp vor Kia (12,97 Prozent). BMW liegt mit einer Gewinnmarge von 11,7 Prozent auf dem dritten Platz. Stellantis hat keine Gewinnzahlen für das zweite Quartal veröffentlicht, erzielte aber im ersten Halbjahr eine Marge von 13,8 Prozent.
Kommt die Trendwende noch dieses Jahr?
Die Produktion läuft bei den meisten Unternehmen auf Hochtouren. Die Auftragsbestände werden abgearbeitet, und es wird zu Höchstpreisen geliefert. Alle großen Unternehmen haben ihre Gewinne gesteigert, mit Ausnahme von Tesla und Ford. Bei den Margen mussten nur drei einen Rückgang hinnehmen.
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"Wir könnten allerdings noch heuer eine Trendumkehr erleben", so EY-Experte Axel Preiss. "Die Zeit der Traummargen wird für viele Unternehmen bald vorbei sein." Ist das Auftragspolster erst einmal abgebaut, würden die Autobauer mit der aktuellen Konjunkturschwäche, sinkender Nachfrage, Preisdruck und Überkapazitäten zu kämpfen haben. "In diesem Umfeld wird es schwieriger, die hohen Fahrzeugpreise am Markt durchzusetzen und auf Rabatte zu verzichten", sieht Preiss einen Silberstreif am Horizont für potenzielle Autokäufer, die nicht über den größten Geldbeutel verfügen.
Heimische Zulieferer fallen im Wettbewerb zurück
Österreichische und deutsche Automobilzulieferer verlieren im internationalen Wettbewerb hart erkämpfte Weltmarktanteile. Das ist das Ergebnis der aktuellen „Automobilzulieferer-Studie” von Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC.
Demnach wuchsen deutsche Zulieferer 2022 durchschnittlich nur 13%. Weit abgeschlagen hinter dem restlichen Europa (21 Prozent), Asien (23 Prozent) und Amerika (25 Prozent) bilden sie damit das weltweite Schlusslicht. Auch bei der Profitabilität belegen sie mit einer EBIT-Marge von 3,9% den letzten Platz. Ihre ohnehin ungünstigen Kostenstrukturen konnten sie kaum verbessern. Die Folge: Seit 2019 haben die deutschen Zulieferer 2,7 Prozentpunkte ihres Weltmarktanteils verloren - so viel, wie sie zuvor in 20 Jahren mühsam aufgebaut hatten. Gleichzeitig nimmt der Kapitalstock der deutschen Zulieferer seit Jahren ab, was ein Indikator für drohende weitere Marktverluste sein könnte.
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Weltweit hat die Zulieferindustrie die Trendwende geschafft. Zumindest beim Umsatz knüpft sie an die erfolgreichen Zeiten vor den vergangenen Krisen an. Im Jahr 2022 konnten die weltweit führenden Zulieferer ihren Umsatz um durchschnittlich 20 Prozent steigern. Der österreichische Zulieferer Benteler legte sogar um 22,91 Prozent zu. Da sie die inflationsbedingten Kostensteigerungen kaum an die Automobilhersteller weitergeben konnten, sind die Margen aber nach wie vor niedrig. Im Vergleich zum Vorjahr sind sie sogar um 0,5 Prozentpunkte gesunken.
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Im Zuge des globalen Wettbewerbs drängen immer mehr Anbieter aus dem asiatischen Raum auf den Markt und verändern das Gesicht der Branche nachhaltig. Mit einem enormen Innovations- und Investitionsvorsprung im Bereich der Elektromobilität setzen sie die bisherigen Top-Lieferanten unter Druck und erobern sich mehr und mehr die vorderen Plätze in der Rangliste der umsatzstärksten Zulieferer. Zwei südkoreanischen Batterieherstellern ist auf Anhieb der Sprung unter die Top 30 gelungen, der chinesische Batteriehersteller CATL belegt bereits den zweiten Platz.
Top-Automobil-Zulieferer im DACH-Raum
Im Ranking der Top-Zulieferer aus dem deutschsprachigen Raum sichert sich Robert Bosch erneut den ersten Platz, gefolgt von ZF Friedrichshafen und Continental. Infineon klettert auf Platz 6 der DACH-Zulieferer, Benteler fällt von Platz 7 auf Platz 10 zurück.
- Robert Bosch, 88,2 Mrd. Euro, +12%
- ZF Friedrichshafen, 43,8 Mrd. Euro, +14,3%
- Continental, 39,4 Mrd. Euro, +16,7%
- Schaeffler, 15,8 Mrd. Euro, +14,1%
- TE Connectivity, 15,1 Mrd. Euro, +20,6%
- Infineon, 14,2 Mrd. Euro, +28,5%
- Mahle, 12,4 Mrd. Euro, +13,7%
- Freudenberg, 11,8 Mrd. Euro, +17,1%
- Vitesco, 9,1 Mrd Euro, +8,6%
- Benteler, 9,0 Mrd. Euro, +22,9%
Im Wachstumsfeld E-Mobilität zu spät
„Um wirtschaftlich vorne mitspielen zu können, kommt es in der Zuliefererbranche seit jeher auf Größe und Skaleneffekte an. Beides beherrschen die asiatischen Zulieferer in der aktuellen Transformationsphase am besten. Die deutschen Zulieferer hinken dagegen hinterher, weil sie im Wachstumsfeld Elektromobilität oft erst zu spät und zu kleinteilig aktiv geworden sind“, sagt Henning Rennert, Studienautor und Partner bei Strategy& Deutschland.
„Um nun aufzuholen, müssen die ehemaligen Platzhirsche wieder echte Innovationen vorantreiben, Skaleneffekte erzielen und zügig neue Wachstumsstrategien entwickeln. Zudem gilt es, das Wachstum in einem herausfordernden geopolitischen Umfeld abzusichern und wettbewerbsfähige, teilglobalisierte Lieferketten zu schaffen. “
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Im Kampf um die bröckelnden Marktanteile auf dem Weltmarkt setzen die deutschen Automobilzulieferer vor allem auf ihre traditionelle Innovationskraft. Sowohl absolut als auch relativ zum Umsatz liegen sie bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung nach wie vor an der Spitze. Trotz schwacher Ertragslage und geringem Umsatzwachstum investierten sie im vergangenen Jahr 15,9 Mrd. Euro, weit vor Asien mit 15,3 Mrd. Euro, Resteuropa mit 8,2 Mrd. Euro und Amerika mit 3,6 Mrd. Euro.
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„Die hiesigen Zulieferer investieren aktuell so viel wie noch nie in Forschung und Entwicklung. Damit diese Investitionen auch Früchte tragen, sollten sie ihre Technologieentwicklung allerdings noch stärker auf den Marktbedarf sowie die Situation im Wettbewerb ausrichten, statt längst gesetzten Trends wie im Batteriegeschäft hinterherzulaufen“, sagt Johannes Schneider, Partner bei Strategy& Österreich. „Die Kombination aus Innovationskraft, Produktreife und steiler Lernkurve, mit der sich die österreichischen und deutschen Zulieferer jahrzehntelang vom Wettbewerb abgehoben haben, verfängt auch heute noch. Diese alten Tugenden müssen nun fit für die Zukunft gemacht werden, um Innovation in Wachstum umzusetzen.“