Krieg in der Ukraine : "Kriegsabgabe": So will Russland die Industrie zur Kasse bitten

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Die Pläne für eine "Kriegsabgabe" der Industrie werden konkreter.

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Mehr als ein Jahr nach dem Einmarsch in die Ukraine treiben die russischen Behörden ihre Pläne für eine Sondersteuer für Unternehmen voran, mit der sie auf die Finanzprobleme im eigenen Land reagieren wollen. Wie viel Geld insgesamt eingenommen werden soll und wie hoch die Abgabe für einzelne Firmen ausfällt, werde Anfang April genau festgelegt, sagte Vize-Finanzminister Alexej Sasanow am Mittwoch. Zuvor war die Summe von seiner Behörde mit rund 300 Milliarden Rubel (3,7 Milliarden Euro) beziffert worden.

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Die neue Regelung solle Ende des Jahres in Kraft treten, hieß es weiter. Unternehmen aus der Öl- und Gasbranche sollen davon ausgenommen sein. Offiziell betont Moskau stets, es handele sich um eine freiwillige Einmalzahlung. Einige Beobachter bezweifeln dies jedoch. Auch hochrangige Wirtschaftsvertreter äußerten bereits Kritik. In nichtstaatlichen Medien ist auch immer wieder von einer "Kriegssteuer" die Rede. Damit wolle die Führung in Moskau das Loch im Staatshaushalt teilweise stopfen.

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Trotz hoher Öl- und Gaseinnahmen verzeichnete das flächenmäßig größte Land der Erde im vergangenen Jahr ein Haushaltsdefizit von 3,3 Billionen Rubel (rund 41 Milliarden Euro). In diesem Jahr drohen angesichts einer inzwischen eingeführten Ölpreisobergrenze noch deutlich höhere Verluste.

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Wegen hoher Rüstungsausgaben und sinkender Einnahmen aus dem Energieexport steuert Russland auch in diesem Jahr auf ein Staatsdefizit zu. Es werde höchstens zwei Prozent des BIP betragen, sagt Finanzminister Anton Siluanow. Experten sind skeptischer: Allein im Januar wurde ein Defizit von 1,76 Billionen Rubel (23 Milliarden Euro) gemeldet, das zum Teil auf sinkende Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft zurückzuführen ist. Analysten rechnen deshalb für das Gesamtjahr mit einem Haushaltsdefizit von bis zu 5,5 Billionen Rubel (69 Milliarden Euro). Das entspräche 3,8 Prozent des BIP - fast doppelt so viel wie geplant. Russland verkauft bereits Devisen im Wert von 8,9 Milliarden Rubel pro Tag, um das Defizit zu decken.

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Die Pläne für eine "freiwillige Kriegsabgabe" werden konkreter

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Haushaltsloch größer als ursprünglich erwartet

Russland ist in diesem Jahr von einem noch größeren Haushaltsloch bedroht als ohnehin befürchtet. Wie das Finanzministerium am Montag der russischen Nachrichtenagentur Interfax mitteilte, weist der russische Staatshaushalt nach den Monaten Januar und Februar bereits ein Defizit von 2,581 Billionen Rubel (32,3 Milliarden Euro) auf. Das sind bereits fast 90 Prozent des für das Gesamtjahr erwarteten Defizits von 2,925 Billionen Rubel (36,6 Milliarden Euro).

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Im gleichen Zeitraum des Vorjahres hatte Russland noch einen Überschuss von 415 Milliarden Rubel (5,2 Milliarden Euro) erzielt. Problematisch für den russischen Haushalt sind vor allem die wegbrechenden Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft. Diese gingen nach vorläufigen Berechnungen des Ministeriums um fast die Hälfte zurück. Dies hänge vor allem mit dem gesunkenen Ölpreis und dem geringeren Export von Erdgas zusammen, teilte das Finanzministerium mit.

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Am Montagmorgen kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im Mai 85,33 US-Dollar. Wegen des Angriffskriegs von Kremlchef Wladimir Putin gegen die Ukraine haben westliche Industriestaaten allerdings russisches Rohöl und inzwischen auch Ölprodukte aus Russland gedeckelt. Öl der russischen Marke Urals wird daher mit einem deutlichen Abschlag gehandelt. Im Durchschnitt wird Moskau laut Medienberichten sein Urals-Öl nur für rund 50 Dollar pro Barrel los.

Auch der Preis für Erdgas sinkt weiter

Der Preis für Erdgas sinkt weiter. Am Montag ist der Marktpreis zum ersten Mal seit Mitte des Jahres wieder unter die Marke von 40 Euro pro Megawattstunde (MWh) gefallen. Der richtungsweisende Terminkontrakt TTF zur Lieferung in einem Monat fiel am Vormittag bis auf 39,65 Euro. Das ist der tiefste Stand seit Juli 2021.

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Wegen des Krieges Russlands gegen die Ukraine waren die Erdgaspreise im vergangenen Jahr drastisch gestiegen. In der Spitze wurden Preise von mehr als 300 Euro gezahlt, nachdem Erdgas lange Zeit um die 20 Euro pro MWh gekostet hatte. Die hohe Abhängigkeit von russischem Gas hatte zu einer Energiekrise geführt.

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In den letzten Monaten ist der Erdgaspreis jedoch deutlich gesunken. Ein Grund sind die gut gefüllten Erdgasspeicher, hinzu kommt die tendenziell warme Witterung. Schließlich dürfte auch die Angst vor einer Bankenkrise in die gleiche Richtung wirken, da Finanzkrisen in der Regel mit konjunkturellen Belastungen und damit einer geringeren Energienachfrage einhergehen.

Gold-Verkäufe sollen Lücken schließen

Moskau hat im Januar seine Gold- und Währungsreserven in chinesischen Yuan angezapft, um Lücken im Staatshaushalt zu stopfen. Insgesamt seien 2,27 Milliarden Yuan (rund 309 Millionen Euro) sowie 3,6 Tonnen Gold verkauft worden, teilte das russische Finanzministerium laut der staatlichen Nachrichtenagentur TASS mit. "Die dadurch erzielten Mittel wurden zur Deckung des Defizits auf das Konto des Staatshaushalts überwiesen", wurde mitgeteilt.

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Das Januar-Loch im Staatshaushalt habe eine Größe von 1,76 Billionen Rubel (23 Milliarden Euro). Insgesamt seien 3,1 Billionen Rubel (rund 40 Milliarden Euro) ausgegeben worden, 59 Prozent mehr als im Januar des Vorjahres. Gründe für die Mehrausgaben nannte das Ministerium nicht. Die Einnahmen des Staatshaushalts aus dem Öl- und Gasgeschäft sind im Vergleich zum Januar 2022 um 46 Prozent zurückgegangen. Nach Angaben des Finanzministeriums verfügt Russland derzeit über Reserven in Höhe von 10,4 Milliarden Euro, 307,4 Milliarden Yuan und 551,2 Tonnen Gold.

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