Klaus Rinnerberger : Leoni-Sanierungskonzept: Vertrauter von KTM-Chef Stefan Pierer wird neuer CEO

Klaus Rinnerberger wird neuer CEO bei Leoni

Klaus Rinnerberger, Vertrauter von KTM-Chef Pierer, wird neuer CEO bei Leoni.

- © Pierer Mobility

Das Konzept für die Sanierung des Automobilzulieferers Leoni steht. Mit Banken, Schuldscheingläubigern und Bürgen sei ein Paket vereinbart worden, das einen vollständigen Kapitalschnitt für die Aktionäre, einen Teilverzicht der Gläubigerbanken und die Übernahme durch den österreichischen Großaktionär Stefan Pierer vorsehe, teilte Leoni am Montag mit. Nachfolger von Aldo Kamper, der Leoni kürzlich verlassen hatte, wird Klaus Rinnerberger als Vorstandsvorsitzender.

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Der österreichische Industrieexperte Klaus Rinnerberger sitzt ab 2021 im Aufsichtsrat des deutschen Autozulieferers Leoni und löst den Sanierer Dirk Kaliebe ab. Rinnerberger ist seit 2010 Vorstand des oberösterreichischen Motorradherstellers Pierer, der nach wie vor größter Einzelaktionär des fränkischen Autozulieferers ist. "Es ist kein Geheimnis, dass wir vor ein paar besonderen Monaten stehen", sagte Leoni-Aufsichtsratschef Klaus Rinnerberger im Januar.

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Nach Abschluss seines Studiums der Rechtswissenschaften in Wien begann Klaus Rinnerberger seine berufliche Laufbahn 1987 als Wirtschaftsprüfer und Berater bei Arthur Andersen & Co. Danach war er in verschiedenen leitenden Funktionen in der Automobilindustrie tätig, unter anderem als Vorstandsmitglied der Magna Automobiltechnik AG und der Magna Steyr AG. Im Jahr 2009 wechselte er in den Vorstand der Polytec Holding AG und war nach der Ausgliederung der Peguform aus der Polytec bis zu deren Verkauf CEO der Peguform Gruppe.

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Wie KTM-Chef Pierer Leoni retten will

Der oberösterreichische Unternehmer Stefan Pierer (Pierer Mobility/KTM) will den in Schieflage geratenen deutschen Automobilzulieferer Leoni retten und als Alleineigentümer übernehmen. Nach dem Konzept steigt Pierer über eine Kapitalerhöhung mit 150 Millionen Euro bei Leoni ein und wird dann alleiniger Gesellschafter. Die übrigen Aktionäre des Bordnetzzulieferers gehen leer aus. Ihre Anteile werden auf Null gesetzt, das Nürnberger Unternehmen wird von der Börse genommen. Dieser Schritt ist nach Angaben des Unternehmens auch ohne Mehrheitsbeschluss einer Hauptversammlung möglich, wenn ein Großteil der übrigen Gläubiger zustimmt.

Mit der Zustimmung von Banken, Schuldscheingläubigern und Bürgen - darunter die Länder Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sowie der Bund - sei eine ausreichende Mehrheit für einen Sanierungsbeschluss nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -umstrukturierungsgesetz gewährleistet.

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Das Konzept sieht vor, dass nur etwa die Hälfte der 1,5 Milliarden Euro Schulden bei Leoni verbleiben. Der Rest geht in eine Gesellschaft über, die vom neuen Leoni-Eigentümer Stefan Pierer kontrolliert wird. Die Gläubigerbanken sollen über ein Wertaufholungsinstrument am Unternehmenserfolg beteiligt werden.

Pierer hat die insolvente Firma KTM 1992 für rund 3,5 Millionen Euro gekauft. Das Motorradwerk stellte damals im Innviertel 6000 Motorräder im Jahr her mit 150 Mitarbeitern. Heute ist KTM mit 6000 Mitarbeitern und rund 340.000 Motorrädern Europas größter Zweiradhersteller. Ab 1. Mai ist Pierer sogar im Aufsichtsrat von Mercedes.

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Ich plane als Ankerinvestor schon eine aktive Rolle.
Stefan Pierer

Stefan Pierer will den angeschlagenen Zulieferer Leoni übernehmen und sanieren

- © Pankl

Was beabsichtigt Stefan Pierer mit Leoni?

Das Geschäftsmodell, die Verkabelung von Automobilen ist in Zeiten der Vernetzung und Digitalisierung von Fahrzeugen ein starkes Wachstumsgeschäft. Das Unternehmen stellt Kabelbäume für die Autoindustrie her, die vor allem in Handarbeit, insbesondere in Osteuropa und Nordafrika produziert wird. Und: Leoni gilt in der deutschen Automobilbranche als Systemrelevant. Als nach dem Einmarsch Russlands zwei Werke in der Ukraine die Produktion einstellen mussten, standen auch in der deutschen Automobilindustrie die Bänder still.

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Diese Systemrelevanz ist mit ein Grund, warum Banken und Automobilhersteller das Unternehmen durch viele Verlustjahre getragen haben. Leoni hatte sich bei seinem Wachstumskurs Mitte der 2010er Jahre übernommen – und den Schuldenberg seit vielen Jahren mitgeschleppt.

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Eine Entschuldung von Leoni könnte Pierer mit diesem Deal jetzt herbeiführen. Was der Sanierer Pierer mit Leoni strategisch vorhat, liegt auch auf der Hand. Seit Jahren fordert er als Minderheitsaktionär vom Management Tempo beim Umbau. „Leoni ist riesengroß geworden und zu wenig fokussiert. Da sind viele Teile, die man in der Zukunft nicht braucht und die andere besser benötigen. So kann man eine verkleinerte, schlagkräftige Unternehmung formen“ ließ Pierer schon 2021 dem Management ausrichten.

Seither sind alle Bemühungen des Managements zur Verkleinerung ins Leere gegangen. Zuletzt ist auch der Verkauf der Industriekabelsparte gescheitert, der 400 Millionen Euro zur Bedienung von Bankschulden in die Kassen spülen hätte sollen. Ob die Übernahme Pierers in dieser Form klappen wird, ist noch unklar. Sie hängt zu Redaktionsschluss letztlich an der Rückzahlung von Staatsbeihilfen. Denn während Bankgläubiger teilweise bedient werden, gehen neben den Aktionären nach dem derzeitigen Plan auch die drei deutschen Bundesländer, die Leoni Corona-Staatshilfe leisteten, leer aus.

Leoni-Werk in der ukrainischen Stadt Stryj

- © Leoni

Widerstände bei den Gläubigern

Mit der Zustimmung von Banken, Schuldscheingläubigern und Bürgen - darunter die Länder Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sowie der Bund - sei eine ausreichende Mehrheit gewährleistet, um eine Sanierungsentscheidung nach dem Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz herbeizuführen. Der bayerische Kabel- und Bordnetzspezialist ist hoch verschuldet und braucht seit längerem dringend frisches Geld. Der Umsatz lag 2022 bei 5,1 Milliarden Euro.

Leoni war eines der ersten Unternehmen, das im Zuge der Corona-Pandemie Staatshilfe in Anspruch genommen hatte. Der Bund und die Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen hatten eine Bürgschaft in Höhe von 300 Millionen Euro übernommen. Die nun geplante Rettungsmaßnahme geht über den Anfang Februar angekündigten Kapitalschnitt hinaus. Dabei hätten die Aktionäre einen Großteil ihres Einsatzes verloren. Jetzt sollen sie komplett leer ausgehen.

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Die Aktie machte zwar nach Bekanntwerden der Nachricht einen spekulativen Sprung nach oben. Allerdings war der Kurs im Zuge der Krise in den vergangenen eineinhalb Jahren von über 17 Euro in den Cent-Bereich abgestürzt. Am Montag lag der Kurs zwischenzeitlich bei 0,46 Euro.

Nach Bekanntwerden der Nachricht machte die Aktie einen spekulativen Sprung nach oben.

- © Google

"Einzige verbleibende Sanierungslösung"

"Bei diesem Sanierungskonzept handelt es sich aus Sicht des Vorstandes um die einzige verbleibende Sanierungslösung", hieß es in der Mitteilung. Die Verhandlungen mit Pierer und den Gläubigern seien weit fortgeschritten, eine Einigung werde kurzfristig erwartet.

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Die Aktien von Leoni befinden sich zu rund drei Vierteln im Streubesitz. Größter Einzelaktionär ist mit einem Anteil von rund 20 Prozent die österreichische Pierer-Gruppe. "Diese hat erklärt, unter bestimmten Bedingungen einen deutlichen Sanierungsbeitrag im Rahmen der Eigenkapitalzuführung leisten zu wollen", hatte Leoni bereits Anfang Februar nach dem geplatzten Verkauf eines Unternehmensteils mitgeteilt.

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Die Pierer-Holding hat ihren Anteil an Leoni in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgebaut. Nach der Übernahme von zehn Prozent der Anteile vor rund zwei Jahren wollte Stefan Pierer die Restrukturierung vorantreiben. "Ich plane dort als Ankerinvestor schon eine aktive Rolle", sagte Pierer damals der "Automobilwoche". "Es gibt ja noch keinen Ankerinvestor bei Leoni, und börsennotierte Unternehmen ohne Ankerinvestor sind manchmal schwer zu steuern." Eine Übernahme weiterer Anteile, wie sie dann auch erfolgte, schloss er nicht aus. Eine Komplettübernahme ließ Pierer im März 2021 aber noch offen: "Dafür ist es noch zu früh."

Leoni drückt nach eigenen Angaben eine Nettofinanzverschuldung von rund 1,5 Milliarden Euro. Zur Teiltilgung hätten die Erlöse aus dem Verkauf der profitablen Kabelsparte dienen sollen. Diese hätten nach den Plänen rund 400 Millionen Euro in die Leoni-Kasse gespült. Nach dem Ausstieg des thailändischen Investors im Dezember war mit den Kreditgebern zunächst ein Moratorium vereinbart worden.

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Der börsennotierte Konzern, der rund 100.000 Mitarbeiter in 28 Ländern beschäftigt, hatte damals unter anderem eine Staatsbürgschaft in Höhe von 330 Millionen Euro erhalten. Gerade als es wieder aufwärts zu gehen schien, kam die Halbleiterkrise und die vorübergehende Schließung von zwei Kabelsatzwerken in der Ukraine aufgrund des Krieges.

Leoni ist führend in der Entwicklung und Herstellung von vorgefertigten Kabelbäumen und hat alle erforderlichen Verfahren und Vorrichtungen selbst entwickelt.

- © Leoni

CEO Aldo Kamper verlässt das Unternehmen überraschend

Leoni stellt Kabel- und Netzwerklösungen für die Automobilindustrie her, darunter auch Kabelbäume. Ein Teilverkauf, der 400 Millionen Euro in die Kasse spülen und wesentlich zur Entschuldung beitragen sollte, war Ende letzten Jahres gescheitert. Nach Angaben des Unternehmens ist das Geschäftsmodell solide, Grund für die Schieflage sei vor allem die hohe Verschuldung.

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Der angeschlagene Zulieferer hat 2022 vor Sondereffekten einen knappen operativen Gewinn erzielt. Allerdings brach der operative Gewinn gegenüber 2021 (130 Millionen Euro) um 119 Millionen Euro auf rund 11 Millionen Euro ein. Erwartete Wertberichtigungen aus der Sanierung sind darin noch nicht enthalten. Im Rahmen der laufenden Sanierung wird ein erheblicher Wertberichtigungsbedarf erwartet, der das Ergebnis mit einem niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionenbetrag belasten könnte. Auch der Cashflow war im vergangenen Jahr nur dank eines Verkaufserlöses von 278 Millionen Euro positiv und betrug rund 126 (Vorjahr minus 12) Millionen Euro.

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Für das Geschäftsjahr 2023 erwartet Leoni bei einer erfolgreichen Refinanzierung, die Pierer nun auf den Weg bringt, einen Umsatz von rund 5,5 Milliarden Euro, ein Ebit vor Sondereffekten im hohen zweistelligen Millionenbereich und einen ausgeglichenen Free Cashflow, der nach Finanzierungskosten allerdings auch 2023 deutlich negativ sein wird. "Die im Jahr 2022 gezeigte operative Entwicklung reicht trotz der Fortschritte nicht aus, um die Zinsen und Leasingsaufwände zu tragen", erklärte Leoni bei der Vorlage der Zahlen für das vergangene Jahr.

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Mitten in der Sanierung hatte Leoni-Vorstandschef Aldo Kamper überraschend seinen Hut genommen. Der 52-jährige Niederländer verlässt das Unternehmen Ende März, er stand seit 2018 an der Spitze. Er wechselt zum österreichischen Lichttechnik-Konzern AMS Osram. Ein Nachfolger steht noch nicht fest. Die Pierer-Holding hält auch die Mehrheit am Motorradhersteller Pierer Mobility ("KTM"), am Rennsportzulieferer Pankl Racing sowie am anderen deutschen Autozulieferer SHW.

Im Januar hatte der Aufsichtsrat von Leoni den Restrukturierungsexperten Hans-Joachim Ziems in den Vorstand von Leoni berufen. Ziems hatte Leoni bereits in den Jahren 2020 und 2021 aus einer schwierigen Situation geführt.

Leoni-Chef Aldo Kamper verlässt das Unternehmen Ende März überraschend.

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