Fisker Magna Steyr : Die Magna-Story: Thondorfer Spitzen

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© APA/ERWIN SCHERIAU

Was für Kremlforscher die Analyse der Rangordnung auf der Ehrentribüne des Roten Platzes war, ist im heimischen Wirtschaftsjournalismus die Beobachtung der Parkplatzsituation vor dem Vorstandsbür oder Steyr Magna in Graz-Thondorf. Früher einmal parkten hier vor allem Fiat-, Lancia- und Alfa-Romeo-Limousinen – für einen Generalimporteur von Fiat waren das wohl die naheliegendsten Dienstwagen. Die Kunden fuhren Audis mit Ingolstädter oder Wolfsburger Kennzeichen. Dann begann die Mercedes-Phase.

(Dieser Artikel der Jubiläumsserie 20 Jahre INDUSTRIEMAGAZIN erschien in der Ausgabe vom Dezember 2000.)

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BMW-Fertigung bei Magna Steyr: Erfolgsgeschichte mit 230 Mio. Euro Investition

Erst tauchten die Stuttgarter als Gäste auf – man baute schließlich gemeinsam den Puch/ Mercedes G. Als dann Ende der 90er Jahre schon die M-Klasse und der Jeep Grand Cherokee hier vom Band rollten, konnten auch die Grazer Vorstände und Ingenieure einen Stern auf ihren Firmenautos herumführen. Seit einigen Monaten sickern Fahrzeuge mit dem Blau-weiß-Emblem auf der Kühlerhaube ein. Immer häufiger stehen Dreierund Fünfer-BMW vor den nüchternen Verwaltungsgebäuden. Dass da etwas im Busch war, ließ sich nicht wirklich mehr verheimlichen. Magna Steyr hat als erster Außenstehender einen umfassenden Auftrag zur Entwicklung und zum Bau eines BMWFahrzeuges erhalten: Ab 2004 werden in Graz täglich bis zu 300 allradgetriebene X3 „Sports Activity Vehicles“ gebaut werden – das könnten 70.000 Autos pro Jahr werden.

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Die Investitionssumme dafür beträgt rund 230 Millionen Euro (3,16 Milliarden Schilling), als jährliches Volumen geben US-Börseanalysten Umsätze von rund einer Milliarde Dollar an. Etwa 3000 zusätzliche Jobs sollte der Auftrag bis 2004 den Grazern bringen, und die Ingenieursarbeit geht schon jetzt los. Dabei brummt das Werk schon ohne diesen Großauftrag – und trotz international schwacher Autokonjunktur. Der Belegschaftsstand in Graz liegt in der Gegend des All-Time-High, als hier noch Fahrräder, Mopeds und militärische Geländewagen gebaut wurden. „Es war eine gewaltige Entwicklung“, berichtet Angestelltenbetriebsrat Franz Krisper. Inklusive 500 Leiharbeitern sind in Graz heute knapp 6000 Menschen beschäftigt – davon 1000 Ingenieure. Zählt man die Komponentenwerke vor den Toren der Stadt dazu, kommt man auf beinahe 7500. Am Ende der Krise von Steyr- Daimler-Puch 1993 waren es bloß wenig mehr als 2600 gewesen.

Magna Steyr Graz: Automobilfertigung seit den 90er Jahren

Wenn Magna Steyr seit dem Sommer in Graz verstärkt Mitarbeiter aufnahm – obwohl sich die Gewitterwolken bereits über der Autoindustrie zusammenzogen –, so hat das spezifische Gründe. „Wir sind eher im Premiumsegment tätig“, erklärt Hubert Hödl, Magna-Steyr-Vertriebsvorstand. „Das ist nicht ganz so anfällig.“ Im Einzelnen waren es ziemlich spezielle Entwicklungen, die den Grazern ihre Bänder füllten: Im 22. Produktionsjahr – nach etwa 150.000 gebauten Einheiten – erlebt der kantige Geländewagen Mercedes (einst Puch) G einen späten zweiten Frühling.

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Seit Sommer wird eine zweite Schicht gefahren, die heurigen Produktionszahlen des teuren Fahrzeugs werden mehr als 6000 betragen – gegenüber jeweils rund 4000 in den letzten Jahren. Die Gründe dafür sind neue Motoren und neue Märkte: Mit einem mächtigen Benzin-Achtzylinder und einer aufgewerteten Luxusausstattung wird der G von DaimlerChrysler erstmals in den USA verkauft – mit gutem Erfolg. Neue Fünf- und Achtzylinderdiesel haben in Europa einen Schub gebracht.

Das geplante Magna Werk in Kechnec, Slowakei
Geschichte der Entwicklung von Magna Steyr – Die Mercedes E-Klasse erlebt einen beeindruckenden Wandel mit dem Übergang von Zwei- auf Dreischichtbetrieb. Herfried Teschl, Sprecher von Magna Steyr, betont die Rolle des Unternehmens als Nischenproduzent und erläutert die Anpassungen während des Serienauslaufs. - © MAGNA

Mercedes E-Klasse im Fokus: Magna Steyr setzt auf Nischenproduktion

Die Mercedes E-Klasse stellt in diesem Herbst von Zwei- auf Dreischichtbetrieb um. „Hier sieht man unsere Rolle als Nischenproduzent“, erklärt Herfried Teschl, Magna-Steyr-Sprecher. „Wir haben in den letzten Jahren schon neben dem allradgetriebenen 4matic gelegentlich konventionelle 2x4-Limousinen gebaut, wenn Sindelfingen nicht mehr nachgekommen ist. Jetzt fertigen wir die E-Klasse beim Serienauslauf, und in Deutschland können sie das Werk in Ruhe auf das neue Modell umstellen.“

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Die Mercedes M-Klasse hat ebenfalls einen neuen Dieselmotor erhalten und verkauft sich gut. Lediglich beim Jeep Grand Cherokee, der vom selben Band läuft, gab es einen leichten Rückgang, der Neuheitseffekt nach der Markteinführung ist weg. Analystenlob. Mit dieser Sonderkonjunktur ist Steyr im Magna-Konzern, zu dem es seit 1998 gehört, kein Einzelfall. Zwar hat Magna-Gründer und Hauptaktionär Frank Stronach im Geschäftsbericht 2000 schon mit einem Nachlassen der Autofertigung in den USA von zehn Prozent, in Europa von fünf Prozent gerechnet.

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Wie viele Niederlassungen hat Magna?

Magna International ist weltweit in 28 Ländern präsent und betreibt 339 Produktionsstätten sowie 89 Zentren für Produktentwicklung, Engineering und Vertrieb. In Österreich verwaltet Magna mehrere Betriebe, darunter auch in Graz, wo Magna Steyr über 9.500 Mitarbeiter aus 74 Ländern beschäftigt. Auf globaler Ebene unterhält die Magna-Gruppe zahlreiche Niederlassungen in Nordamerika, Europa, Asien und anderen Regionen.

Wie entwickelte sich Magna International seit den 1990er Jahren?

Dennoch konnte sein globaler Multi – 68.000 Mitarbeiter, 10,5 Milliarden Dollar Umsatz, 811 Millionen Dollar Betriebsergebnis – noch im dritten Quartal 2001 die vorsichtigen Erwartungen der Analysten deutlich übertreffen. Merrill Lynch, Mitte November 2001: „Magnas Wachstum in einem schrumpfenden Markt spiegelt die ausgezeichneten Fundamentaldaten des Konzerns wider, und wir erwarten, dass dieser Trend andauert. Damit ist Magna eines der besten Unternehmen, das wir untersuchen.“ Stronach kehrt heim.

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Als Frank Stronach Anfang der neunziger Jahre seine Fühler erstmals nach Europa ausstreckte, sah das ein wenig nach amerikanischem Märchen aus. Der emigrierte Werkzeugmacher, der einst Lehrling bei Elin in Weiz gewesen war, hatte in Kanada und später in den USA einen gewaltigen Auto-Zulieferkonzern aufgebaut – nach Start in einer Garage. Und selbst als er 1997 in Österreich schon zwei Werke auf die grüne Wiese gesetzt hatte und nach der Übernahme des Teppichlieferanten Eybl klang seine Ankündigung im INDUSTRIEMAGAZIN- Interview noch immer ein wenig wolkig: „Wir werden hier noch einige Fabriken bauen.“ Den Mund hatte er nicht zu voll genommen.

Zählte er 1994 in ganz Europa noch gerade 800 Mitarbeiter, so stellt sich Magna International heute wirklich dem Namen entsprechend auf: Die Wachstumsraten waren enorm, 23.000 Menschen arbeiten mittlerweile in den europäischen Werken des Konzerns – bauen Autospiegel und Armaturenbretter, pressen Blechteile und spritzen Kunststoffstoßstangen. Sie liefern Audi, BMW und Mercedes zu, Ford, Jaguar, Smart und Chrysler. Ihre Fabriken stehen in Frankreich und Deutschland, in Polen und Tschechien, in Spanien, England und Österreich. Keine Blechpresser. In der technokratischen Sprache der Automobilhersteller spielt dabei Magna in zwei Klassen, in jenen der so genannten Tier-One- und Tier-Two-Zulieferer.

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Das heißt, die Produkte der Magna- Werke werden entweder direkt an die Automobilfabriken geliefert – schon in Form ganzer Komponenten oder Baugruppen wie etwa Instrumentenbretter, Türinnenteile oder Spiegel. Oder aber zwischen ihnen und dem Autobauer gibt es nur einen Direktzulieferer, dem sie ihrerseits Schlüsselteile oder Baugruppen verkaufen. Ganz am unteren Ende der Lieferantenkette – also beim von der Wertschöpfung her wenig interessanten Herunterpressen oder –stenzen simpler Plastik- oder Eisenteile – ist Magna kaum vertreten. Aber es ging noch höher. Als 1998 die Creditanstalt nach der Übernahme durch die Bank Austria ihren Industriekonzern auf den Markt warf und Steyr-Daimler-Puch zu haben war, überlegte Stronach nicht lange. Zwar war SDP nicht sonderlich profitabel, aber ins globale Portfolio von Magna passte der kleine Mischkonzern.

Wer ist jetzt der Chef von Magna Steyr?

Günther Apfalter übernimmt wieder den Posten als Präsident von Magna Steyr, nachdem Frank Klein das Unternehmen verlassen hat. Apfalter ist bereits seit 2001 bei Magna und hatte verschiedene Führungspositionen inne.

Magna Steyr: Von der Garage zum Milliardenkonzern

Die gegenseitigen Vorteile schienen so offensichtlich, dass man kaum an ihnen vorbeikonnte: Magna war in Nordamerika stark und expandierte kräftig nach Europa, wo Steyr als Assembler und Zulieferer von Allradkomponenten bereits einen guten Namen hatte. Magna seinerseits versuchte, quer über seine Produktpalette die Wertschöpfung zu erhöhen, dies vor allem durch eigene Entwicklungs- und Ingenieursarbeit. Steyr wiederum verfügte über hochqualifizierte Ingenieure, die – mit Ausnahme des Motors – über Kompetenzen für praktisch alle Teilsysteme des Autos verfügen.

„Die haben in den schlechten Jahren intensiv entwickelt und vieles nicht mehr umsetzen können“, kommentiert ein Firmenkenner. „Da hat es große stille Reserven gegeben, die Magna schnell nutzen konnte.“ Die Amerikaner und Kanadier legten einmal ihre Maßstäbe an, die sie gewohnt waren. „Natürlich war das ein Paradigmenwechsel“, erzählt ein Topmanager in Graz. „Wir haben eine Bank als Eigentümer gehabt. Die haben ihre Berichte gekriegt und waren zufrieden. Der neue Eigentümer hat sich in unserem Geschäft ausgekannt und sehr gezielt und hart nachgefragt.“ Berichtet wurde von Chefsitzungen, wo die neuen Machtverhältnisse erst einmal klargestellt wurden, und auch die Betriebsräte mussten „lange argumentieren, dass man uns braucht“, erinnert sich Angestellten-Vertreter Krisper.

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„Sie haben uns nie direkt angegriffen, aber es wäre ihnen lieber gewesen, wir wären nicht da.“ Nach einer kurzen Bestandsaufnahme wurde in Steyr schnell mit der Arbeit begonnen. Erst erfolgte die strategische Klärung, wohin man mit dem Assembling ganzer Automobile wollte. „Ich weiß noch, ganz am Anfang, als ich gekommen bin, war noch nicht klar, ob wir uns ausschließlich Daimler Chrysler widmen sollten“, berichtet Vertriebsvorstand Hödl. Kurz zuvor hatten Daimler-Benz und Chrysler fusioniert, für Steyr war aus zwei unabhängigen Kunden plötzlich nur einer übrig geblieben. Und der große Entwicklungsauftrag für Audi, der TT, mündete in keine Produktion, diese wanderte ins Niedriglohnland Ungarn.

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Die mittelfristige Abhängigkeit von einem großen Auftraggeber schien besiegelt. Aufträge bis 2010. „Wir haben damals wichtige strategische Weichen gestellt“, so Hödl. „Wir wollten für mindestens drei große Automobilfirmen assemblieren, und wir wollten Aufträge bis 2010 absichern. Das ist uns gelungen.“ So konnte der Nachfolgeauftrag der Mercedes E-Klasse 4matic gewonnen werden – er reicht bis 2010. Im Gegensatz zum letzten Modell, das nachträglich in Graz auf Allrad adaptiert wurde, entwickelt man jetzt schon simultan mit den Stuttgartern. Ab 2003 wird in Graz das Saab Cabrio gebaut, selbst entwickelt von der so genannten Epsilon-Plattform von General Motors, auf der auch der Opel Vectra aufbaut. Und schließlich wird 2004 der BMW X3 vom Band rollen – ebenfalls in Graz nach Vorgaben der Münchner selbst entwickelt.

Magna Steyr erreicht volle Kapazitätsauslastung

Die gesamte Autoproduktion von MagnaSteyr – derzeit bei etwa 80.000 bis 85.000 Einheiten pro Jahr – könnte dann in Richtung Vollauslastung der eigenen Lackiererei gehen – diese gäbe 150.000 Stück her. Lediglich der Jeep Grand Cherokee läuft – nach jetzigem Stand – 2004 aus. Räder und Wellen. Aber wenn auch das Zusammenbauen ganzer Automobile am spektakulärsten ist, Graz hat immer schon Geld mit spezifischen Komponenten verdient (siehe Kasten „Nur der Name bleibt“). Und Magna hat - selbst seit vielen Jahren im Komponentengeschäft – diese Talente schnell erkannt und gefördert. Unter dem Namen „Powertrain“ – Antriebsstrang – lagerte man die Komponentenfertigung aus. In der Steiermark wurden drei neue Werke auf die grüne Wiese gestellt, jeweils ein weiteres in den USA und in Mexiko – für die dortigen Kunden von Magna.

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Nach der Entwicklungsarbeit in Graz baut man hier Allradgetriebe – etwa für Land Rover und Renault Scénic 4x4 oder Ausgleichswellen für die Vierzylindermotoren von BMW, Audi und Opel. Allein 1500 Menschen sind damit beschäftigt, die Auftragsstände gut. Ordnung ins Wirrwarr. Magna wuchs nicht nur in Europa in den letzten Jahren rapide, auch in den USA wucherte der Konzern in alle Richtungen. In den vergangenen Jahren ist daher eine gewisse Systematisierung und Glättung des Portfolios angesagt. Die mehr als 160 – oft relativ kleinen – Produktionsstätten und 33 Entwicklungszentren in 18 Ländern werden nach ihren Produkten und Kunden geordnet. Die Automobilaktivitäten – es gibt auch Branchenfremdes wie Wettfirmen – werden in vier großen Gruppen zusammengefasst – manche von ihnen sind bereits trotz Kapitalmehrheit von Magna auch zusätzlich an Börsen notiert. Decoma befasst sich mit Außenteilen am Auto, also etwa Stoßfängern, Hardtops oder Heckklappen. Es können auch ganze komplexe Module sein, so genannte Front oder Rear Ends. Intier fasst alle Baugruppen im Wageninneren zusammen, vom Armaturenbrett bis zum Türmodul, von Bodenbelägen bis zu Mittelkonsolen.

Tesma erzeugt Motorteile, Tanksysteme und Getriebekomponenten. Eine – noch – etwas unklar definierte vierte Gruppe enthält Spiegelfabrikation (Mirror Systems) sowie Metallpressteile und Hightech-Hydroformteile (Cosma). Diese Neustrukturierung eines riesigen multinationalen Konzerns sieht auf dem Reißbrett leichter aus als in der Wirklichkeit. So wehrt sich etwa ein früherer Topmanager des Stahl verarbeitenden Tochterunternehmens Cosma dagegen, dass man ihm profitable Betriebsteile anderswo angesiedelt hatte.

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Er klagt Magna auf 70 Millionen Dollar, der Konzern antwortet mit Gegenklagen, berichtet die kanadische ZeitungGlobe and Mail. Die Position der Österreicher. Steyr-Daimler- Puch ist unter den vielen Magna-Unternehmen eine Besonderheit, nicht nur wegen des hohen Ingenieuranteils. Stronach organisierte seine einzelnen Werke stets klein – auch um die Gewerkschaften draußen zu halten. Steyr ist ein vergleichsweise großer Brocken, und Steyr wurde von der Wiener Börse genommen, um es an interessanteren Kapitalmärkten wieder anzudocken. Das passiert jetzt mit Jahreswechsel 2001/2002. Stronach hat dazu den Weg der Verschmelzung mit einer bereits börseonotierten Gruppe gewählt, der Tesma, die sich – im Zulieferbereich – mit ähnlichen Technologien befasst wie Steyr. Tesma notiert in Toronto und an der amerikanischen NASDAQ. Mit 4500 Mitarbeitern und Umsätzen von 11,66 Milliarden Schilling (847 Millionen Euro) ist sie weniger als halb so groß wie Magna Steyr mit knapp 10.000 Mitarbeitern und Umsätzen von 33 Milliarden Schilling (2,39 Milliarden Euro). Aber bei den Erträgen liegt die Tesma- Gruppe deutlich voran, so dass für die Verschmelzung eine Bewertung von 47,5 Prozent für Tesma und 52,5 Prozent für Magna Steyr an der künftigen Magna Steyr Inc. festgelegt wurde. Das hat seine Gründe einerseits im rasanten Um- und Aufbau in Österreich (siehe Wolf-Interview Seite 26). Überdies sind die Gewinnmargen im Auto- Assembling insgesamt niedriger als bei der Komponentenfertigung: Ein sehr großer Anteil an umsatzrelevanten Teilen läuft quasi bloß durch und kann nur – ähnlich wie im Handel – mit kleinen Aufschlägen versehen werden.

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Dennoch gibt Siegfried Wolf, der künftige Chief Executive Officer, der neuen Gruppe große Chancen, an den Entwicklungen des Automobil-Zuliefermarktes weltweit mitpartizipieren zu können. Es gehe vor allem darum, bei der gerade stattfindenden Auslagerung des gesamten Antriebsstranges dabei zu sein – einem Volumen von 185 Milliarden US-Dollar, von dem Magna Steyr Inc. fünf bis zehn Milliarden für sich belegen könnte. Diese Zukunftsaussichten wurden in den letzten Monaten – trotz bereits schwieriger Automobilkonjunktur – in Roadshows den US-Investoren schmackhaft gemacht. Frank Stronach selbst, dessen Tochter Belinda bereits die Chefposition bei Magna International hält, wird neben dem Aufsichtsratsvorsitz bei Magna auch jenen von Magna Steyr Inc. übernehmen. Fred Gingl, ein weiterer Auslandsösterreicher, der bis jetzt Tesma führte, wird sein Stellvertreter. Den Grazern dürfte diese Verschmelzung wohl kaum interessante neue Kennzeichen auf ihren Firmenparkplatz bringen – aus den USA fliegt man an und nimmt dann das Taxi oder den Mietwagen. Aber Manager und Ingenieure aus der Steiermark werden bald zahlreiche company parking lots in anderen Teilen der Welt kennen lernen – in den USA, Kanada, in weiteren europäischen Ländern und vielleicht bald auch in Asien. Eben Graz, ganz global. (Reinhard Engel)

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Insider-Interview mit Siegfried Wolf: Magna Steyr und Tesma Fusion

"Steyr muss profitabler werden" Magna-Steyr-Chef Siegfried Wolf über die Expansion in Österreich, sein Verhältnis zum Betriebsrat und Sorgen der Aktionäre mit der Fusion von Magna Steyr und Tesma.

Erfahren Sie mehr über die Karriere und Führungsstil von Magna-Steyr-Chef im 1.000 Manager-Ranking: Siegfried Wolf.

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Der Steirer Siegfried Wolf ist seit 2021 Eigentümer von Steyr Automotive, ehemals MAN Steyr. - © APA

INDUSTRIEMAGAZIN: Was sich Österreich seit Jahren frägt: Warum ist die Magna nach Österreich gekommen? War es die Nähe zum deutschen Markt in Österreich oder die Sentimentalität Frank Stronachs?

Siegfried Wolf: Mit Sentimentalität kann man keinen Shareholder überzeugen. Natürlich war es auch für Frank Stronach eine Herzensangelegenheit, gerade in seiner Heimat den einen oder anderen Schritt zu setzen. Wir bauen aber hier sicher auf ein sehr vernünftiges Umfeld auf. Die Rahmenbedingungen hier sind nicht schlecht, aber wir müssen verdammt aufpassen, dass es auch so bleibt, dass der Standort attraktiv bleibt. Magna hat Steyr-Daimler-Puch vor drei Jahren gekauft.

IM: Was konnten Sie von Steyr brauchen, was brachte die Magna?

Siegfried Wolf: In Graz können wir bei der Firmenkultur auf ein unheimliches Fundament an guten Leuten zurückgreifen, Automobilbau hat hier ja Tradition. Wo wir sicher viel einbringen konnten, war das Thema Internationalität, wir haben Graz an den internationalen Tropf hängen können, vor allem mit unseren Kundenbeziehungen im nordamerikanischen Raum.

IM: Was waren für Sie die größten Umbauarbeiten?

Siegfried Wolf: Wir haben entschieden, uns ausschließlich auf das Core Business, das Kerngeschäft Automotive beschränkt. Der größte Umbau war letztlich, dass die Mitarbeiter die Magna-Philosophie Unternehmertum, Miteignertum angenommen haben. Das Zweite war, dass der Standort in Graz- Thondorf rein auf Engineering und Fahrzeugbau getrimmt worden ist. Wir haben den gesamten Bereich Powertrain – Allradtechnik, Getriebefertigung, Antriebsstrang – herausgenommen.

IM: Welchen Planungshorizont hatten Sie für den Aufbau neuer Werke in Österreich? War eine systematische Planung überhaupt möglich, oder mussten Sie auf spontane Kundenwünsche in der Autoindustrie reagieren?

Siegfried Wolf: Das war von Frank Stronach ganz klar strategisch geplant. Wir wollten ein Spiegelbild der Magna in Nordamerika hier in Europa aufbauen. Das war ein rasantes Wachstum. 1994 haben wir in Europa 800 Mitarbeiter gehabt, heute sind es beinahe 23.000. Dabei haben wir hier mehr auf Ingenieurleistung gesetzt, das war letztlich der Grund, warum wir Steyr übernommen haben, nicht um unseren Kunden Konkurrenz zu machen, sondern um mehr Wissen ins Gesamtfahrzeug einzubringen. Im letzten Halbjahresbericht hat Magna noch bei Umsätzen und Erträgen zugelegt, seither ist die US-Automobilindustrie in die Krise gerutscht.

IM: Besteht die Gefahr, dass Magna als Zulieferer bald nachrutscht?

Siegfried Wolf: Die Situation ist sicher nicht einfacher geworden, wir Zulieferanten können nur so erfolgreich sein wie die Autoindustrie und müssen uns nach deren Bedarf richten. Wir haben das eine oder andere substituieren können, aber letztlich hat es auch auf uns Einfluss, wenn die Stückzahlen zurückgehen.

IM: Rechnen Sie damit, auch in Österreich Personal abbauen zu müssen?

Siegfried Wolf: Wir müssen die Feinplanung fürs nächste Jahr noch abwarten, aber dadurch, dass wir einige neue Projekte starten, denken wir noch zusätzliche Leute zu brauchen. Für die nächsten eineinhalb Jahre haben wir das Recruiting abgeschlossen. Aber für kommende große Aufträge – Saab und BMW – werden wir sicherlich ab 2003 noch zusätzliche Mitarbeiter brauchen.

IM: Ihr Konzern ist nicht gerade bekannt dafür, ein friktionsfreies Verhältnis zum Betriebsrat zu pflegen. Auch hier soll es ziemlich heftige Konflikte gegeben haben ...

Siegfried Wolf: Ich glaube, man sollte das nicht als Konflikte sehen. Es ist sehr wichtig, konstruktiv gemeinsam Lösungsansätze zu suchen, natürlich gibt es dabei manchmal unterschiedliche Standpunkte. Der Betriebsrat und wir kämpfen ja letztlich für ein gemeinsames Ziel, dass es dem Betrieb gut geht. Wir haben nie etwas gegen die Belegschaftsvertreter gehabt. Frank Stronach kündigte an, auch in Österreich so wie in Nordamerika seinen Mitarbeitern eine Gewinnkomponente auszuschütten.

IM: Geschah das bereits?

Siegfried Wolf: Ja. Wir haben in allen Betrieben im Vorjahr das flächendeckend eingeführt, und es ist entgegen den Annahmen sehr positiv aufgenommen worden.

IM: Wie viel war das?

Siegfried Wolf: Zwischen 15.000 und 23.000 Schilling pro Mitarbeiter. Es sind zehn Prozent des erwirtschafteten Ergebnisses. In guten Jahren mehr, in schlechten weniger. Sie haben soeben mit dem BMW-Konzern den Auftrag für Entwicklung und Bau des Geländewagens X3 unterzeichnet. Noch nie hat ein Zulieferer ein Gesamtfahrzeug gefertigt.

IM: Macht Sie das nervös?

Siegfried Wolf: BMW achtet sehr auf die Markencharakteristik und hat uns trotzdem den Auftrag für ein Gesamtfahrzeug gegeben. Professor Milberg hat gesagt, wer bloß Arbeit nach außen vergibt, addiert, wer intelligent kooperiert, schafft eine Multiplikation. Nach der Sache mit Rover mit uns so einen Schritt zu setzen wird sicher in der ganzen automobilen Welt mit großer Sorgfalt beobachtet. Wie groß ist dabei Ihr Anteil, in welchem Entwicklungsstadium des Fahrzeugs setzt Magna Steyr an? Wir haben mit Concept Engineering begonnen, haben einen Auftrag fürs Gesamt- Engineering, und wir haben den Final Assembling Contract.

IM: Sie haben, um ganze Antriebsstränge liefern zu können, sehr viel Geld in die Hand genommen und neue Standorte eröffnet. Was macht Sie so sicher, dass der Outsourcing- Trend in der Branche anhält?

Siegfried Wolf: Der tief greifende Strukturwandel in der Automobilindustrie. Der gesamte Bereich des Antriebsstrangs war bis jetzt Core Business, weil er für das Fahrgefühl und damit die Markenidentität des Autos bestimmend ist. Der Markt, der mit diesem Outsourcing-Schritt zur Verfügung steht, wurde von diversen internationalen Consultants auf 185 Milliarden Dollar geschätzt. Das macht uns so sicher.

IM: Ist der Motor miteingerechnet?

Siegfried Wolf: Mit ihm würde ein Hersteller ja nochmals mehr Kernkompetenz aus dem Haus geben. Der ist hier mitgerechnet, und er wird nicht so schnell ausgelagert. Dafür aber alles vom Getriebe bis zum Fahrwerk. Knapp 30 Prozent von diesen Zahlen sind bis jetzt outgesourced, bleibt ein zusätzliches Potenzial von 100 bis 120 Milliarden US-Dollar, das ist ein ganz, ganz großer Brocken. Wenn wir uns nur fünf Prozent von diesem Gesamtkuchen erwarten, wären das fünf bis zehn Milliarden US-Dollar.

IM: Sie verschmelzen jetzt Magna Steyr mit der nordamerikanischen Magna-Tochter Tesma. Warum machen Sie das?

Siegfried Wolf: Wir verbreitern uns gegenseitig die Kundenbasis – Tesma ist in Amerika stark und kann dort Steyr helfen und umgekehrt ist es in Europa. Wir haben dann in der Zukunft ein ziemlich ausgeglichenes Verhältnis. Es ist eine optimale Ergänzung.

IM: Wie funktioniert das technisch? Eigentlich nimmt ja der Kleinere den Größeren auf. Was sagen da die Analysten und Aktionäre dazu?

Siegfried Wolf: Die Tesma ist ja schon an der Börse, in Kanada und an der NASDAQ. Diese Strukturen stehen schon alle, dadurch geht es schneller als ein IPO, und man wird bei den Investoren schneller bekannt.

IM: Und die Investoren akzeptieren das?

Siegfried Wolf: Steyr bringt zwar mehr Umsatz ins gemeinsame Unternehmen ein, aber die Profitabilität von Steyr ist doch deutlich schlechter als jene von Tesma. Man muss das natürlich erklären: Was bedeutet schlechtere Profitabilität? Das hat mit zwei Gründen zu tun. Wir haben erst den Umbau hinter uns, die Konzentration auf das Core Business. Und wir haben in fünf neue Fabriken investiert. Es ist genügend Potenzial drinnen, aber wir haben noch jede Menge zu tun, das auch in Profit umzusetzen.

IM: Kann es Ihnen passieren, dass Sie so schnell wachsen, dass Sie die Probleme der großen Automobilkonzerne kriegen, etwa Unbeweglichkeit und ausufernde Kosten?

Siegfried Wolf: Im Prinzip ist es so: Je größer das Unternehmen, desto größer die Probleme. Wir haben aber eine sehr, sehr klare Strategie. Wir wollen keinen unflexiblen Superkonzern, keinen Supertanker. Wir wollen eine Anzahl von kleinen flotten Schnellbooten sein, die jederzeit formiert werden können. Wir sind eine Gruppierung von dezentralen, mittelständischen Unternehmungen unter dem Schirm der Magna.

Das Gespräch führte Reinhard Engel.