Automobilindustrie : Automobilzulieferer zunehmend in Liquiditätsproblemen

Hirschmann Automotive

Automobilzulieferer: Die meisten Zulieferunternehmen bauten Lagerbestände auf, um kurzfristiger reagieren zu können.

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Autozulieferer geraten einer Studie zufolge wegen steigender Produktionskosten zunehmend in Liquiditätsprobleme. Drei Viertel der Zulieferer könnten die enorm gestiegenen Energie-, Rohstoff- und Produktionskosten nur teilweise an die Autohersteller weitergeben, teilte die Unternehmensberatung Horváth nach Interviews mit weltweit über 30 Firmenchefs und Vorständen mit.

Viele Unternehmen beklagten, dass sich die Kommunikation mit den Autokonzernen und deren Zuverlässigkeit seit der Corona-Krise deutlich verschlechtert habe: "Es besteht hohe Fluktuation in den abgerufenen Mengen und kaum Transparenz", sagte Horváth- Branchenexperte Ralf Gaydoul. Die Beziehungen der Zulieferer zu den Autobauern und auch zu den eigenen Lieferanten seien zunehmend angespannt. Die Zulieferer seien "in der Schraubzwinge" zwischen beiden: "Während ihre Kunden, die Hersteller, hohe Flexibilität fordern mit sehr volatilen Auftragseingängen, erwarten Lieferanten feste Zeitpläne für die nächsten fünf Jahre."

Die meisten Zulieferunternehmen bauten Lagerbestände auf, um kurzfristiger reagieren zu können. Zwei Drittel versuchten auch, mehr zu sparen, Betriebsabläufe zu verbessern und Kosten vermehrt weiterzugeben. Aber nur wenige der befragten Vorstände hätten die geplanten Maßnahmen schon erfolgreich umgesetzt.

Fast einhellig beklagt würden standortübergreifend Personalengpässe auf allen Ebenen. Eine deutliche Mehrheit der befragten Unternehmen habe Probleme, Mitarbeiter zu finden und zu halten. Das führe bereits dazu, dass Schichten in der Produktion nicht besetzt werden könnten.

Zugleich würden die Produktanforderungen komplexer. Immer häufiger würden hochwertige Autos in kleineren Serien hergestellt, heißt es in der Studie. Demnach mussten 76 Prozent der befragten Zulieferer ihr Portfolio wegen der Elektrifizierung und neuer Kundenanforderungen anpassen. Nachhaltigkeit lohne sich jedoch meist auch mit Blick auf die Kosten und die Lieferketten, sagte Gaydoul: "Beispiel dafür ist die an erster Stelle genannte hohe Energieeffizienz sowie die geplante Lokalisierung der Zulieferer."

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Fertigung bei Magna Steyr in Graz: Zwei Drittel versuchten auch, mehr zu sparen, Betriebsabläufe zu verbessern und Kosten vermehrt weiterzugeben. Aber nur wenige der befragten Automobilzuliefer-Unternemen hätten die geplanten Maßnahmen schon erfolgreich umgesetzt. - © HERWIG PRAMMER / REUTERS / picturedesk.com

Erst Anfang September hat eine Studie Unternehmensberatung PwC ergeben, dass Autozulieferer kommen angesichts der Lieferkettenprobleme schlechter mit dem Management ihres Betriebskapitals zurecht kommen als die Hersteller. In den vergangenen fünf Jahren verlängerte sich der Zeitraum, in dem für den Betrieb notwendiges Kapital gebunden ist, bei den Zulieferern demnach deutlich - während die sogenannte Kapitalbindungsdauer bei den Herstellern sank.

"Die Automobilindustrie hat sich trotz der widrigen Bedingungen während der Coronapandemie und einhergehender Lockdowns nach dem ersten Pandemiejahr relativ schnell stabilisiert", sagt Experte Rob Kortmann, der bei PwC das Geschäft mit dem Management von Betriebskapital (Working Capital) in Deutschland leitet. "Allerdings belasten die anhaltenden Lieferkettenprobleme das Working Capital der Unternehmen. Insbesondere den Zulieferern machen die Volatilität der Märkte und die anhaltenden Verzögerungen in den Wertschöpfungsketten zu schaffen."

PwC untersuchte in einer Analyse 572 Unternehmen aus der Autobranche weltweit, darunter 37 Hersteller und 535 Zulieferer. Zwischen 2017 und 2021 konnten die Hersteller die Dauer, in der ihr betriebsnotwendiges Kapital gebunden ist, rechnerisch von 19 auf 14 Tage drücken. Bei den Zulieferern stieg hingegen die Zahl der Tage um 6 auf 56 Tage.

Bei der Kapitalbindungsdauer spielt unter anderem eine Rolle, wie lange Vorräte auf Lager liegen - aber auch, wie schnell Rechnungen bezahlt werden. So habe die hohe Nachfrage nach Autos bei den Autobauern die Reduzierung der Kapitalbindungsdauer getrieben, während bei den Zulieferern infolge der fragilen Lieferketten Sicherheitsbestände aufgebaut worden seien und die Teileabrufe von Herstellern geschwankt hätten, hieß es in der Studie. Zudem hätten die Hersteller in den vergangenen Jahren auch ihre Rechnungen bei den Zulieferern später bezahlt.

Nach Ansicht von Experten kann Kapital, das dauerhaft etwa für Vorräte gebunden ist, nicht für andere wichtige Funktionen verwendet werden, etwa für Investitionen. Die aktuell drängenden wirtschaftlichen Probleme der Industrie wie hohe Inflation oder Energieknappheit kommen dabei wohl erst nach dem Untersuchungszeitraum richtig zur Geltung, wie PwC einräumt.