Deep Dive: Industrial AI : Franz Weghofer, Magna Steyr: „Steigern mit AI konzernweit Effizienzen“

Franz Weghofer Magna Steyr

Franz Weghofer, Magna Steyr: "Ein Aha-Erlebnis"

- © Matthias Heschl

Wenn Franz Weghofer über die Gemengelage der Automobilindustrie referiert, bringt er die Sachverhalte schnell auf den Punkt. „Jeder weiß, dass die Automobilindustrie komplett im Umbruch ist“, sagt der Technologiescout und Factory of the Future-Experte beim Fahrzeugbauer Magna-Steyr beim zweiten Deep Dive in Wien. „Von der Entwicklung bis zum Betreiben von Fahrzeugen“, so Weghofer.

Die Ausgangslage für Graz - man hat als Komplettfahrzeugfertiger Ausnahmestatus - und die 343 Schwesternwerke im Konzernverbund ist also sportlich, wenn Effizienzen immer höher geschraubt werden sollen. Entsprechend zentral sei die „Generierung von handlungsfähigem Wissen entlang der Wertschöpfungsnetzwerke mit AI", sagt Weghofer. Das passiere nach einem gut eingespieltem Muster. „Daten werden in Erfahrungen, diese AI-gestützt und automatisiert zu Empfehlungen, etwa in den Arbeitsanweisungen umgemünzt“, schildert Weghofer.

Das kommt nicht von ungefähr. Irgendwann befüllte man folgende Frage mit Leben: Wenn virtuell komplett ein gesamtes Fahrzeug entwickelt werden könne, spreche dann etwas dagegen, ein System zu generieren, bei der konzernweit stets eine Quelle („Single Source of truth“) die beste und aktuellste Information liefert? Heute ist diese Strategie im Unternehmen umgesetzt.

Chatprotokolle: Tests mit Prototypen

Tests mit zwei Prototypen von Chatprotokollen, so Weghofer, liefen in einer sehr frühen Phase aktuell im Unternehmen - Stichwort Magna-Chat, der in Punkten ähnliche Funktionalität wie ChatGPT biete. „Das ermöglicht in Richtung Wissensmanagement ganz große Schritte“, sagt Weghofer.

Er selbst bezeichnet sich als "Fan von OpenAI der ersten Stunde“. "Anything that is a process can and will be run by AI". Der Ausspruch des deutschen KI-Gurus Chris Boos vor ein paar Jahren ist Weghofer in Erinnerung geblieben. Schon damals hielt Weghofer diese These für durchaus möglich.

Wie also bewerkstelligt Magna die Bereitstellung von Informationen im Konzern? „Im Self service, es braucht nicht mehr immer undüberall die IT“, sagt Weghofer. Via Datenbroker ließen sich Informationen beziehen. Typische AI-Cases seien etwa in der Lackierei zu finden. „Das war der Knackpunkt, um viele ähnliche Themen anzugehen“, sagt Weghofer.

AI im Logistikbereich

Etwa im Logistikbereich und dem Einkauf, wo zwar bisher schon immer die Zielerreichung im Fokus stand, das Erreichen eines Gesamtoptimums aber zu kurz kam. Jetzt werden die Lagerflächenkosten pro Teil sowie über 100 weitere Parameter in die Betrachtung einbezogen. Das System schlägt automatisiert das Optimum vor. „Ein Aha-Erlebnis, den gemeinhin nimmt man an, die Anlieferung von Teilen just in time bringe immer das Optimum.

Doch die Gesamtkostenbetrachtung mithilfe von AI zeigte ein anderes Bild. Wie der Hebel noch größer werden könne? „Durch weitere Einbindung der Lieferketten“, sagt Weghofer.

Circa 1000 Roboter sind in den Karosseriebauten im Einsatz. Viele Daten fallen an - von OEE-Werten bis Durchlaufzeiten. Die AI ermittelt dabei heute Abweichungen vom Plansoll. Als zusätzliche Logik korreliert sie die Informationen mit weiteren Datenquellen, "etwa dem Planungssystem", schildert Weghofer. Mitarbeiter_innen erhalten die Ergebnisse "device-agnostisch" auf den Rechner oder das Smartphone gespielt.

In der Karosserievermessung werken vier Roboter im Takt. Hier werden mittels AI aus Multisensordaten Muster erkannt. Früher mussten die maßgebenden Transportvorrichtungen für die Karosserie aus dem Produktionsprozess ausgeschleust und einzeln vermessen werden. Heute nutzt Magna die 100-Prozent-Messung direkt an der Linie und ermittelt durch AI mögliche Abweichungen frühzeitig. "Das bringt eine nicht unerhebliche Zeit- und Kostenersparnis", sagt Weghofer. Tatsächlich denken die Steirer_innen – wie ihre Kollegen und Kolleginnen aus 343 weiteren Produktionswerken – radikal in Business Cases. AI ist da keine Ausnahme. Wo kein Business Case, da auch kein Use Case. Eine global gültige Referenzarchitektur regelt, was IT und OT abzubilden haben.

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