Software : Cariad von VW: Fernziel noch lange nicht erreicht

Dirk Hilgenberg, CEO CARIAD

Cariad-Chef Dirk Hildebrand: VW setzt weiterhin auf die eigene Software-Schmiede

- © Volkswagen AG

Einzelne Teile des insgesamt verzögerten eigenen Auto-Betriebssystems von Volkswagen sind in manchen neuen Konzernmodellen inzwischen im Einsatz. "Wir haben schon einige Elemente des späteren VW.OS in den aktuellen Fahrzeuganläufen für die neue Generation von Audi- und Porsche-Modellen", sagte Thomas Fleischmann, Leiter eines Software-Teams für das so bezeichnete System. "Solche Elemente integrieren wir bereits in die neue Premium-Architektur 1.2."

>>> Auto-Hersteller: Abgasnorm Euro 7 "passt nicht zur Transformation der Werke".

Es handle sich dabei zum Beispiel um Komponenten für Programm-Updates, Cloud-Schnittstellen oder grundlegende technische Diagnosefunktionen. "Es geht natürlich noch nicht um das umfassende System", betonte Fleischmann. Die Entwicklung von in großem Umfang selbst erstellter Automobil-Software ist ein zentrales Zukunftsfeld bei VW. Die zuständige Sparte Cariad musste mit Anlaufproblemen kämpfen, das Thema erwies sich als viel komplexer als zuerst angenommen. Das Fernziel eines über verschiedene Ausstattungsstufen "skalierbaren" Systems für alle Wagen aus der größten europäischen Autogruppe ist noch lange nicht erreicht.

>>> Volkswagen: Probleme bei der Entwicklung von Fahrzeug-Software stellt Trinity-Werk infrage.

Der mit 1. September abgetretene Ex-VW-Konzernchef Herbert Diess hatte den Start eines Basis-Baukastens für volldigitalisierte Elektrofahrzeuge ("Scalable Systems Platform"/SSP) ab 2026 angepeilt. Weil es jedoch schon auf früheren Entwicklungsetappen Verzögerungen und Abstimmungsschwierigkeiten gab, wuchs der Unmut - insbesondere bei den einflussreichen Töchtern Porsche und Audi, die verlangten, dass ihre Oberklasse-Kunden bald neue Systeme ins Auto bekommen.

>>> Neue Volkswagen-Strategie: Modellplanung follows Software.

Die Stuttgarter und Ingolstädter hatten mehrmals gemahnt, nicht bis zum Abschluss der gänzlich neuen Programmversion 2.0 warten zu können. Ihre Software wird daher jetzt als Version 1.2 zunächst parallel zum markenübergreifenden Konzept weiterverfolgt. "Der aktuelle Stand ist, dass wir für die einheitliche Plattform 2.0 bereits ein Produkt mit Kern-Features laufen haben und dieses Gesamtsystem weiterentwickeln", erklärte Fleischmann. "Es gibt aber durchaus ausgewählte Komponenten, die auch schon in einer 1.1- oder 1.2-Architektur sinnvoll einsetzbar sind und dort zu Verbesserungen führen werden. Wir arbeiten weiter daran, künftig die Abdeckung auf die gesamte Fahrzeugarchitektur und alle Steuergeräte auszudehnen."

VW-Tochter setzt auf Google

Zugleich will sich Volkswagen unter Konzernchef Oliver Blume offenbar stärker dem US-Technologiegiganten Google öffnen. Die Rolle des Vorreiters soll dabei die Sportwagentochter Porsche bekommen, wie die Nachrichtenagentur Reuters aus Konzernkreisen erfuhr. "Porsche denkt darüber nach, beim Infotainment-System einen eigenen Weg zu gehen und Google komplett zu integrieren", sagte eine mit den Beratungen vertraute Person am Donnerstag.

>>> Siegfried Wolf erweitert sein Netzwerk rund um Steyr Automotive.

Blume, der in Personalunion auch Porsche führt, habe sich dazu unlängst mit führenden Google-Managern in den USA getroffen. Das "Manager Magazin" hatte zuvor berichtet, Porsche erwäge, Google-Apps in die Bordcomputer seiner Fahrzeuge zu integrieren - allen voran das Navigationssystem Google Maps.

Damit würde der Sportwagenbauer eine Kehrtwende vollziehen. Bisher hatte sich die VW-Tochter gegen eine weitgehende Zusammenarbeit mit dem US-Konzern gesperrt. Hintergrund ist ein befürchteter Kontrollverlust über die Daten.

>>> Stefan Pierer: "Ein einzelner Chiphersteller hat die ganze Industrie in Mitleidenschaft gezogen".

Die Software-Tochter Cariad des Konzerns arbeitet bereits mit der Google-Plattform Android an einer konzernweiten Lösung. Aus deren Software-Regal könnten sich die einzelnen Marken dann bedienen. Eine volle Integration von Google stehe für die Volumenmarken von Volkswagen aber nicht zur Debatte, betonte der Insider. Das Magazin berichtete indes unter Berufung auf hochrangige Manager, sollte die Kooperation funktionieren, könnten auch andere Konzernmarken die Google-Apps übernehmen. Android ist vor allem als Betriebssystem für Mobilfunkgeräte bekannt und wird auch von zahlreichen Autobauern in Fahrzeugen eingesetzt. Volkswagen äußerte sich nicht zu den Reuters-Informationen. Von Porsche war zunächst keine Stellungnahme zu bekommen.

>>> Porsche & ABB: Kooperation bei Ladesäulen.

Laut Manager Magazin gibt es noch Differenzen über den Preis und darüber, wie tief Google in die Porsche-Daten Einblick nehmen dürfe. Hintergrund sind dem Bericht zufolge die Verzögerungen von Cariad bei eigenen Software-Projekten. Sollten die Verhandlungen erfolgreich sein, wären Google-Apps oder bezahlte Angebote künftig in Porsches eigenem Infotainmentsystem enthalten und müssten nicht über das Smartphone eingespielt werden. Porsche-Finanzchef Lutz Meschke hatte im Oktober erklärt, Porsche sei mit Google, Apple, Baidu, Tencent und Alibaba in engem Austausch über automatisiertes Fahren und Infotainment-Technologie.

Unter Blumes Vorgänger Herbert Diess hatte Volkswagen zunächst ganz auf eine eigene Softwareentwicklung gesetzt. Als das milliardenschwere Projekt nicht so schnell genug in Gang kam wie erhofft, öffnete sich Cariad. Am Ende half auch das nichts. Diess musste seinen Hut nehmen und wurde von Blume abgelöst, der nun stärker auf Zusammenarbeit setzt.

Sie wollen mehr von uns?

Nie mehr eine wichtige News aus der Industrie verpassen? Abonnieren Sie unser Daily Briefing: Was in der Industrie wichtig wird. Täglich um 7 Uhr in ihrer Inbox. Hier geht’s zur Anmeldung!