Recycling und Nachhaltigkeit : Im Kreislauf: Recycling und Upcycling bei großen Unternehmen
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Sie machen aus Abfall wieder schicke Produkte - und bezeugen damit gewissermaßen den ewigen Kreislauf: Blicken Stephan Sielaff (Lenzing), Karlheinz Wex (Plansee) oder Uwe Schmidt (Montanwerke Bixlegg) in ihr Produktportfolio, dann dürfen sie das durchaus mit weltverbesserischem Mienenspiel tun.
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Denn da wird nicht nur für eine bessere Welt am am Lebenszyklus geschraubt, abfallfrei produziert oder grün finanziert. Ausrangierte Werkstoffe werden - Stichwort Circular Economy - wieder an den Anfang der Prozesskette gestellt. Einfach so, als wäre es das leichteste auf der Welt. Ist es freilich nicht, wie nicht zuletzt die als Strategie verankerte Transformation des linearen Petrochemiegeschäfts der OMV hin zu zirkulären Geschäftsmodellen bezeugt.
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Umso erstaunlicher sind die Strategien jener Unternehmen, die ihre Produkte schon im Hamsterrad der Kreislaufwirtschaft führen. Wie der Tiroler Hochleistungswerkstoffehersteller Plansee, der sich frühzeitig darauf festlegte, den versiegelten Märkten Chinas eine eigene Wolframrecycling-Strategie auf europäischem Boden entgegenzusetzen. Oder die Kärntner Treibacher AG, führend bei Seltenen Erden und Hartmetallen. Sie behandelt ausgediente Raffineriekatalysatoren in einem bewundernswerten Prozess wie kleine Minen - und erschließt daraus Wertstoffe wie Vanadium gewinnt. Und schließlich auch der Tiroler Kupferhalbzeugehersteller Montanwerke Brixlegg: Dort hält man seit 1977 - neuerdings sogar trotz fragwürdiger Regularien, Stichwort Bahnzwang - zirkuläre Prozesse in Gang.
Wer sind die Pioniere der Circular Economy, von Recycling und Upcycling? Und welche Ideen für ein besseres Morgen haben sie?
Der Schrittmacher: Stephan Sielaff, Vorstandsvorsitzender Lenzing
Fashion for good: Mit Textilrecycling und neuartigen Geschäftsmodellen führt er den Faserhersteller in die Zukunft.
Wer den diplomierten Chemieingenieur Stephan Sielaff in Mischfaserhemd und Polyesterkrawatte zum Interview trifft, dem ist nicht zu helfen. Munter beginnt der Lenzing-CEO die Recyclingfähigkeit der Kleidung seines Gegenübers zu analysieren. "Bei der Farbe, der Zusammensetzung der Materialien und den Hemdknöpfen könnten wir in punkto Recycling womöglich an Grenzen stoßen", schmunzelt er. Jedoch: Haute Couture hat viele Gesichter.
Kreislaufschwäche: Das Problem mit den Kunststoffen
Und Sielaffs Bonmot soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass beim textilen Recycling - von der Baumwoll- bis zur Viskosefaser - zuletzt beachtliche Fortschritte erzielt wurden. So setzt der Faserhersteller auf eine Kooperation mit dem schwedischen Zellstoffproduzenten Södra. Die Partnerschaft soll die Oberösterreicher in die Lage versetzen, bis 2025 25.000 Tonnen Textilabfälle pro Jahr wiederzuverwerten. Zum Jahreswechsel legte das 8000-Mitarbeiter-Unternehmen aus dem Hausruckviertel nach: In einer Partnerschaft mit Renewcell - die Stockholmer liefern dem Textilhändler H&M tonnenweise einer Circulosefaser - sichert sich Lenzing die Lieferung von bis zu 100.000 Tonnen des "vollrecycelten" Textilzellstoffs.
# Ich sag' Klima, er sagt Co2-neutrale Sneaker
# Zirkulär-Ziel: Ausbau von Textilrecycling-Kooperationen
# Love-nature-Bonus: Umbau des Standorts West Java in ein Spezialfaserwerk
Damit soll der Rezyklatanteil bei den Spezialtextilfasern Tencel und Ecovero auf bis zu 50 Prozent im Unternehmen steigen. Mittelfristig plane Lenzing sogar den Bau eigener Recyclinganlagen. Damit würde die Kreislaufführung von Produkten - Lyocellfasern (Tencel) sind biologisch abbaubar und kompostierbar - noch einmal verkürzt. Und energetisch um einiges attraktiver.
Bis 2024 will Lenzing - man fertigt in der thailändischen Provinz Prachin Buri Co2-neutrale Fasern wie in der oberösterreichischen Heimat - jedenfalls drei Viertel des Faserumsatzes mit Spezialfasern erwirtschaften. Mit der Adaption des indonesischen Werks in West Java ab Juni - eine 150 Millionen Euro schwere Investition, "die uns nicht eine einzige Tonne mehr Fasern bringt" (O-Ton Sielaff) -, soll der Ausstieg aus der Standardviskose gelingen. Dass viele derjenigen, „die Co2-Neutralität feiern“, Kleidung mit erdölbasierten synthetischen Fasern, also etwa Jeans oder Sneaker tragen, „hat bei uns natürlich Ideenprozesse in Gang gesetzt“, sagt Sielaff.
Noch heuer könnten erste Partnerschaften mit kollektionsstarken, aber häufig noch auf Dekaden alte Fasern setzende Häuser unterschriftsreif sein. Was Sielaff, dem von seinem 23-jährigen Sohn, einem ausgebildeten Chemiker, Ärger ins Haus stünde, "würde er einen SUV als Dienstwagen wählen", schon vor der Aufsichsratssitzung im März verraten kann: Für den Zeitraum 2023 bis 2025 würde Lenzing seine ESG-Ziele noch einmal verschärfen, und zwar "deutlich", so der CEO.
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Der Umdenker: Alfred Stern, Vorstandsvorsitzender OMV
Dem ausgebildeten Kunststofftechniker muss die Abkehr vom linearen Petrochemiegeschäft gelingen.
Willst du Energie und Chemie neu erfinden, für ein nachhaltigeres Leben von uns allen? Dann starte deine TOP OMV Lehre!" Schon im Entree des Head Offices der OMV in der Trabrennstraße 6-8, wo mit Flyern nach jungen Talenten gefischt wird, stehen die Zeichen auf Wandel. Zu Probebohrungen im E-Auto vorfahren? Den Erdüberlastungstag wie aus der Pistole geschossen auf den Tag genau benennen können? Das wird - und muss - in nicht allzuferner Zeit zum Alltag werden.
Denn ein Blick aus Alfred Sterns Bürofenster im 21. Stock Mitte Januar offenbar: "Nirgendwo auch nur ein Flecken Schnee zu sehen", sagt der CEO. Aber reicht es schon, dass ein Unternehmen, das den Großteil seiner Überschüsse und Übergewinne aus der Petrochemie generiert, den Wandel vom linearen zum zirkulären Geschäftsansatz propagiert?
# Ich sag' Klima, er sagt Brückentechnologie
# Zirkulär-Ziel: Rückumwandlung von Kunststoffmüll in Öl und Kunststoffe
# Love-nature-Bonus: Co2-ärmere Alternativprodukte aus der Ideenschmiede
Wie fügen sich die kolportierten Vorarbeiten der rumänischen Tochter Petrom zur Entwicklung des Gasfelds Neptun Deep im Schwarzen Meer in die Kreislaufwirtschaftspläne des Unternehmens? "Natürlich müssen wir uns die Frage gefallen lassen, was das eigentlich soll", sagt Stern. Doch an der Notwendigkeit, Gas als Brückentechnologie zu verstehen, mit der die Transformation geschultert werden soll, wird Alfred Stern, jener Mann, der aus der Kunststoffszene kommt und dessen Kurs einer Neuausrichtung der OMV im Aufsichtsrat der Staatsholding laut Medienberichten eine Phalanx von IV bis Kanzler heraufbeschwor, nicht umhinkommen. An den übergeordneten Zielen freilich ändert das wenig.
Bis 2030 soll die Öl- und Gasförderung für die Energieproduktion um 20 Prozent verringert, bis 2050 gänzlich aufgegeben werden. Das ist schon eine Ansage. Zumindest 40 Prozent der 3,5 Milliarden Euro Jahresinvestitionen sollen in Co2-arme Produkte fließen. Eine solche Energiekaskade, auf die Stern hoffnungsvoll blickt, ist ReOil. Mit synthetischem Rohöl, das aus Plastikabfällen wiedergewonnen wurde, geht man in die Chemie und erzeugt neuerlich Polyolefine. Diese sollen kreislaufgeführt immer wieder neu aus ihren Ausgangsstoffen heraus entstehen - durch Rückumwandlung in Öl und neuerliche Herstellung von Kunststoffprodukten unter Anwendung einer Prozesstechnik, die zu jener aus dem klassischen Raffineriewesen durchaus große Ähnlichkeit besitzt.
Kann Borealis Emissionen halbieren?
"Gegenüber klassisch produziertem Kunststoffen lassen sich durch Kreislaufführung 35 Prozent an Co2-Emissionen einsparen", sagt Stern. Partnerschaften mit Recyclern wie Reclay oder ALBA, sollen die nötigen Stofffströme in OMV bringen. Die im Jänner besiegelte Mehrheitsübernahme des belgischen Recyclers Renasci durch die OMV-Tochter Borealis könnte Reoil in Kombination mit dem mechanischen Kunststoffrecyclingansatz der Borealis also zum Gamechanger machen.
Der Pionier: Uwe Schmidt, CCO Montanwerke Brixlegg
Seit mehr als vier Jahrzehnten upcycelt der Tiroler Halbzeugehersteller Kupfer - auch wenn einem mitunter Steine in den Weg gelegt werden.
"Gut gedacht, schlecht gemacht": Auf diese einfache Formel bringt Uwe Schmidt den "Bahnzwang". Eine Gesetzesinitiative aus Österreich, die dem CCO der Montanwerke Brixlegg gerade sauer aufstößt. Seit dem Jahresbeginn darf Abfall ab einer Menge von zehn Zonnen und mehr als 300 Kilometern Distanz nur mehr per Bahn oder gleichwertig nachhaltigen Lkw transportiert werden. Ab 2024 (200 Kilometer) und 2026 (100 Kilometer) wird das Regime noch einmal deutlich verschärft
# Ich sag' Klima, er sagt Upcycling seit ´77.
# Zirkulär-Ziel: Fortsetzung des Geschäftsmodells trotz Mehrkosten.
# Love-nature-Bonus: Geschlossener Kupferkreislauf.
Das torpediert das Geschäftsmodell des Unternehmens, das seit 1977 hochreines Kupfer vollständig aus Sekundärmaterialien, recyceltem Kupfer, produziert und dabei viel sparsamer mit Energie haushält als es eine Gewinnung aus Erzen bringen würde. Und zwar mehrfach. Bei Mengen von zehn bis 25 Tonnen bekommen die Tiroler Kreislaufwirtschafter und ihre Schrott-Lieferanten schwer die erwünschten Waggon-Ladungen oder sogar Ganzzüge voll. Kosten und Zeit vervielfachen sich. "Die Wirtschaftlichkeit und Planbarkeit der Lieferungen ist nicht mehr gegeben", schildert Schmidt. Nicht jeder Verarbeiter oder Metallhändler, den die Montanwerke im Lieferantennetz führen, verfügt über einen eigenen Bahnanschluss.
Schon beim Ausdealen der Jahresverträge 2023 bekamen die Tiroler die Auswirkungen zu spüren. "Den einen oder anderen Lieferanten zieht es nun in die Nachbarmärkte wie Deutschland oder Italien, um weiterhin auf ihre Kosten zu kommen", sagt er. Die Konsequenz für die Tiroler: Zehn Prozent von Schrotten beziehe das Unternehmen aktuell aus den USA, diesen Wert werde man nach oben schrauben und auch in anderen europäischen Ländern mehr zukaufen. Ein nur leidvoll nachvollziehbares Kuriosum, wenn man bedenke, "die Schrotte in der direkten Nachbarschaft vorrätig zu haben", so der CCO.
Die Philosophie der Tiroler, das Produkt - unter Aufbringung von Strom aus dem Achensee und einer tadellosen Co2-Bilanz - im Kreislauf zu führen, wird darunter freilich auch nach mehr als vier Jahrzehnten nicht wanken. Auch wenn der Kupfermarkt bei 25 Millionen Tonnen Jahresproduktionsmenge bisher erst vier Millionen Tonnen aus Recycling bezieht: Selbst in Asien boomen die klimasensitiven Lösungen des 350-Mitarbeiter-Unternehmens aus Brixlegg. "Kürzlich konnten wir zwei neue Partner gewinnen", sagt Schmidt. Zu überzeugend sei der Ansatz "Abfall rein, Produkt raus".
Der (Geo)Stratege: Karlheinz Wex, CEO Plansee
Mit der Erschließung von Quellen für Wolframabfälle hat der Plansee-Chef frühzeitig seine Hausaufgaben gemacht: Der chinesische Markt ist fest vesiegelt.
Die Weichenstellung war goldrichtig: 2008 übernimmt der Reutter Hochleistungswerkstoffehersteller Plansee den nordamerikanischen Wolframpulverhersteller GTP. Der Überlegung der Tiroler steht planwirtschaftliches Kalkül gegenüber: Rund 80 Prozent der Wolframressourcen liegen in China, einem Land, das mit Exportlizenzen nicht eben munter um sich wirft. Doch erst seit dem Vorjahr ist die Story der Tiroler richtig rund: Im letzten Frühjahr stocken sie ihre Anteile an Stadler, einem Unternehmen aus dem Unterallgäu, das gebrauchte Hartmetallwerkzeuge ankauft, analysiert und sortiert. Diese sortierten Materialen werden bei GTP zu hochwertigem Wolfram- und Kobaltpulver umgearbeitet, auf 100 Prozent auf.
# Ich sag' Klima, er sagt Rückwärtsintegration
# Zirkulär-Ziel: Steigerung der Wolfram-Recyclingquote auf über 80 Prozent
# Love-nature-Bonus: chemische und mechanische Verfahren im Duett
Diese sortierten Materialen werden bei GTP zu hochwertigem Wolfram- und Kobaltpulver umgearbeitet. "Die China-Unabhängigkeit brachte auch einen niedrigen Co2-Footprint", sagt Vorstandschef Karlheinz Wex. So sei dieser bei im Recyclingkreislauf geführtem Wolfram um den Faktor vier bis fünf niedriger als bei Gewinnung aus der Mine. Auf 80 Prozent schraubten die Tiroler ihre Wolfram-Recyclingquote zuletzt in die Höhe. Zur Anwendung kommen im Unternehmen dabei zwei Verfahren. Die chemische Aufbereitung sowie ein physikalisch-mechanischer Prozess, Zinkrecycling genannt. Zweiterem - in Reutte praktiziert - geht eine sortenreine Aufbereitung der Stoffe voran.
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Wo sich der Kreislaufgedanke in den anderen Unternehmensbereichen findet? Beim chilenischen Molybdän- und Rheniumumarbeiter Molymet, an dem Plansee 21,15 Prozent der Anteile hält, kann man sich rühmen, den Wertstoff quasi "als Neben- oder Beiprodukt" des Abbaus von Kupfer in der Mine Chuquicamata zu gewinnen. Das bei der Umarbeitung anfallende Schwefeldioxid wird nicht in die Atmosphäre geblasen, sondern zu Schwefelsäure für die chemische Industrie weiterverarbeitet.
Die Skalierer: Treibacher-Vorstandsmitglieder Rene Haberl und Rainer Schmidtmayer
Durch das Recycling ausgedienter Raffineriekatalysatoren kommen die Kärntner an eine Vielzahl wertvoller Stoffe.
Das Geschäftsmodell ist zirkulär und, charmanterweise, in Zeiten hoher als auch niedriger Metallpreise für satte Umsätze gut. Kein Wunder also, dass die Treibacher-Vorstände Rene Haberl und Rainer Schmidtmayer das Recyling von Raffineriekatalysatoren aktuell ausbauen. Bis 2026 will man es um satte 50 Prozent (auf Basis Umsatz) in die Höhe schrauben. In einer alles andere als trivialen Verfahrenstechnik - "die Barrieren für Mitbewerber sind immens hoch“ - werden nach einer ersten Aufreinigung der ölbehafteten Katalysatoren Wertstoffe wie Nickel, Molybdän und Vanadium wiedergewonnen. Diese werden in der Form von Legierungen wie Ferrovanadium und Ferronickelmolybdän an die Stahlindustrie verkauft, um hochfeste Stähle oder spezielle Rostfreistähle herzustellen.
# Ich sag' Klima, er sagt 110-Millionen-Investition
# Zirkulär-Ziel: Ausbau des Recycinggeschäfts um 50 Prozent.
# Love-nature-Bonus: 100-Prozent-Recycling für Stahlindustrie
Selbst der Katalysatorenträger, bestehend aus Aluminiumoxid als auch der anhaftende Schwefel werden zu verkaufsfähigen Produkten umgearbeitet und erzielen interessante Deckungsbeiträge. Einer der Wertstoffe nämlich Vanadium steht auch als eines von 12 Materialien auf der Shortlist der EU, die dem Binnennmarkt zu mehr Resilienz verhelfen sollen. Den Recycling-Ausbau lässt sich das Kärntner Unternehmen - heuer 125 Jahre alt - deshalb etwas kosten. Rund 110 Millionen Euro werden in den kommenden Jahren in das Geschäftsmodell, das seit "zwei Jahrzehnten gute Umsätze und Ergebnisse generiert“, investiert.
"Wir wollen hier einen massiven Sprung nach vorne machen", sagt das Vorstandsteam. Und dafür auch über kurz oder lang "außerhalb Europas sourcen", so Haberl. Ein weiteres Recycling-Thema wird von Treibacher gerade konzeptionell bearbeitet, nämlich das Recycling von Lithium-Ionen Batterien. Hier schauen wir uns gerade die prozesstechnischen Schritte an und bearbeiten dieses Thema in unserer Forschung. "Noch sind die technologischen, legistischen und logistischen Herausforderungen jedoch enorm", sagt Schmidtmayer.
Der Reflektierte: Sebastian Heinzel, CEO Heinzel Group
Der Papierindustrielle führt den Rohstoff für Wellpappeschachteln im Kreislauf - künftig in noch größerer Dimension.
"Wenn man sich übt, zirkulär zu denken, dann kommen die Geschäftsmodelle von allein": Sebastian Heinzel weiß, was es heißt, dem ökonomischen Druck der Papierindustrie ökologische Wirtschaftlichkeit und Innovationskraft entgegenzusetzen. Im vergangenen Sommer wurde der Kaufvertrag für die in Steyrermühl domizilierten - nur einen Steinwurf vom eigenen Produktionsstandort Laakirchen enfernten - Papierfabrik von UPM unterschrieben. Mit der Übernahme Ende 2023 verfügt das Papierunternehmen dann über ein Restoffkraftwerk, das aus dem zirkulären Führen von Stoffströmen noch mehr herausholt: Aus Altpapier - über den gruppeneigenen Altpapierhändler Bunzl & Biach bereitgestellt - holen die Oberösterreicher schon heute Faser für Neuprodukte.
Sebastian Heinzel: "Wir müssen Teil der Lösung sein"
# Ich sag' Klima, er sagt Restoffkraftwerk
# Zirkulär-Ziel: Ausbau von Altpapieranteil
# Love-nature-Bonus: Umbau der Papiermaschine PM11
Die aus dem Verbrennungsprozess von Reststoffen gewonnene Energie wird ab 2024 zur Versorgung der Heinzel-Standorte beitragen. Innovativ ist das Unternehmen auch in Süddeutschland: Dort zerlegt man - ziemlich exklusiv - Milchkartons quasi sortenrein in seine Bestandteile. Von Kunden, die aus Heinzel-Papier den Klassiker - die Wellpappeschachtel - produzieren, nimmt das Unternehmen wiederum vermehrt Stanzabfälle zurück. "Das wollen wir ausbauen", sagt Heinzel. Die Papierindustrie als solche sei eine der zirkulärsten Branchen, so der CEO. Bis aus einer fabrikneuen Wellpappeschachtel die nächste fabrikneue geworden sei, dauere es - auf Basis der identen Faser - heute nur vier Wochen. Damit kratze man schon fast am Benchmark einer Papierfabrik aus Staten Island, die Pizzakartons für Manhattan zirkulär im Zehn-Tages- Rhythmus produziert, schmunzelt Heinzel.
Mehr als 100 Millionen Euro lässt sich der Papierhersteller übrigens den Umbau einer Papiermaschine für nachhaltigere Kreislaufwirtschaft kosten. Noch heuer will man sich aus dem Markt für Publikationspapiere zurückziehen, das Geschäft mit federleichten Wellpappenrohpapieren auf Altpapierbasis wird ausgebaut. Dazu wird die Papiermaschine PM11, die heute noch superkalandrierte Papiere für Magazine, Kataloge und Werbedrucke herstellt, umgebaut.
Der Wegbereiter: Thomas Ott, CEO Mondi Flexible Packaging
Fast vier Fünftel aller Produkte der Mondi-Sparte sind rezyklierbar. Doch das Ende der Fahnenstange ist das nicht.
Wenn Thomas Ott ins Jahr 1995 zurückblickt, dann sind das angenehme Erinnerungen. Gerade startete er bei Mondi seine Karriere im Finanz-Controlling - und damals schon war das Verpackungs- und Papierunternehmen seiner Zeit voraus: "CO2-Ausstoßreduktion und Umweltverträglichkeit waren bestimmende Themen beim Betrieb der Papierfabrik Frantschach", erzählt Ott.
# Ich sag' Klima, er sagt Aktionsplan 2030
# Zirkulär-Ziel: Anhebung der Recyclingquote von aktuell 78 Prozent aller Produkte
# Love-nature-Bonus: Investitionen in Wiederverwertung von "hard to recycle materials"
Freilich ist die Zeit nicht stehen geblieben, wie Ott, seit dem Vorjahr CEO von Mondi Flexible Packaging, weiß. 78 Prozent aller produzierten Produkte der Sparte, die er verantwortet, sind mittlerweile vollständig recycelbar. Bis 2025 soll der Wert weiter in die Höhe schnellen. Im 10-Jahres-Aktionsplan MAP2030 ist als Leitmotiv festgelegt, immer, wenn möglich, auf Papier zu setzen und bei Kunststoff auf Volumensreduzierung zu setzen. Aseptische Verpackungen, die am Standort Korneuburg produziert werden, sind ein Beispiel. Bei einem Produkt, einem Nachfüllbeutel, wurde der Kunststoffverbrauch zuletzt um mehr als zwei Drittel gesenkt. Die Parameter Kreativität und Kosteneffizienz sind dabei in der Entwicklung und Produktion gefragt. Aktuell sei der Druck auf der Materialseite gewaltig.
"Der Run auf rezykliertes PET treibt die Preise nahe an jene von virgin PET", sagt Ott. Recyclingmaterialien würden vorerst ein rares Gut bleiben. Dennoch ist der Trend nicht aufzuhalten. "Ich bin mir sicher, in drei bis fünf Jahren wird sich jede unserer Verpackungen verändert haben", sagt er. Weil es die Gesellschaft so will und nachfolgende Generationen durchaus überzeugend - Ott weiß als dreifacher Vater ein Lied davon zu singen - ihre Forderungen artikulieren. Bei Mondi Flexible Packaging geplant: Investitionen in Wiederverwertung papierbasierter, jedoch durch Kunststoffe verunreinigte und damit schwer recycelbare Verpackungen. Das eröffnet eine Reihe von Fragen - etwa wie es technologisch aufzusetzen und logistisch umzusetzen sei. Aber auch neue Perspektiven. "Daraus könnten sich neue Geschäftsmodelle mit Kunststoffverarbeitern ergeben", sagt Ott.