Öl und Gas : Wie kann energieintensive Industrie in die Energiewende einsteigen?

Energieintensive Industrien: Österreichs Zementindustrie liegt bei den Emissionen pro Tonne um 22 Prozent unter dem EU-Durchschnitt.

Energieintensive Industrien: Österreichs Zementindustrie liegt bei den Emissionen pro Tonne um 22 Prozent unter dem EU-Durchschnitt.

- © Enrique del Barrio

Die Produktion von Stahl, Zement, Glas und die Chemieindustrie benötigen hohe Temperaturen und viel Energie. Das schlägt sich in CO2-Emissionen nieder. Auf die energieintensiven Industrien (EI) entfällt aktuell die Hälfte des Energieverbrauchs der gesamten EU-Industrie und aufgrund ihrer energieintensiven Produktionsprozesse zeichnet die EII für 14 Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen in der EU verantwortlich. Gleichzeitig erwirtschaftet dieser Industriesektor direkt eine Wertschöpfung von 549 Milliarden Euro und beschäftigt rund 7,8 Millionen Menschen. Die EU hat sich jedoch das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Dafür muss auch die energieintensive Industrie "klimafit" gemacht werden.

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Alleine schon der Erdgas-Verbrauch in Österreich liegt bei rund neun Milliarden Kubikmetern jährlich, davon benötigt die produzierende Industrie laut Industriellenvereinigung rund 40 Prozent. Mit der von Österreich eigens geförderten Erdgasmenge können gerade 15 Prozent des Eigenbedarfs gedeckt werden. Doch bis 2050 soll die energieintensive Industrie vollständig auf fossile Energien verzichten. In Österreich ist diese laut dem Klima- und Energiefonds für mehr als ein Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich, die dementsprechend bis 2050 auf null sinken müssen.

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Österreich als Vorreiter der Dekarbonisierung

Die österreichische Industrie sei eine Vorreiterin der Dekarbonisierung ihrer Prozesse, und die südösterreichische Industrie "schon längst ein Teil der Lösung", betonte Stefan Stolitzka, Präsident der Industriellenvereinigung Steiermark.

Gerade im Süden Österreichs sind überdurchschnittlich viele Unternehmen aus dem Bereich der energieintensiven Industrie aktiv, zugleich zeichnet sich die Region aber auch durch die Erzeugung von Umweltgütern und Umwelttechnologien ganz besonders aus. Die enge Kooperation von Industrie und Wissenschaft in der Steiermark befördert dabei technologische Entwicklungen und die notwendige Transformation.

Die Zementindustrie liege beispielsweise bei den Emissionen pro Tonne um 22 Prozent unter dem EU-Durchschnitt, im Bereich Stahl 13 Prozent unter dem Benchmark. "Dennoch muss uns allen bewusst sein, dass eine vollständige Dekarbonisierung der Prozesse mit dem derzeitigen Stand der Technologien in einzelnen Branchen nicht zu erreichen ist und erst mit radikalen Prozessinnovationen möglich sein wird", betonte der steirische IV-Präsident.

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"Gerade in so komplexen Transformationsprozessen ist es unerlässlich, neue Ideen zu entwickeln, zukunftsrelevante Technologien zu diskutieren und Feedback zu Prozessen einzuholen", betonte Harald Kainz, Rektor der TU Graz. An der TU Graz forscht man seit vielen Jahren etwa im interdisziplinären Forschungsschwerpunkt "Sustainable Systems" an Technologien der Zukunft, das an der TU Graz angesiedelte Hydrogen Center Austria (HyCentA) zählt zu den Pionieren der europäischen Wasserstoffforschung, wie Kainz ausführte.

Stefan Stolitzka, IV-Präsident Steiermark
Stefan Stolitzka, IV-Präsident Steiermark - © IV Steiermark
Dennoch muss uns allen bewusst sein, dass eine vollständige Dekarbonisierung der Prozesse mit dem derzeitigen Stand der Technologien in einzelnen Branchen nicht zu erreichen ist.
Stefan Stolitzka, IV-Präsident Steiermark

"Die Herausforderung ist, dass bestimmte Materialien nur für bestimmte Anwendungen geeignet sind. Hier muss noch sehr genau abgestuft werden, wo mit welchem Energieträger das gewünschte Ziel am besten erreicht werden kann", umriss Kainz. Die Industriellenvereinigung Steiermark und die TU Graz haben im Rahmen des Horizon2020-Projektes RE4Industry für das kommende Wochenende zu einem Wissenstransfer-Event an die TU Graz geladen. Dabei werden Best-Practice-Beispiele vorgestellt, Lösungsansätze diskutiert und etwa auch Exkursionen zu Österreichs erstem Wasserstoffforschungszentrum HyCentA, zum Papierhersteller Sappi oder der Wasserstoffproduktion der Energie Steiermark unternommen, wie Brigitte Hasewend von der European Sustainable Energy Innovation Alliance, die die Grazer Tagung organisiert, ausführte.

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"Biomasse, Bioenergieträger, Solar und Geothermie sowie Wasserstoff", seien laut Rainer Janssen, Präsident von EUREC - Association of European Renewable Energy Research Centers, die aussichtsreichsten erneuerbaren Energien für EI. Für die energieintensiven Industrien gehe es aktuell vorrangig um Optionen für die Nachrüstung bestehender Industrieanlagen und die Umstellung der Produktionsprozesse auf Strom aus erneuerbaren Quellen. Im Rahmen von RE4Industry gebe man dazu Anleitungen. In künftigen Phasen der Dekarbonisierung werden laut Janssen Technologien zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid, neuartige Materialien oder alternative industrielle Prozesstechnologien von zentraler Bedeutung sein. Hier müsse ebenso in die Forschung und Entwicklung investiert werden, wie in die Weiterentwicklung der Wasserstofftechnologie und der Bereiche "grüner" Wasserstoff und E-Fuels.

Harald Kainz, Rektor der TU Graz
Harald Kainz, Rektor der TU Graz - © TU Graz