Einkaufs-Manager-Index : Wie die Industrie in Österreich und Europa schwächelt

Walter Pudschedl von der Bank Austria

Bank-Austria-Ökonom Walter Pudschedl: Große Unsicherheiten am Markt

- © UniCredit

Die Industrie in der Eurozone hat ihre Talfahrt im April beschleunigt. Der Einkaufsmanagerindex für den Währungsraum fiel um 1,5 auf 45,8 Punkte und damit auf den tiefsten Stand seit der Corona-Krise im Mai 2020, wie der Finanzdienstleister S&P Global am Dienstag zu seiner monatlichen Umfrage unter rund 3.000 Unternehmen mitteilte. Das Barometer liegt damit deutlich unter der Schwelle von 50 Punkten, ab der es Wachstum signalisiert.

Das verarbeitende Gewerbe habe in allen Ländern weniger produziert, sagte der Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank (HCOB), Cyrus de la Rubia. "Diese Schwäche dürfte damit zu tun haben, dass viele Unternehmen angesichts der lange Zeit angespannten Lieferketten ihre Lagerbestände massiv aufgebaut hatten und jetzt feststellen, dass sie des Guten etwas zu viel getan haben."

Die wieder deutlich verkürzten Lieferzeiten seien zwar ein Zeichen der Normalisierung. "Sie müssen aber zusammen mit einigen anderen Indikatoren auch als Nachfrageschwäche interpretiert werden", betonte de la Rubia und verwies auf das nachlassende Neugeschäft auch bei den Exportaufträgen.

In Italien, Spanien und Frankreich lag das Industriebarometer jeweils unter der Wachstumsschwelle von 50 Punkten, in Deutschland fiel der Index sogar auf 44,5 Punkte. Die deutsche Gesamtwirtschaft ist im Winterhalbjahr zwar knapp an der befürchteten Rezession vorbeigeschrammt. Im ersten Quartal kam es jedoch aufgrund der anhaltenden Belastungen z.B. durch die Energiekrise nur zu einer Stagnation.

Aktuelle Industrieknjunktur in Österreich

In der heimischen Industrie gehen immer weniger neue Aufträge ein. Dies spiegelte sich im Einkaufsmanager-Index der UniCredit Bank Austria für den Monat März wider. Die Unternehmen haben ihre Einkaufsaktivitäten im Berichtsmonat deutlich zurückgefahren. Das Stimmungsbarometer fiel auf 44,7 Punkte. Das ist der niedrigste Wert seit Mai 2020, dem Beginn der Pandemie. Damit lag der Index den achten Monat in Folge unter der Wachstumsschwelle von 50 Punkten.

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Die Schwächephase der österreichischen Industrie, die seit der zweiten Jahreshälfte 2022 zu beobachten ist, habe sich im März "nicht nur verlängert, sondern zudem noch etwas verschärft", betonte Chefökonom Stefan Bruckbauer. Die Erholung nach der Pandemie dürfte vorbei sein. Der Nachfragerückgang in der österreichischen Industrie verschärfe sich.

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Aufgrund rückläufiger Auftragseingänge aus dem In- und Ausland haben die österreichischen Industriebetriebe ihre Produktion im März den zehnten Monat in Folge deutlich gedrosselt. In den kommenden Monaten sei angesichts des rückläufigen Neugeschäfts mit einem weiteren Produktionsrückgang zu rechnen, auch die mittelfristigen Produktionserwartungen seien im März erneut gesunken, so die Ökonomen der Bank.

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Die heimischen Betriebe haben im März ihre Einkaufsaktivitäten stark reduziert. Die Einkaufsmengen gingen so stark zurück wie seit Juni 2020 nicht mehr.

- © Bank Austria/S&P Global, UniCredit Research
Während in den vergangenen Monaten die Auslastung der Produktionskapazitäten noch recht hoch war, führte der fehlende Nachschub an neuen Aufträgen im März zu einer sehr deutlichen Verringerung der Produktion
Bank-Austria-Ökonom Walter Pudschedl

Unsicherheiten am Markt

Nach Angaben der Unternehmen bremsten die große Unsicherheit am Markt, das hohe Preisniveau und die hohen Lagerbestände auf Kundenseite die Nachfrage. "Während in den vergangenen Monaten durch die Aufarbeitung von Auftragsrückständen die Auslastung der Produktionskapazitäten noch recht hoch war, führte der fehlende Nachschub an neuen Aufträgen im März zu einer sehr deutlichen Verringerung der Produktion gegenüber dem Vormonat", berichtete Bank-Austria-Ökonom Walter Pudschedl.

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Zwar wurden auch im März neue Arbeitsplätze geschaffen, allerdings "mit dem geringsten Tempo seit über zwei Jahren". Der Nachholbedarf beim Beschäftigungsaufbau "dürfte jedoch nun bald gedeckt sein", erwartet Bruckbauer.

Zwar würden sich die Rahmenbedingungen mit dem Ende der Lieferunterbrechungen und dem einsetzenden Rückgang der Einkaufspreise langsam wieder verbessern. Signale für eine Rückkehr der österreichischen Industrie auf den Wachstumspfad fehlten aber noch.

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Die wieder funktionierende Lieferlogistik und die rückläufige Nachfrage hätten bereits zu einer Rekordverkürzung der Lieferzeiten in einem Tempo wie zuletzt 2008/2009 und zum ersten Rückgang der Einkaufspreise seit 30 Monaten geführt. Die Menge der Vormaterialien und Rohstoffe sei reduziert worden, was zur weitgehenden Lösung der Lieferkettenprobleme und zum ersten Rückgang der Einkaufspreise seit zweieinhalb Jahren beigetragen habe.

Stefan Bruckbauer, Bank Austria: Die Erholung nach der Pandemie dürfte vorbei sein.
Chefökonom Stefan Bruckbauer: Die Erholung nach der Pandemie dürfte vorbei sein - © Bank Austria

Kein Ende der Rezession in Sicht

Die starke Verkürzung der Lieferzeiten stelle eine deutliche Kehrtwende gegenüber den Rekordverlängerungen während der Pandemie dar, betonte Pudschedl. "Sie spiegelt nicht nur die wieder reibungsloser funktionierende Lieferlogistik wider, wie die geringere Überlastung der Häfen und die verbesserte Containerverfügbarkeit, sondern vor allem auch die stark nachlassende Nachfrage einer sich abschwächenden Industriekonjunktur."

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"Die noch immer hohen Energiekosten, die veränderten Finanzierungsbedingungen nach dem Anstieg der Leitzinsen und die Unsicherheit auf den Märkten vor allem hinsichtlich der zukünftigen Nachfrageentwicklung haben im März zu einer Verringerung der Geschäftserwartungen auf Jahresfrist in Österreichs Industrie geführt", hielt Chefökonom Bruckbauer fest.

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Ein Ende der leichten Rezession in der heimischen Industrie sei laut Umfrage vorerst nicht in Sicht. Auch im Euroraum zeichne sich eine Verlangsamung der Industriekonjunktur ab. Der vorläufige Einkaufsmanagerindex für die Eurozone sank im März auf 47,1 Punkte - allerdings sei dies "fast ausschließlich die rückläufige Entwicklung in Deutschland". Im übrigen Europa, in den USA und in China habe es im Berichtsmonat leichte Aufwärtstendenzen gegeben.

Der vorläufige Einkaufsmanagerindex für die verarbeitende Industrie im Euroraum sank auf 47,1 Punkte, belastet von spürbaren Rückgängen in Deutschland.

- © Bank Austria EMI/ Unicredit Research

Industriekonjunktur in der Schweiz

Auch außerhalb der Eurozone gibt es Probleme. So hat sich etwa die Stimmung in der Schweizer Industrie im April weiter verschlechtert. Der entsprechende Indikator liegt nun den vierten Monat in Folge unter der Wachstumsschwelle.

Der Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Industrie sank im April um 1,7 Punkte auf 45,3 Zähler, wie die Credit Suisse am Dienstag mitteilte. Ökonomen hatten deutlich höhere Werte zwischen 47,3 und 48,0 Punkten prognostiziert.

Vor allem die Produktion habe sich zuletzt deutlich abgeschwächt, nachdem sie sich zuvor widerstandsfähig gezeigt habe. Die Subkomponente "Produktion" brach im April entsprechend stark ein und liegt nun mit 44,3 Punkten deutlich unter der Wachstumsschwelle. Rückläufige Auftragsbestände ließen zudem keine baldige Trendwende erwarten, hieß es mit Blick auf die weitere Entwicklung.

Inzwischen haben sich die Verkaufslager weiter gefüllt, so dass die Unternehmen die Nachfrage ohne Produktionsausweitung bedienen können. Auch die Einkaufspreise sind laut Umfrage weiter rückläufig - nur noch 11 Prozent der Befragten sehen sich mit steigenden Preisen konfrontiert. Vor einem Jahr waren es noch 90 Prozent.

Die Beschäftigung zeigt sich weiterhin robust - mehr als jedes fünfte Industrieunternehmen stellt trotz Auftragsflaute weiter Personal ein. Lediglich 8 Prozent berichten von einem Personalabbau. Der hohe Wert von 57,2 Punkten dürfte insbesondere auf den Fachkräftemangel zurückzuführen sein, so die CS.

Der stärker auf den Binnenkonsum ausgerichtete Dienstleistungs-PMI gab im April ebenfalls nach. Mit einem Minus von 2,0 Punkten auf 52,2 Zähler liegt er aber weiterhin über der Wachstumsschwelle.

Der Rückgang ist auf eine schwächere Dynamik in allen Teilkomponenten zurückzuführen, das Gesamtbild bleibt aber leicht positiv. Ökonomen hatten allerdings mit einer Aufhellung des Indikators gerechnet.