Energieversorgung : Erdöl statt Gas: Probleme rund um Umrüstung

Ein Mitarbeiter dreht am Hahn in einer Erdöl-Raffinerie. Viele Betriebe bereiten sich auf die Umrüstung auf Heizöl vor, sollte der Gaslieferstopp kommen.

Viele Betriebe bereiten sich auf die Umrüstung auf Heizöl vor, sollte der Gaslieferstopp kommen. Gerade jetzt gibt es Probleme in der österreichischen Versorgungssicherheit mit Öl.

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Die angekündigte Verordnung zur Gasversorgung ist aus Sicht der chemischen Industrie ein Schritt in die richtige Richtung. Die Unternehmen der Branche bereiten sich seit Monaten auf einen möglichen Gaslieferstopp vor, indem sie Erdgas einspeichern und an der Umrüstung ihrer Anlagen arbeiten, wo es technisch möglich ist.

Nun wurde eine Kostenübernahme für die Adaptierung von Produktionsanlagen angekündigt, um alternative Energieträger einsetzen zu können. Gleichzeitig würden die Betriebe auch entsprechende flexible Anpassungen bei anlagenrechtlichen Vorgaben brauchen, heißt es auch der Chemieindustrie. Denn höhere Emissionen, die durch den Betrieb mit Heizöl entstehen können, sind von den aktuellen Vorschriften nicht abgedeckt.

Warum die Chemische Industrie vor einem Gaslieferstopp warnt.

„Es ist positiv, dass der Ernst der Lage mittlerweile erkannt wurde und das nun der Öffentlichkeit kommuniziert wird. Auch wenn einzelne Maßnahmen sinnvoll sind, benötigen wir dennoch rasch einen umfassenden Plan für mehr Versorgungssicherheit“, so Sylvia Hofinger, Geschäftsführerin des Fachverbands der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO).

Um für den Notfall eines russischen Gaslieferstopps vorsorgen zu können, brauche es also dringend ein Gesamtkonzept. Dazu soll insbesondere ein belastbares Mengengerüst gehören, welches Speicherstände und deren Verfügbarkeit für österreichische Endkunden ebenso wie Einspar- und Substitutionsmöglichkeiten umfasst.

Weiterhin fordert die Industrie den verstärkten Bezug von Erdgas aus alternativen Lieferquellen. „Der alleinige Blick auf Speicherstände ist für die weitere Planung nicht ausreichend. Weder wissen wir, wieviel davon für die österreichischen Endkunden bestimmt ist, noch gibt es Berechnungen, wie viel Gas in den nächsten Monaten eingespart und substituiert werden kann“, so Hofinger. „Die aktuelle Gaskrise stellt uns alle vor in den letzten Jahrzehnten nie dagewesene Herausforderungen. Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar: Jeder wird einen Beitrag leisten müssen, damit wir gemeinsam durch den nächsten Winter kommen."

Sylvia Hofinger, Geschäftsführerin des Fachverbands der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO).
"Auch wenn einzelne Maßnahmen sinnvoll sind, benötigen wir dennoch rasch einen umfassenden Plan für mehr Versorgungssicherheit." Sylvia Hofinger, FCIO - © YouTube/ Sanofi Österreich

Öl als Ersatz – eine schwierige Lösung

Die Chemieindustrie ist freilich nicht die einzige energieintensive Branche. "Wir alle sind uns bewusst dass es möglicherweise zu einem sehr schwierigen Herbst- und Winterszenario kommen kann", sagt Max Oberhumer von Sappi-Papier in Gratkorn in der Steiermark. "Daher ist aus meiner Sicht jede Maßnahme, die von der technischen Möglichkeit her gegeben ist, um hier kurzfristig entgegenzuwirken, sinnvoll und sehr zu begrüßen."

Tipp der Redaktion: Wo die Industrie das meiste Gas benötigt

Mit einer Verordnung vorzugehen, hält Walter Boltz für richtig. "Wichtig ist, dass die Regeln sehr transparent und klar sind und natürlich dass das Gas, das nicht verbraucht wird, auch für österreichische Kunden irgendwo eingespeichert und zur Verfügung gehalten wird und nicht ins Ausland verkauft wird", sagt der frühere Chef der E-Control. Das Sparpotenzial in der Industrie könne geschätzt bei 15 Prozent liegen, das wären 5 Prozent des Gesamtverbrauchs. "Durchaus ein relevanter Betrag."

Doch es gibt viele Betriebe, branchenübergreifend, die nicht umrüsten könnten. Und wie die Unternehmen an die alternativen Rohstoffe gelangen sollen, ist bezüglich Erdöl nicht so leicht zu beantworten. Denn ein für den Export von kasachischem Öl bestimmtes Terminal im Schwarzen Meer muss auf Beschluss eines Gerichts in Südrussland für 30 Tage seinen Betrieb einstellen, wie die Nachrichtenagentur Interfax in der Nacht zum Mittwoch berichtete. Zuletzt hatte es zwischen Russland und der benachbarten zentralasiatischen Ex-Sowjetrepublik Kasachstan wegen des Ukrainekriegs Unstimmigkeiten gegeben. Kasachstan ist Österreichs größter Erdöllieferant. 38,9 Prozent der österreichischen Öl-Importe stammen aus dem Land.

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Die OMV, die selbst bis vor kurzem in Kasachstan Öl förderte, sieht sich indes jedoch nicht betroffen. "Sollte es zu Lieferunterbrechungen kommen, betrifft dies die OMV derzeit gar nicht", sagte OMV-Sprecher Andreas Rinofner gestern Mittwoch. Grund dafür sei die seit dem Unfall in der Raffinerie Schwechat ohnehin eingeschränkte Rohöl-Verarbeitung. Rinofner geht davon aus, kasachisches Öl anderweitig am Markt ersetzen zu können.

OMV-Raffinerie: Leitung geplatzt, Produktion in Schwechat wird wieder hochgefahren.
OMV-Raffinerie. "Sollte es zu Lieferunterbrechungen kommen, betrifft dies die OMV derzeit gar nicht." - © OMV Solutions GmbH

Wie steht es um die Gasversorgung?

Bei all den Diskussionen rund um Umrüstung auf Erdöl gibt es natürlich nach wie vor die Möglichkeit, dass die Gaslieferungen aus Russland gar nicht abklingen – oder Österreich bis dahin genügend Gas eingespeichert hat.

Zuletzt war die Gas-Einspeicherung aber deutlich zurückgegangen. E-Control Vorstand Wolfgang Urbantschitsch sieht jedoch noch keinen Anlass für die Ausrufung der Alarmstufe, der zweiten von drei Stufen im österreichischen Gas-Notfallplan.

Bis zum Herbst sollen laut Bundesregierung die Gas-Speicher zu rund 80 Prozent gefüllt sein. Um dieses Ziel zu erreichen müssen noch mehr als 32.000 GWh Gas eingespeichert werden. "Ich denke, dass im Augenblick auf Basis der vorliegenden Informationen und des Lagebildes, das wir vor uns haben, nämlich dass über 300 Gigawatt Stunden täglich in die Speicher hineinkommen, aus meiner Sicht jetzt einmal, für heute keine Veranlassung besteht, eine solche Alarmstufe auszurufen", so Urbantschitsch.

Laut OMV ist zuletzt wieder etwas mehr Gas nach Österreich gekommen. "Die Gasliefersituation hat sich etwas verbessert: Die Reduktion liegt nun bei rund 40 Prozent", sagte ein OMV-Sprecher am Dienstag laut Reuters. In den letzten Wochen hatte sich die Gaslieferung aus Russland um etwa die Hälfte verringert. Der Wiener Öl- und Gas-Konzern OMV hatte die geringeren Mengen zuletzt mit Zukäufen am Spotmarkt kompensiert.

Grund für die niedrigen Einspeicherraten zuletzt waren hohe Gasexporte von Österreich nach Italien, wie aus ersten Analysen hervorging. Österreich hatte am 30. März die Frühwarnstufe, die erste Stufe des dreistufigen Gas-Notfallplans, ausgerufen. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) sagte vergangenen Freitag, dass die Entwicklung der Lieferungen aus Russland "sehr engmaschig" überwacht werde und die Regierung die Alarmstufe ausrufen werde, wenn sich abzeichne, dass das Einspeicherziel gefährdet ist.

Wolfgang Urbantschitsch, Vorstand der E-Control
"Keine Veranlassung, Alarmstufe auszurufen." Wolfgang Urbantschitsch, Vorstand der E-Control - © YouTube/ WEKA Industrie Medien

Braucht Österreich Gas?

Was oft nicht bedacht wird: Die Industrie benötigt Gas das ganze Jahr über – nicht nur im Winter. Die Gasspeicher in Österreich füllen sich aktuell nicht so schnell wie gehofft. Wie das zuständige Klimaministerium von Leonore Gewessler (Grüne) am Freitag mitteilte, ist die Einspeicherung in die österreichischen Speicher seit Dienstag dieser Woche "merklich zurückgegangen".

Der Erdgas-Verbrauch in Österreich liegt bei rund 9 Milliarden Kubikmetern jährlich. 40 % davon braucht laut IV die produzierende Industrie. 30 % gehen in die Energieversorgung, vor allem in die Stabilisierung des Stromnetzes. Ein Fünftel des Gasverbrauchs geht an die Haushalte.

Dieses Jahr wird der weltweite Gasverbrauch zwar geringfügig zurückgehen, für die nächsten Jahre erwartet die Internationale Energieagentur IEA aber einen weiteren Anstieg des weltweiten Gasverbrauchs. Zwar soll dieser deutlich langsamer ausfallen als noch vor einem Jahr prognostiziert, er wird aber kaum zu einer schnelleren Dekarbonisierung der Wirtschaft führen, so die IEA. Denn der geringere Gasverbrauch hat viel damit zu tun, dass der Umstieg von Öl oder Kohle zu Gas aufgeschoben wird.

Die IEA hebt in ihrem Quartalsbericht hervor, dass Europas Abhängigkeit von russischem Gas erst vor kurzem massiv gestiegen ist. Kamen noch bis 2013 rund 30 Prozent des Gasverbrauchs in der EU aus Russland, stieg dieser Anteil dann - trotz Invasion der Krim durch Russland im Jahr 2014 - bis ins Jahr 2019 auf 47 Prozent. Dabei blieb der Verbrauch der EU stabil, aber die Eigenproduktion fiel um zwei Drittel ab 2010. Diese Lücke wurde durch Importe gefüllt. Im Gegenzug ist aber auch Russland von den Gasimporten in die EU abhängig - die Region nahm rund 60 Prozent der russischen Exporte dieses Energieträgers ab und sorgte für 70 Prozent der Einnahmen.

Für Europa gibt es nun aus Sicht der IEA einige Möglichkeiten, russisches Gas zu ersetzen. Flüssiggas (LNG) kann diese Aufgabe aber nur beschränkt leisten. Denn der Bedarf wächst viel schneller als neue Kapazitäten zur Herstellung von Flüssiggas gebaut werden können. Es wirkt sich nun aus, dass in den 2010er Jahren wegen des niedrigen Gaspreises keine Investitionen angegangen und in der Covid-Pandemie dann Investitionen ausgesetzt wurden. Deshalb würde bis 2025 der Versuch der EU, mehr als 120 Mrd. Kubikmeter LNG pro Jahr zu importieren, Engpässe am weltweiten Markt auslösen. Das würde wiederum die Preise hinauftreiben und Russland höhere Gas-Einnahmen bescheren.

In ihrer aktuellen Prognose geht die IEA davon aus, dass die russischen Gaslieferungen heuer auf 25 Prozent des EU-Verbrauchs fallen werden. Bis 2025 geht die IEA von einem Rückgang der russischen Gaslieferungen um 55 Prozent im Vergleich zu 2021 und einem Rückgang von russischem Gas auf 20 Prozent des EU-Bedarfs aus. Bis 2027 könnte damit der Ausstieg aus russischem Gas gelingen - aber vor allem wenn Russland den Gashahn abdreht könnte das auch viel schneller geschehen. (apa/red)