Öl und Gas : Erdöl: Kein Öl mehr aus Kasachstan?
Aufgrund eines Beschlusses eines südrussischen Gerichtes muss ein für den Export von kasachischem Öl bestimmtes Terminal im Schwarzen Meer für 30 Tage seinen Betrieb einstellen. Im Zuge des Ukraine-Krieges ist es zuletzt immer wieder zu Verspannungen zwischen Moskau und der zentralasiatischen Ex-Sowjetrepublik gekommen. Kasachstan ist der größte Erdöl-Lieferant für Österreich - 38,9 Prozent der österreichischen Öl-Importe stammen aus dem Land.
Die OMV, die selbst bis vor kurzem in Kasachstan Öl förderte, sieht sich indes jedoch nicht betroffen. "Sollte es zu Lieferunterbrechungen kommen, betrifft dies die OMV derzeit gar nicht", sagte OMV-Sprecher Andreas Rinofner am Mittwoch zur APA. Grund dafür sei die seit dem Unfall in der Raffinerie Schwechat ohnehin eingeschränkte Rohöl-Verarbeitung. Rinofner geht davon aus, kasachisches Öl anderweitig am Markt ersetzen zu können.
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Russisches Gericht sieht Umweltprobleme
Die Betreibergesellschaft Caspian Pipeline Consortium (CPC) sei "gezwungen, das Gerichtsurteil umzusetzen", werde aber dagegen klagen, heißt es in einer Stellungnahme des Unternehmens.
Nach offiziellen Angaben von russischer Seite ist die Dokumentation beim Notfallplan für die Beseitigung eventueller Ölunfälle unvollständig. Ursprünglich hatten die Behörden CPC bis zum 30. November Zeit gegeben, die Verstöße zu beseitigen, doch in einer Gerichtsverhandlung am Dienstag forderte die regionale Transportaufsicht überraschend die Schließung des Terminals - und erhielt Recht.
Die südrussische Hafenstadt Noworossijskist ist für Kasachstan für den Export seines Öls von zentraler Bedeutung - das Land selbst besitzt keinen eigenen Zugang zu den Weltmeeren. 80 Prozent, knapp 67 Millionen Tonnen Öl pro Jahr, exportiert Kasachstan über diesen Hafen.
Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew hatte zuletzt der EU angeboten, mehr Öl und Gas nach Europa zu liefern, um die Energiesicherheit des Kontinents trotz des Ukrainekriegs und der damit zusammenhängenden Sanktionen gegen Russland zu gewährleisten. Kasachstan hat die Unabhängigkeit der von Moskau protegierten Separatistenrepubliken im Osten der Ukraine nicht anerkannt.
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Kasachisches Öl für Österreich von großer Bedeutung
Für Österreich ist die stabile Versorgung mit Öl aus Kasachstan von großer Bedeutung: 2020 stammten 36,6 Prozent aller Rohölimporte aus dem rohstoffreichen, aber armen Land. 2019 waren es sogar 39,2 Prozent und 2021 38,9 Prozent. Damit ist Kasachstan Österreichs mit Abstand wichtigster Erdöllieferant. Zweitwichtigstes Lieferland war 2021 Libyen mit einem Anteil von 22,1 Prozent, gefolgt vom Irak mit 20,7 und Russland mit 7,8 Prozent.
Die OMV förderte über ihre rumänische Tochter OMV Petrom bis vor kurzem selbst Öl in Kasachstan. Trotz des Verkaufs der Anlagen und Ölfelder vergangenes Jahr macht kasachisches Erdöl weiter rund ein Drittel der in der Raffinerie Schwechat verarbeiteten Erdölmenge aus - die Kapazität der Raffinerie beträgt rund 9,6 Mio. Tonnen pro Jahr. Das Öl kommt über den Hafen Triest und dann per Pipeline nach Schwechat. Die Raffinerie Schwechat verarbeitet unter anderem auch Öl aus Libyen, dem Irak oder Norwegen. Nach einem Unfall steht die Anlage derzeit aber ohnehin still.
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Regierung beruhigt und startet Informationsoffensive
Die Regierung war am Mittwochvormittag um eine Beruhigung der Situation bemüht. Laut ersten Einschätzungen von Experten der OMV sowie im Energieministerium sei die Versorgungssicherheit in Österreich "nicht beeinträchtigt". Am Weltmarkt sei genug Öl verfügbar, erklärte Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) auf APA-Anfrage. Im Gegensatz zum Gasmarkt sei der Ölmarkt vielfältiger und flexibler.
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Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) kritisierte die Argumentation von russischer Seite für die Schließung des Terminals am Schwarzen Meer. Russland "entdeckt jetzt hier die Umweltpolitik", um wieder ein "Drohszenario" zu zeichnen. "Kann man glauben: Zufall - ich glaub's nicht", so Nehammer. Es handle sich hierbei um ein "Mittel der Einschüchterung" gegenüber der EU, man dürfe sich durch solche "Drohgebärden" nicht verunsichern lassen.
Auch die von zahlreichen Medien berichtete Diesel-Verknappung wurde von der Regierung dementiert. Es gebe "derzeit keine Versorgungsknappheit" bei Diesel und Benzin, sagte Gewessler. Bisher habe die OMV die Ausfälle nach dem Raffinerie-Unfall kompensiert, betonte auch Nehammer.
Laut Gewessler ist zur Zeit auch nicht geplant, weitere Ölreserven freizugeben - man beurteile die Situation aber jeden Tag neu, und wenn es notwendig sei, werde man auch wieder "umsichtig" auf die Reserve zugreifen.
Kasachstan will sich von Russland unabhängig machen
Nach Angaben des kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart Tokajew plant das Land seine Öllieferrouten zu diversifizieren, um damit die Abhängigkeit von Russland zu verringern. Der von Russland nun angeordnete Transitstopp des im Tengis-Feld geförderten Öls würde den weltweiten Ölmarkt weiter belasten. Über die CPC-Pipeline wird rund ein Prozent des weltweiten Öls transportiert. Auch westliche Ölfirmen wie Shell und Chevron sind daran beteiligt.
Tokajew ordnete nun nach Informationen des Präsidentenamtes eine Studie über den Bau einer Pipeline durch das Kaspische Meer an. Dann würde kasachisches Öl über Aserbaidschan per Pipeline nach Westen gepumpt werden können - unter Umgehung Russlands. Eine Umsetzung der Pläne würde aber Jahre dauern.
Verstimmungen unter ehemaligen Freunden?
Neben Belarus galt Kasachstan lange als enger Partner Russlands. Spätestens seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine ist die Freundschaft deutlich abgekühlt: Erst erhob Russlands Präsident Wladimir Putin mehr oder weniger ungeschminkt russischen Anspruch auf alle früheren Sowjetrepubliken. Daraufhin betonte der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tojakew, dass man die von prorussischen Separatisten kontrollierten ukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk niemals anerkennen werde.
Und als - zweitens - die kasachische Präsidialverwaltung am 4. Juli dann mitteilte, Tokajew habe in einem Gespräch mit EU-Ratspräsident Charles Michel zugesagt, dass Kasachstan der EU mehr Öl liefern wolle, fiel schon am nächsten Tag überraschend das russisches Urteil.
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"Ich denke aber, dies ist die angeordnete Retourkutsche für die kasachische Politik", sagt die Zentralasien-Expertin Beate Eschment zu Reuters. Der Energie-Experte des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Martin Hoffmann, verweist zwar darauf, dass es im August 2021 in Noworossijsk tatsächlich einen Umweltunfall an der Verladestelle vor dem Hafen gegeben habe, als sich ein Ölfleck ausbreitete. "Aber die CPC hätte noch bis Ende November Zeit gehabt, die offenen Fragen zu klären – deshalb überrascht der Zeitpunkt des Urteils", sagt Hoffmann zu Reuters.
Die Entwicklung ist nach Angaben von Eschment vom Osteuropa-Institut Zois allerdings nur der letzten Schritt einer langsamen Entfremdung. Denn seit langem versuche sich Kasachstan, ein Land mit 18 Millionen Einwohnern, etwas dem Klammergriff des riesigen russischen Nachbarn zu entziehen, betont Eschment. Präsident Tokajew verfolgt eine sogenannte Multivektoren-Politik, bei der er gleichzeitig gute Beziehungen zu Russland, den USA, der EU und China pflegt.
Kasachstan folgt zwar nicht den westlichen Sanktionen gegen Russland, achtet aber darauf, diese nicht zu unterlaufen. EU-Diplomaten loben, dass sich nach der Änderung der Verfassung auch politische Lockerungen wie die Gründung etlicher Parteien in dem Land abzeichneten.
Zois-Expertin Eschment sieht einen Balanceakt: "Es wird gerne übersehen, dass Tokajew sich zwar einerseits von Moskau abzusetzen versucht, aber anderseits die guten Beziehungen betont und offen für die von Putin gewünschte stärkere Integration des eurasischen Raums ist." Kasachstan war zusammen mit Belarus auch das erstes Land, das der Eurasischen Wirtschaftsunion mit Russland beigetreten war. Denn eine offene Konfrontation will die kasachische Führung auf keinen Fall.
Es gibt eine sehr lange Grenze des weltweit neuntgrößten, aber nur dünn besiedelten Landes zum übermächtigen nördlichen Nachbarn Russland. "Und Kasachstan ist abhängig von Transporten aller Güter durch Russland - nicht nur beim Öl", sagt Ost-Ausschuss-Experte Hoffmann. Die alternativen Transportwege über das Kaspische Meer seien zeitraubend und teuer.
Dazu kommt, dass Kasachstan eine russische Minderheit von rund 18 Prozent hat - und erste Duma-Abgeordnete in Moskau die russische Regierung auffordern, sie solle sich stärker um den angeblich nötigen Schutz dieser Minderheit kümmern. Mit dieser angeblichen Verfolgung wurde schon in der Ukraine eine russischer Intervention gerechtfertigt.
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Die geografische Lage limitiert jedoch den Bewegungsspielraum Kasachstans. Dies wird an einem Beispiel aus dem Luftverkehr deutlich: "Schon vor Jahren gab es den Versuch, Kasachstan zum Hub für Zwischenlandungen im China-Geschäft zu machen", sagt Hoffmann. Aber Russland sitzt am längeren Hebel: Es verband Überflugrechte mit der Auflage, dass Zwischenlandungen und das Auftanken von Flugzeugen in Russland erfolgen müsse.
Umso mehr schaut die Regierung in Nur-Sultan zu anderen Partnern. Denn letztlich haben sich die Hoffnungen auf einen wirtschaftlichen Schub durch die Eurasische Wirtschaftsunion mit Russland nicht erfüllt. Gerade wegen der westlichen Sanktionen gegen Russland wird Kasachstan nun aber vom Westen als interessanter Standort gesehen. Mitte Mai reiste eine Delegation mit mehreren Dutzend deutscher Firmenvertreter in das rohstoffreiche zentralasiatische Land.
Und nach Kasachstan blickt man in Berlin übrigens auch wegen der ostdeutschen Raffinerie in Schwedt aufmerksam. Nach Angaben einer mit den Verhandlungen vertrauten Person hatte der russische Besitzer Rosneft zeitweise überlegt, ob die Raffinerie nach dem EU-Embargo gegen russisches Öl nicht mit dem Öl aus Kasachstan betrieben werden könnte. Nur müsste es dafür erst einmal über das Schwarze Meer nach Europa gelangen.
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