Künstliche Intelligenz : AI und Roboter: Die besten Projekte in der Industrie

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Die Diskussionen sind oft zäh, technisch sehr tief. Es geht mal wieder um das Teilen von Daten auf den vielen Foren der Hannover Messe. Verbände, Unternehmen und Technologie-Initiativen präsentieren ihre Ansätze und kleinen Fortschritte. Catena-X – ein Datenökosystem für die Automobilindustrie der Zukunft steht dieses Jahr im Mittelpunkt. Die Macher träumen von einem digitalen Abbild der Supply Chain. Open Source spielt dabei eine wichtige Rolle. Mercedes Benz hat die Chancen des offenen Codes schon vor einigen Monaten erkannt.

Was genau können AI und Robotik in der Industrie? Lesen Sie hier mehr dazu!

Der Autobauer gab sich ein Free Open Source Software (FOSS) Manifesto, das Mitarbeitende ermutigen soll, Open Source Softwareentwicklung aktiv zu betreiben. Und die Schwaben gehen noch einen Schritt weiter: Die Entwickelnden dürfen nicht nur Kontributoren in Open Source Projekten sein, sie sollen es werden. Dr. Wolfgang Gehring von Mercedes Benz Tech Innovation präsentierte das Manifesto auf der FOSS Backstage in Berlin und zeichnete den Weg von Mercedes Benz mit Open Source nach. „Wir waren Nutzer der Software, haben dann Projekte mit gepflegt und setzen jetzt eigene OS Projekte auf.“

Tipp der Redaktion: Vertiefungen zum Thema AI und Robotik lesen Sie in unserem Industriemagazin KONTEXT.

Das Manifesto beschreibt die Unternehmensstrategie und die Rolle der Mitarbeitenden. Mercedes definiert vier Punkte aus Unternehmenssicht:

- Mercedes-Benz unterstützt und ermutigt seine Mitarbeiter, FOSS-Projekte sowohl im Open- als auch im Inner-Source-Bereich zu nutzen, dazu beizutragen und zu erstellen.

- Das Unternehmen räumt seinen Mitarbeitern angemessene Zeit für die Teilnahme an FOSS-Aktivitäten ein.

- Die Firma wird das Lernen und die Weiterentwicklung seiner Mitarbeiter durch FOSS-Aktivitäten fördern und erleichtern.

- Der Autobauer fördert die Sichtbarkeit in Open Source Communities.

Und für die Mitarbeitende gilt: Ein Ingenieur sollte nach Open- und Inner-Source-Alternativen suchen, bevor er eigenen Code schreibt oder proprietäre Alternativen verwendet. Die Mitarbeitenden sollen sich bemühen, in den Inner-Source-Gemeinschaften aktiv zu sein. Darüber soll er oder sie im Rahmen seiner täglichen Arbeit zu Open Source Projekten beitragen.

Zehn Projekte listet Mercedes Benz auf – von SecHub für die „zentrale und einfache Möglichkeit, verschiedene Sicherheitstools mit einem API/Client zu nutzen“ bis hin zu Odxtools – „die Basis für Dienstprogramme zur Interaktion mit Diagnosebeschreibungen von elektronischen Steuergeräten in Kraftfahrzeugen“. Fast schon entschuldigend schreiben die Verantwortlichen: „Zugegeben, es ist noch keine große Zahl - wir stehen noch am Anfang unserer Reise zu Open Source. Wir sind jedoch bereits ziemlich aktiv in OS-Upstream-Beiträgen und wir arbeiten in Stiftungen mit, z.B. in unserem mitbegründeten Tractus-X-Projekt innerhalb der Eclipse Foundation. Wir werden hier mehr und mehr Projekte veröffentlichen.“

Und auch beim Wettbewerb BMW haben setzen sie auf Open Source – allerdings ein stückweit weg vom Auto. Zusammen mit Microsoft, Nvidia und dem BMW-Unternehmen Idealworks veröffentlichte der Autobauer SORDI (Synthetic Object Recognition Dataset for Industries), ein synthetisierter AI-Datensatz. Er besteht aus mehr als 800.000 fotorealistischen Bildern und Produktionsressourcen in 80 Klassen (wie z. B. Palette, Gitterbox, Gabelstapler). Außerdem umfasst der Datensatz Objekte von besonderer Relevanz in den Kerntechnologien des Automobilbaus und der Logistik. Im Podcast KI in der Industrie erklärt Jimmy Nassif von Idealworks: „Die integrierten Label ermöglichen als digitale Etiketten grundlegende Aufgaben der Bildverarbeitung wie Klassifizierung, Objektdetektion oder Segmentierung für relevante Bereiche der Produktion im Allgemeinen.“ Andere Unternehmen können Datensatz einsetzen, um ihre Modelle für die Produktion zu trainieren und Künstliche Intelligenz einzusetzen.

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Die Rendering-Pipeline von BMW ermöglicht es, eine beliebige Anzahl von Fotos inklusive Labels automatisch zu erstellen. - © BMW

Virtuelle Anpassungen

Die Simulationsumgebung für Robotik, der Digital Twin des Produktionssystems und die Trainingsumgebung für KI werden im NVIDIA Omniverse fusioniert, sodass KI auf Grundlage synthetisierter Daten ohne manuellen Aufwand kreiert werden kann. Die Rendering-Pipeline von BMW ermöglicht es, eine beliebige Anzahl von Fotos inklusive Labels automatisch zu erstellen. Durch die fotorealistische HD-Qualität dieser synthetisierten Fotos lassen sich KI-Modelle mit besonders hoher Robustheit realisieren.

Das Projekt SORDI klingt schon ein stückweit nach dem, worin sich Microsoft schon wähnt – im Industrial Metaverse. Die Amerikaner sind überzeugt, dass das Metaverse der Industrie schon da sei. Mit dem Roboterbauer Kawasaki und dem Steuerungsanbieter Rockwell arbeiten die ITler an einer „agilen“ Fabrik. Mithilfe von Microsoft Lösungen werden aus der Ferne die Leistungsdaten überwacht, Fehler behoben, die Zuverlässigkeit der Anlagen verbessert, die Produktivität gesteigert sowie Produktionsprozesse simuliert und angepasst. Eingriffe in die Produktion müssen dann fast nur noch virtuell mit der Microsoft HoloLens 2 erfolgen, heißt es am Messestand der Amerikaner. Und auch Kuka sei schon im Metaverse dabei, heißt es bei Microsoft. Dieses vereinfache Die Schulungen in Robotik-Technik durch Mixed Reality und erleichtere die Zusammenarbeit. Die modulare Schulungszelle ist mit einem kleinen Industrieroboter ausgestattet und dient für spezielle didaktische Anwendungen.

Führerschein für Roboter

Etwas traditioneller klingt das, was der Deutsche Robotik Verband (DRV) plant: Die Verantwortlichen um Helmut Schmid (UR, Franka Emika und Agilox) haben einen Robotik-Führerschein entwickelt. „Das Schulungsprogramm umfasst Grundlagen und wichtige Themen, die für die ersten Schritte in der Robotik qualifizieren sollen. Der Roboter-Führerschein ist eine Qualifizierung für alle, die sich im Betrieb mit der Robotik beschäftigen und soll nach einheitlichen Qualitätskriterien vergeben werden“, erklärt Schmid.

Machen „einfache Roboter“ oder die kollaborative Robotik nicht einen Führerschein überflüssig? „Im Gegenteil“, erklärt Sicherheitsexperte und stellvertretender DRV-Vorsitzender Christoph Ryll. „Vom Trend her ist der Bedarf eher gestiegen.“ Denn ein Roboter ist schnell gekauft, die Inbetriebnahme einfach und die Programmierung intuitiv zu erlernen. Prof. Dr. Matthias Vette-Steinkamp, Hochschule Trier, ermutigt Einsteiger, nennt aber auch Grundbedingungen, die für einen erfolgreichen Robotereinsatz erforderlich sind: „Roboterzellen wollen gut geplant sein. Dazu sollte man schon Grundkenntnisse haben. Mit dem Roboter-Führerschein wollen wir Weichen stellen.“ Die Lehrpläne für den Roboter-Führerschein sind modular aufgebaut. Basis sind die Grundlagenmodule, die aus Theorie und Praxis bestehen und in denen Roboter, deren Eigenschaften, Vor- und Nachteile, unterschiedliche Kinematiken und Applikationen vorgestellt werden. Schon im Modul Grundlagen wird es aber auch um Sicherheitsanforderungen geht. Teilnehmer sollen die wichtigsten Regeln und Normen kennenlernen, ohne die eine Zelle nicht in Betrieb gehen darf. Aufbauend auf den Grundmodulen können vertiefende Kurse gebucht werden, beispielsweise ein Modul Sicherheit, Applikationen oder KI.

Der Roboter-Führerschein wird am Ende der Ausbildung mit einem Praxistag – am eigenen Roboter oder bei einem Anbieter des DRV – abgeschlossen, an dem die erworbenen Kenntnisse gezeigt werden sollen.

Eine Lösung für den Fachkräftemangel?

Im Fokus des DRVs stehen die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen, die die Robotik für sich entdecken. Fast die Hälfte der deutschen Mittelständler (46 Prozent) plant, sich Roboter ins Haus zu holen. 14 Prozent haben sogar schon welche, heißt es in einer Befragung des Robotik Unternehmens Fruitcore Robotics vom Bodensee. Die Süddeutschen befragten mehr als 1.000 Fach- und Führungskräfte, die in Unternehmen mit 50 bis 500 Mitarbeitenden arbeiten. Die befragten Managerinnen und Manager verbinden mit der möglichen Einführung von Robotern Hoffnungen für den Betrieb sowie den eigenen Arbeitsplatz. Prozesse in Unternehmen könnten mit Robotern schneller ablaufen (65 Prozent), die Produktivität (62 Prozent) und Qualität (61 Prozent) würden sich erhöhen, Roboter würden einen Wettbewerbsvorteil darstellen (60 Prozent) und vielleicht auch eine Lösung für das Problem des Fachkräftemangels (57 Prozent) bringen. Letzteres ist immer noch immens, drei Viertel (74 Prozent) der Befragten gaben an, dass ihre Betriebe nur schwer oder nur nach sehr langer Zeit qualifizierte Mitarbeitende finden würden.

„Wir waren ein wenig nervös, als wir unsere Studie ins Feld geschickt haben – zu oft schon hat man gehört, dass die Angst von Mitarbeitenden, durch Roboter ersetzt zu werden, eine Modernisierung verhindert. Unsere Umfrage zeigt: Ja, es gibt Sorgen, aber die Hoffnungen überwiegen bei weitem. Die Fach- und Führungskräfte im deutschen Mittelstand haben verstanden, dass Digitalisierung und Automatisierung zentral sind, um zukunftsfähig zu sein“, meint Jens Riegger, CEO und Co-Founder von Fruitcore Robotics.

Und ein bisschen Metaverse darf es auch im Mittelstand dann doch sein. 33 Prozent würden die Roboter-Daten auswerten, um Leistung und Langlebigkeit zu verbessern, 31 Prozent würden sie mit der Cloud verbinden, um immer mit den aktuellen Updates zu arbeiten (28% würden das aus Sicherheitsbedenken nicht tun) und mehr als ein Viertel (28%) nimmt sich zudem vor, auch die Möglichkeiten der KI im Zusammenhang mit Robotern zu erforschen.