Chemische Industrie : BASF streicht nach Milliardenverlusten tausende Stellen

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BASF-Anlage im deutschen Ludwigshafen

- © BASF

Der Chemiekonzern BASF will weltweit 2.600 Stellen streichen. Rund zwei Drittel davon entfallen auf Deutschland, wie der Konzern am Freitag mitteilte. Die BASF hatte 2022 ein Sparprogramm angekündigt, mit dem sie auf die explodierenden Energiekosten in Europa und die schwächelnde Konjunktur reagieren will. Damit will das Unternehmen ab 2024 jährlich 500 Millionen Euro außerhalb der Produktion einsparen, die Hälfte davon am Stammsitz in Ludwigshafen.

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Service-, Konzern- und Forschungsbereiche sowie die Konzernzentrale stehen im Fokus der Einsparungen. "Die Wettbewerbsfähigkeit der Region Europa leidet zunehmend unter Überregulierung", sagte Konzernchef Martin Brudermüller laut Mitteilung. Langwierige und bürokratische Genehmigungsverfahren und vor allem hohe Kosten für die meisten Produktionsfaktoren belasteten sie zunehmend. All dies habe das Marktwachstum in Europa im Vergleich zu anderen Regionen bereits seit vielen Jahren gebremst. Zusätzlich belasteten nun die hohen Energiepreise die Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit in Europa.

Die Anpassungen in Ludwigshafen sollen ab Ende 2026 zu einer jährlichen Fixkostenentlastung von mehr als 200 Millionen Euro führen, teilte die BASF weiter mit. Neben dem Kostensenkungsprogramm ergreift BASF auch strukturelle Maßnahmen. Damit soll das Stammwerk Ludwigshafen langfristig besser für den sich verschärfenden Wettbewerb gerüstet werden. Unter anderem sollen dort eine der beiden Ammoniak-Anlagen, eine TDI-Anlage sowie Anlagen für bestimmte Vorprodukte geschlossen werden.

Wieso BASF derzeit schwächelt

BASF ist wegen Abschreibungen auf das Russland-Geschäft seiner Fördertochter Wintershall Dea 2022 in die roten Zahlen gerutscht. Unter dem Strich häufte das Dax-Unternehmen vorläufigen Zahlen zufolge einen Verlust von rund 1,4 Mrd. Euro an, hieß es Ende Januar 2023. Verantwortlich dafür waren vor allem Wertminderungen auf Wintershall Dea von 7,3 Mrd. Euro, weil die Konzerntochter das Segment Russland abspaltet und neu bewertet.

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Außerdem fielen Abschreibungen auf die Nord Stream AG an. Allein im 4. Quartal betrugen die Abschreibungen bei BASF 5,4 Mrd. Euro. Wintershall Dea plant den Angaben zufolge einen vollständigen Rückzug aus Russland unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen.

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Auch im laufenden Geschäft lief es eher trüb. Vor Sonderposten und vor Zinsen und Steuern verdiente BASF 2022 rund 6,88 Mrd. Euro und damit gut 11 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Wegen hoher Kosten vor allem in Europa hatte der Konzern bereits ein Sparprogramm angekündigt. Chemieunternehmen hatten vor allem mit dem stark gestiegenen Gaspreis zu kämpfen infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Analysten hatten zuletzt noch mit etwas mehr operativem Gewinn bei BASF gerechnet. Der Umsatz wuchs hingegen wegen höherer Preise und Währungseffekten um 11 Prozent auf 87,3 Mrd. Euro.

Börsengang von BASF-Tochter weiter geplant

Der deutsche Chemiekonzern strebt nach dem angekündigten Rückzug seiner Beteiligung Wintershall Dea aus Russland unverändert einen Börsengang des Öl- und Gasunternehmens an. "BASF steht zu ihrem strategischen Ziel, ihre Anteile an der Wintershall Dea AG zu veräußern", erklärte ein Sprecher vor einigen Wochen. Entsprechend werde weiterhin ein Börsengang von Wintershall Dea angestrebt.

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Der Öl- und Gaskonzern entstand 2019 aus dem Zusammenschluss der BASF-Tochter Wintershall mit dem Rivalen Dea. BASF hält noch 72,7 Prozent, der Rest liegt bei der ehemaligen Dea-Eignerin LetterOne. Der Chemiekonzern wollte sich eigentlich aus dem Öl- und Gasgeschäft zurückziehen, die Pläne für einen Börsengang wurden aber mehrmals verschoben und dann vom Krieg in der Ukraine wegen der Geschäfte von Wintershall Dea in Russland vorerst zunichte gemacht.

Gas-Versorgung auch in Zukunft ein Problem?

Der Wintershall-Dea-Chef Mario Mehren sorgt sich um die Gasversorgung Deutschlands im Winter 2023/24 mehr als in diesem Winter. "Wenn es jetzt nicht noch extrem kalt wird und Unternehmen und Haushalte in Europa den Aufforderungen nachkommen, sparsam zu sein, dann können wir sicher durch diesen Winter kommen", sagte der Vorstandsvorsitzende des deutschen Öl- und Gaskonzerns dem "Handelsblatt".

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Im Jahr 2022 "hat Europa bis Juli noch 75 Milliarden Kubikmeter Gas bekommen. Das ist ungefähr die Hälfte dessen, was Europa aus Russland vor dem Krieg importiert hat", erklärte Mehren. Diese Menge werde Europa im kommenden Jahr möglicherweise nicht zur Verfügung stehen. Zudem rechne er damit, dass die Speicher, die derzeit voll sind, dann relativ leer seien.

Wintershall Dea steht seit Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine in der Kritik, weil es an seinem Russland-Geschäft festhält. Neugeschäft gebe es zwar nicht. "Aber die einzige Möglichkeit, uns aus Russland zurückzuziehen, wäre es, dem russischen Staat unsere Aktivitäten zu schenken", sagte Mehren. Die Vermögenswerte in Russland betrügen rund 2,5 Mrd. Euro.

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Mehren räumte ein, den russischen Präsidenten Wladimir Putin unterschätzt zu haben. "Rückblickend muss man natürlich sagen, dass wir und ich spätestens 2014/15, nach der Annexion der Krim, nicht verstanden haben, wie gefährlich Russland und Putin sind." Einen Angriffskrieg mitten in Europa habe er dennoch auch nach der Annexion der Krim nicht für möglich gehalten. "Aus heutiger Sicht war das ein Fehler. Wir haben die Gefahren von Putins Russland stark unterschätzt."