Amazon & Google in der Cloud : Gelingt Gaia-X der Befreiungsschlag?
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Es klingt wie eine Unabhängigkeitserklärung: Die EU will sich von den amerikanischen und chinesischen IT-Riesen emanzipieren und die Souveränität über die eigenen Daten erlangen. Gaia-X heißt das Projekt, mit der ein ethischer und sicherer Datenaustausch ermöglicht werden soll, das nun langsam in die Gänge kommt und erste konkrete Projekte zu Tage fördert.
Nachdem Europa in Sachen Digitalisierung über viele Jahre als rückständig wahrgenommen wurde, sollen die 2020er Jahre zu seinem digitalen Jahrzehnt werden.
Die zunehmende Vernetzung in der Industrie treibt die Transformation in Richtung Servicedigitalisierung stark voran. So auch in der Automatisierungsbranche, wo regelmäßig neue Cloudlösungen vorgestellt werden, die eine umfassende Vernetzung der Produktionsanlagen ohne große IT-Expertise versprechen – eine klare Antwort auf den Fachkräftemangel.
Dieser Trend bestätigt sich am Beispiel des Branchenprimus Siemens, der vor Kurzem den „Xcelerator“ vorgestellt hat – eine digitale Plattform, mit der Unternehmen jeglicher Größe in den Bereichen Industrie, Gebäude, Netze und Mobilität ihre digitale Transformation beschleunigen sollen. Damit geht Siemens einen weiteren großen Schritt in Richtung Servicedigitalisierung.
Cedrik Neike, Vorstandsmitglied von Siemens und CEO von Siemens Digital Industries Software: "Siemens entwickelt sich zu einem Technologieunternehmen, bei dem Software im Mittelpunkt steht und der Fokus auf der Integration von IT und OT liegt. Das treibt den Fokus von Siemens von den Sensoren zum Edge und in die Cloud, um IT und OT zu verbinden."
Siemens setzt bei seinem Service auf die Cloud-Infrastruktur von AWS, dem Cloud-Computing-Service des IT-Giganten Amazon. Die Vorherrschaft der sogenannten Hyperscaler ist evident: Amazon, Google und Microsoft beherrschen laut einer aktuellen Studie von Synergy Research rund 65 Prozent des globalen Cloud-Marktes und in der EU ist die Übermacht noch erdrückender. Seit 2017 haben die europäischen Anbieter mehr als die Hälfte ihres Marktanteils verloren und kommen nur noch auf 13 Prozent, während die US-Hyperscaler mit 72 Prozent Anteil den Markt klar dominieren. Ein Dorn im Auge der EU und führender europäischer Industrieunternehmen, die sich von dieser Abhängigkeit befreien wollen.
Gaia-X: Woher kommt die Kritik an dem Cloud-Projekt?
Gaia-X nun steht aber seit Beginn unter heftiger Kritik, die auch zum Ausstieg eines Gründungsmitglieds und alternativen Projekten geführt hat. Im Zentrum der Kritik steht die Involvierung genau jener IT-Riesen – der Hyperscaler – von denen man sich eigentlich emanzipieren will. Trotz der Befürchtungen nahm die Allianz außereuropäische Firmen wie Microsoft, Google, Amazon, Palantir, Huawei und Alibaba als Vollmitglieder auf, was Befürchtungen auslöste, dass diese die Regeln verwässern oder die Initiative so beeinflussen könnten, dass sie eher ihnen als den europäischen Interessen zugutekommen.
Es wird beschwichtigt, dass diese IT-Riesen eingeschränkte Stimmrechte hätten, doch deren Einfluss ist unbestritten.Zudem leidet das EU-Projekt unter einem großen Imageproblem. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft kennen gerade einmal sechs Prozent der deutschen Unternehmen Gaia-X. Mit nationalen Hubs sollen nun der Bekanntheitsgrad gesteigert und Unternehmen untereinander vernetzt werden. Ziel ist es, gemeinsame Potenziale für den Datenaustausch zu erkennen und zu fördern.
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Eigene Anlaufstelle in Österreich
Ende März war es auch in Österreich soweit. Auf Initiative des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort und des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wurde der Gaia-X-Hub Österreich gegründet. Helmut Leopold vom Austrian Institute of Technology, Vorsitzender des Management-Boards, bestätigt Versäumnisse in der Kommunikation: „Es gibt in Sachen Kommunikation sehr viel nachzuholen. Wir müssen Missverständnisse ausräumen und zunächst ein Verständnis für das Projekt schaffen“. Man habe nun mit einer Kommunikationsoffensive gestartet, das erklärte Ziel ist eine Gaia-X-Community, in der sich die Akteure untereinander vernetzen und international Kontakte knüpfen können. Für den IT-Experten steht fest: Gaia-X wird sich durchsetzen – wer nicht mitmacht, wird abgehängt. Bisher gab es zwei Vernetzungstreffen mit Vertretern von Hubs aus benachbarten Ländern. So könnte innerhalb Europas ein eigener Cluster entstehen, in dem bestimmte Länder auf ihre gemeinsamen Stärken fokussieren.
Die Skepsis in der Industrie gegenüber dem digitalen Austausch von Daten versteht Leopold, er will aber mit gewissen Mythen aufräumen: „Aus den Chefetagen der Unternehmen hört man oft, dass man seine Daten niemals in eine Cloud hochladen würde. Doch die Realität ist eine ganz andere. Viele, die so argumentieren, haben ihre Daten schon längst irgendwo in der Cloud und wenn der ökonomische Druck da ist, weicht diese Haltung sehr schnell den wirtschaftlichen Überlegungen. Gaia-X setzt genau dort an – unsere Daten müssen sicher sein und der Missbrauch muss verunmöglicht werden. Wir müssen also Herr über unsere Daten werden – darauf beruhen letztendlich auch unsere Demokratie und Freiheitswerte.
“Die Kritik an der Rolle der Hyperscaler sieht Leopold gelassen: „Auf der einen Seite gibt es ein formales Normierungssystem, das sich oft durch eine gewisse Trägheit auszeichnet. Auf der anderen Seite gibt es Initiativen wie Gaia-X, die bottom-up aus der Industrie kommen, wo sich Unternehmen zusammensetzen und auf gewisse Spezifikationen einigen. Für solche Übereinkommen braucht es keine UNO-Sitzung, da reicht die Kraft des freien Marktes. Und wenn man sich auf offene und transparente Standards einigt, dann ist es doch in Ordnung, wenn die Hyperscaler da mitmachen.“
Vorbildfunktion mit globalen Ausmaßen
Die Absichten des Gaia-X-Projekts, die Datenhoheit wieder in europäische Hände zu legen, sind ambitioniert. Diese Kontrolle zurückzuerobern, erweist sich jedoch als leichter gesagt als getan. Die Komplexität des Projekts und die unterschiedlichen Prioritäten der Beteiligten in Verbindung mit einem sich ständig ändernden rechtlichen Umfeld verheißen nichts Gutes für seine Zukunft.
Als Vorbild wird die DSGVO-Verordnung genannt, die sich nicht nur auf die EU-Ebene ausgewirkt hat, sondern auf die ganze Welt. Doch das Projekt sieht keine rechtlich verbindlichen Anforderungen vor, der Anreiz sich zu beteiligen erschließt sich auf den ersten Blick nicht. Hinzu kommt, dass gerade in Deutschland, wo in Zusammenarbeit mit Frankreich die Idee zum Projekt entstanden ist, unlängst ein großer Fördertopf gestrichen wurde. Kein gutes Omen für das Emanzipationsprojekt.