Krise in der Photovoltaik-Industrie : Billig-Importe aus China: Steht Europas PV-Industrie erneut kurz vor dem Aus?

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Konkurrenz aus China: Droht der europäischen Solarindustrie erneut das Aus?

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Die europäische Solarindustrie ist im Kampf ums Überleben. In Europa, wo sich die Solarindustrie ohnehin nur noch aus wenigen Unternehmen zusammensetzt, schlittern erste Hersteller wie Norwegian Crystals in die Insolvenz. Andere wie Meyer Burger oder Solarwatt drohen mit der Schließung ihrer Fabriken, weil sich die Modulproduktion schlicht nicht mehr lohnt. Die europäische Photovoltaik-Industrie steht vor dem Aus, obwohl die Nachfrage nach Solaranlagen auf Rekordniveau ist.

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Der oberösterreichische Hersteller Fronius stemmt sich derzeit noch gegen den Trend. Das Unternehmen verlängerte die Weihnachtsferien, verkürzt die Arbeitszeit für rund 1.000 Beschäftigte und kündigt 100 Leiharbeiter. Und das, obwohl die Nachfrage nach Wechselrichtern so hoch ist wie noch nie.

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Meyer Burger kündigt Ende der Produktion in Freiberg an

Der Schweizer Solarausrüster Meyer Burger will sein deutsches Werk für Photovoltaikmodule schließen. Falls die Politik keine Maßnahmen zur Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen ergreife, wolle das Unternehmen damit gegen die aktuellen Verluste vorgehen, teilte Meyer Burger mit. Anfang April soll unter anderem das Werk im deutschen Freiberg mit rund 500 Mitarbeitenden geschlossen werden. Es handelt sich dabei um die größte in Betrieb befindliche Solarmodulproduktion Europas. Bis zur zweiten Februarhälfte 2024 soll eine endgültige Entscheidung fallen.

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Die Produktion von Solarzellen im deutschen Thalheim soll auch weiterhin den Hochlauf der Produktion von Solarmodulen im US-amerikanischen Werk in Goodyear unterstützen. Nicht betroffen von diesen Massnahmen wären der Maschinenbau sowie die Forschungs- und Entwicklungsstandorte in der Schweiz und in Deutschland. Ein starker Anstieg der chinesischen Überkapazitäten sowie Handelsbeschränkungen durch Indien und die USA hätten im vergangenen Jahr zu einem erheblichen Überangebot und Verzerrungen auf dem europäischen Solarmarkt geführt. Meyer Burger forderte politische Massnahmen für bessere Wettbewerbsbedingungen.

Meyer Burger-Produktion im sächsischen Freiberg  Solarindustrie Solar PV
Meyer Burger-Produktion im sächsischen Freiberg - © Meyer Burger

Für 2023 erwartet das Unternehmen bei einem Umsatz von 135 Millionen Franken (144 Millionen Euro) einen operativen Verlust (EBITDA) von mindestens 126 Millionen Franken. Meyer Burger wird das Jahr 2023 mit einer Liquidität von rund CHF 150 Millionen abschliessen. Bis zum Erreichen eines positiven Cashflows benötigt das Unternehmen Finanzmittel in der Höhe von rund CHF 450 Millionen. Dies wird für das Jahr 2025 erwartet.

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Um strategische Optionen zu prüfen und die Finanzierungsposition zu verbessern, hat Meyer Burger eine Investmentbank beauftragt. So könnte das Unternehmen Partnerschaften mit Industrieunternehmen eingehen oder Technologielizenzen vergeben. Das Unternehmen befindet sich in fortgeschrittenen Gesprächen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie über eine Exportfinanzierung, die von Euler Hermes gedeckt wird. Weitere Finanzierungsoptionen wie Kredite des US-Energieministeriums werden geprüft. Zudem prüft Meyer Burger die Aufnahme von Eigenkapital, insbesondere zur Finanzierung des Baus von Zell- und Modulfabriken in den USA.

Ich habe das Gefühl, dass wir als PV-Industrie von der Politik aufgegeben worden sind.
Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß, CEO bei Fronius

Ist die PV-Industrie in Europa schon wieder am Ende?

Der deutsche Bundesverband Solarwirtschaft hat die Regierung in Berlin zur Unterstützung beim Aufbau großer und wettbewerbsfähiger Solarfabriken in Deutschland aufgefordert. "Andernfalls ist der Zug für eine erfolgreiche Wiederansiedlung der Solarindustrie in Deutschland endgültig abgefahren", sagte Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.

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Für die Aufbauphase europäischer Solarfabriken sollen laut Körnig für einen Teil der Solarförderung "Resilienz-Boni" die Mehrkosten von Solarmodulen aus heimischer Produktion ausgleichen. Je nach europäischer Wertschöpfungstiefe seien Prämien von 1 bis 3 Cent pro Kilowattstunde notwendig. Diese sollten neue Betreiber erhalten, wenn sie Solarmodule "Made in Europe" einsetzen. Die Produktionskosten europäischer Fabriken seien deutlich höher als die asiatischer Fabriken. Die Bundesregierung plant ein Solarpaket. Dazu gibt es aber noch Beratungsbedarf in den Koalitionsfraktionen.

Überraschend ergebnislos verliefen Anfang Februar die Gespräche über mögliche Soforthilfen in Brüssel. Das zeigt, wie uneinig sich die Beteiligten darüber sind, wie der heimischen Solarindustrie geholfen werden kann. Darauf deutet auch die Bandbreite der diskutierten Maßnahmen hin: von einem Sofort-Rettungspaket über handelspolitische Schutzmaßnahmen wie Zölle - die in der Industrie umstritten sind - bis hin zum "Net Zero Industry Act" (NZIA) für saubere Technologien, der derzeit abschließend verhandelt wird, aber erst langfristig greifen sollen.

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Um mehr als 50 Prozent sind die Preise für Solarmodule innerhalb weniger Monate gefallen. Um fast die Hälfte unterbieten chinesische Hersteller die Preise europäischer Anbieter. Für beide Seiten ist das ein ruinöser Preiskampf.

Droht der europäischen Solar-Industrie erneut das Aus?

Preiskämpfe und volle Lager

Hersteller intelligenter Solarkomponenten, wie der Wechselrichterhersteller Fronius, leiden - Hersteller austauschbarer Produkte, wie Solarzellen, sind in einer bedrohlichen Situation: Chinesische Solarproduzenten haben ihre Fabriken in den letzten Jahren massiv ausgebaut. Gleichzeitig haben die USA und Indien Handelsrestriktionen gegen fernöstliche Module verhängt. Aus diesem Grund versuchen die Hersteller aus China, ihre Produkte zu einem sehr niedrigen Preis auf den europäischen Markt zu bringen. Dies führt zu einem regelrechten Preiskrieg und zu vollen Lagern.

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In der Solarproduktion von Fronius macht sich die Flaute deutlich bemerkbar: Derzeit werden im Werk Sattledt mit einer Kapazität von 2.300 Wechselrichtern nur 1.600 der Spannungswandler pro Tag produziert. Dabei ist der Bedarf an Wechselrichtern, die den von Solarmodulen erzeugten Gleichstrom in Wechselstrom umwandeln, so hoch wie nie: 2023 hat sich die Stromerzeugung aus PV-Anlagen in Österreich mehr als verdoppelt. Sie steigt von 0,98 Terawattstunden (TWh) im Jahr 2022 auf 2,35 TWh im Jahr 2023. Stark ansteigend ist auch die Zahl der neu installierten Photovoltaikanlagen. Während im Jahr 2022 Anlagen mit einer maximalen Leistung von 1,37 Terawattstunden neu gebaut wurden, waren es im vergangenen Jahr Anlagen mit einer maximalen Leistung von 1,7 Terawattstunden. Für das laufende Jahr gehen die Experten davon aus, dass der Zubau bei 2 Terawattstunden liegen wird.

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Europa habe den Solar-Markt kampflos China überlassen sagt Fronius-Chefin Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß. Die USA gehen derzeit einen anderen Weg: Neben Einfuhrverboten für chinesische PV-Anlagen sorgt deutlich preiswerterer Industriestrom für die energieaufwändige Solarpanelproduktion für einen Anreiz. Im Rahmen des Inflation Reduction Acts wurden zudem massive große Steuervorteile die Ansiedelung der Solarbranche festgeschrieben. Eine Tatsache, die auch die Industrie bemerkt. "Die Amerikaner machen eine ganz starke Industriepolitik“ sagt die Fronius-Chefin. Auch deshalb sieht man sich bei Fronius derzeit um einen lokalen Produktionsstandort um. Eine kleine Fertigung, die im Raum Chicago entstehen soll, will man jedoch nicht als ein Auslagern, sondern als ein Add-On verstehen um den US-Markt besser bedienen zu können.

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Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß, CEO bei Fronius - © Fronius

Chinesische Skaleneffekte

150 Millionen chinesische Solarmodule sollen derzeit in den Lagerhallen der europäischen Häfen liegen, so der Verband der europäischen Solarindustrie (European Solar Industry Association). Und die sind in der Qualität nicht schlechter als die der europäischen Hersteller. Aber sie werden mit einem massiven Kostenvorteil in der Produktion hergestellt: Allein beim größten chinesischen Hersteller werden derzeit Solarmodule mit einer Gesamtleistung von 70 Gigawatt produziert - während die gesamte europäische Solarindustrie auf 8 Gigawatt kommt.

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Dieser Skaleneffekt schlägt sich in den Kosten für die Produktion nieder. Derzeit gehen Experten davon aus, dass sich die Herstellungskosten chinesischer Hersteller auf etwa 17 bis 18 Eurocent pro Watt produzierter Solarmodule belaufen. In Europa liegen sie fast doppelt so hoch, wie von Brancheninsidern geschätzt wird.

Forderungen nach einer Wiedereinführung von Zöllen auf chinesische Module sind angesichts der ernsten Lage inzwischen laut geworden. In der Solarbranche ist die Einführung von Strafzöllen jedoch sehr umstritten. Vor allem die Energiewende würde dadurch teurer, warnen Kritiker. Immerhin stammen derzeit fast 90 Prozent aller Anlagen, die in Deutschland installiert sind, aus China.

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Europa steht also vor einem Dilemma: Zölle und Importverbote wie in den USA schützen die wenigen verbliebenen Produktionskapazitäten, verlangsamen aber die Energiewende durch höhere Verbraucherkosten. Die Industrie sieht das Endspiel um den Standort heraufziehen, obwohl es erklärtes Ziel der EU ist, die europäische PV-Industrie als Teil der kritischen Infrastruktur auszubauen.