E-Auto-Batterie Recycling : Batterierecycling: Eine Branche unter Strom

Batterierecycling: Eine Branche unter Strom - Wie die steigende Anzahl von Elektrofahrzeugen die Batterierecycling-Industrie vor neue Herausforderungen stellt und welche Rolle die EU-Batterierichtlinie dabei spielt.

E-Auto News: Eine Branche unter Strom - Wie die steigende Anzahl von Elektrofahrzeugen die Batterierecycling-Industrie vor neue Herausforderungen stellt und welche Rolle die EU-Batterierichtlinie dabei spielt.

- © Stefan Freunberger

Das klingt richtig gut: Bis 2030 werden nach Schätzungen des Europäischen Parlaments rund 30 Millionen E-Fahrzeuge auf Europas Straßen unterwegs sein – vor allem Personenkraftwagen und Zweiräder, aber auch immer mehr LKWs. Das große Ziel des European Green Deal, bis 2050 die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen um 90 Prozent zu senken, rückt damit ein gutes Stück näher. Doch das ambitionierte Vorhaben hat auch eine Kehrseite: Sollen die angekündigten Millionen von E-Fahrzeugen tatsächlich Realität werden, muss die Batterieproduktion in den nächsten Jahren nahezu um den Faktor zwanzig steigen. Dass sich die Abfallbranche ebenso wie der Gesetzgeber schon jetzt Gedanken machen, wie sich das auf die zukünftige europäische Kreislaufwirtschaft, die Materialströme und deren Recycling wird, ist naheliegend.

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Mit seiner aktualisierten EU-Batterierichtlinie hat das Europäische Parlament jedenfalls eine Reihe an Vorgaben geliefert. Zum einen schafft die Richtlinie eine neue Klassifikation, indem sie eine separate Kategorie von Batterien einführt, nämlich Batterien, die zum Antrieb von leichten Straßenfahrzeugen wie E-Bikes und E-Scootern dienen. Die steigende Bedeutung dieser Batterien für die E-Mobilität, argumentierte das EU-Parlament, mache diesen Schritt notwendig, denn in Zukunft sollen sowohl Batterien für Leichtfahrzeuge als auch solche für den Betrieb von schweren Fahrzeugen wie Autos, Schiffen oder Flugzeugen ihren CO₂-Fußabdruck ausweisen und einen Mindestanteil an recycliertem Material beinhalten. Auch für Industriebatterien mit einer Kapazität von mehr als 2 kWh sollen diese Vorgaben gelten.

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Wir unterstützen die neuen Regulierungen. Dennoch sind einige Frage offen, vor allem wie die Einführung dieser Regulierungen so gestaltet werden kann, dass sie das Recycling von Batterien bestmöglich fördert.
Emeric Malefant, Veolia

Ambitionierte Quoten

Schafft bereits die Anforderung, bestimmte Recyclatmengen in bestimmten Batterietypen zu verbauen, einen starken Recyclingdruck, so soll dieser nach der Idee des Europäischen Parlaments zusätzlich auch durch strengere Sammelvorgaben erhöht werden. Daher sieht die neue Richtlinie auch vor, bei Gerätebatterien das Sammelziel von derzeit 45 Prozent auf 63 Prozent im Jahr 2027 und 73 Prozent im Jahr 2030 zu erhöhen. Bei Batterien von leichten Verkehrsmitteln sollen 51 Prozent bis 2028 und 61 Prozent bis 2031 erreicht werden. Zugleich wurden auch Mindestmengen, die beim Recycling von Lithium, Kobalt, Kupfer, Blei und Nickel aus Batterien erreicht werden müssen.

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Batterierecycling entwickelt sich aber auch abseits von gesetzlichen Regelungen immer mehr zu einer unverzichtbaren Notwendigkeit. Allein im Bereich des Batteriebaus wird bis 2030 achtzehnmal so viel Lithium wie heute gebraucht werden, bis 2050 sechzigmal so viel. Bei Kobalt wird bis 2030 eine Verfünffachung, bis 2050 eine Verfünfzehnfachung des Bedarfs eintreten.

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Den regulatorischen Vorgaben, die die Branche in Zukunft erfüllen wird müssen, um zumindest einen Teil der benötigten Rohstoffe per Recycling zu gewinnen, steht sie grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. So bekennt etwa Emeric Malefant, Head of the Electric Vehicle Batteries Recycling Program bei Veolia: „Wir unterstützen die neuen Regulierungen. Dennoch sind einige Frage offen, vor allem, wie die Einführung dieser Regulierungen so gestaltet werden kann, dass sie das Recycling von Batterien bestmöglich fördert.“ Auch Julian Proells, Director Business Management Battery Recycling bei BASF steht der aktualisierten Batterierichtlinie grundsätzlich positiv gegenüber. „Sie gewährleistet, dass alle Akteure innerhalb Europas unter den gleichen Bedingungen agieren.“

Die Richtlinien gewährleisten, dass alle Akteure innerhalb Europas unter den gleichen Bedingungen agieren.
Julian Proells, BASF

Markt in Findungsphase

Zugleich ist klar: Im Moment befindet sich der Markt in einer Findungsphase. Zum einen existieren derzeit, jedenfalls bei Fahrzeugbatterien, noch keine großen Mengen, die wiederverwertet werden könnten – die meisten Batterien aus E-Autos, aber auch aus Bikes und Scootern werden das Ende ihres Lebenszyklus ja erst erreichen. Zum anderen fehlt es gegenwärtig auch an Kapazitäten, um größere Mengen zu recyclieren. Die meisten der in Europa befindlichen Recyling-Anlagen sind erst Pilotprojekte, sie in einen kommerziell darstellbaren Bereich zu skalieren, wird der nächste Schritt sein.

Eine Studie des deutschen Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung hat 2021 die in Europa existierenden Kapazitäten für Batterierecycling mit 33 Kilotonnen pro Jahr beziffert. Zugleich spricht die Studie davon, dass sich das Volumen der zu recycelnden Lithium-Ionen-Batterien und Batteriekomponenten europaweit bis 2030 auf bis zu 300 Kilotonnen jährlich erhöhen wird. 2040 werden es dann 1.500 Kilotonnen pro Jahr sein. Batterie-Verwerter sind für die Bewältigung solcher Mengen auch auf der Logistikseite bei Weitem noch nicht ausreichend gerüstet. Das bestätigt unter anderem Robert Sommer, Senior Segment Manager bei Dolav, einem international tätigen Logistikausrüster: „Alle wissen, dass große Mengen kommen werden, aber noch ist es ein Vorbereiten, ein Investieren in die Zukunft.“

Digitalisierung und Automatisierung sind die Aufgaben, die anstehen. Das Potential, das wir hier sehen, ist sehr groß.
Zied Shakrun, Siemens

Potenzial der Automatisierung im Batterierecycling

Zudem müssen entlang aller Recyclingschritte noch so manche technische Fragen gelöst werden. So ist einerseits klar, dass bei der Demontage von Batterien, sobald die Mengen steigen, Automatisierung unumgänglich sein wird. Andererseits eignen sich viele der derzeit in Fahrzeugen verbauten Batterien nicht besonders gut für die Demontage durch einen Roboter, etwa weil sie flexible Teile besitzen, die ein Roboterarm nur schlecht greifen kann. Unabhängig davon wirft eine automatisierte Demontage auch viele Sicherheitsfragen auf: vom Austreten gefährlicher Substanzen bis zur Brandgefahr. Technisch offen ist derzeit auch, wie es am besten gelingen kann, Demontage-Roboter so zu designen, dass sie möglichst viele Batterietypen von möglichst vielen Herstellern verarbeiten können.

Zied Shakrun, Business Development Future Markets and Innovation bei Siemens ist bei allen noch existierenden Unklarheiten dennoch überzeugt, dass Automatisierung im Batterierecycling Einzug halten wird: „Digitalisierung und Automatisierung sind die Aufgaben, die anstehen. Das Potential, das wir hier sehen, ist sehr groß.“

Alle wissen, dass große Mengen kommen werden, aber noch ist es ein Vorbereiten, ein Investieren in die Zukunft.
Robert Sommer, Dolav

Schwarzmasse im Fokus

Viele der Entwicklungen, an denen derzeit im Bereich des Batterierecycling geforscht wird, betreffen die Schritte nach der Demontage und dem Schreddern der Altbatterien. Üblicherweise folgt auf das Schreddern eine Behandlung des geschredderten Materials, bei der Stahl, Aluminium und Kupferbestandteile aufgetrennt werden und andererseits ein Gemisch aus Elektrodenmaterialien, Bindern, Additiven und Restbestandteilen des Elektrolyts übrigbleibt – die sogenannte Schwarzmasse. Sie ist unter dem Aspekt der Wiederverwendung besonders wertvoll, denn in ihr sind unter anderem Kobalt und Lithium enthalten. Die beiden aus der Schwarzmasse so herauszulösen, dass sie erneut genutzt werden können, ist allerdings alles andere denn trivial. Mit den aktuellen Rückgewinnungstechnologien werden bei Lithium zum Beispiel Rückgewinnungsquoten von vierzig bis fünfzig Prozent erreicht, mittelfristig sollen bis zu achtzig Prozent möglich werden.

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Doch selbst wenn neunzig Prozent erreichbar werden sollten: Schon nach wenigen Zyklen wäre mehr als die Hälfte des ursprünglichen Lithiums verloren gegangen. Nach einigen weiteren Zyklen wären nur noch Spuren vorhanden. „Das illustriert seht gut die Problematik, die sich bei allen Wertstoffen, die nicht zu hundert Prozent verwertbar sind, stellt. Selbst bei hohen Rückgewinnungsquoten ist der Materialverlust sehr schnell so hoch, dass man kaumvon einem Kreislauf sprechen kann“, sagt Stefan Freunberger, der am ISTA, dem Institute of Science and Technology Austria forscht.

Bei allen Wertstoffen, die nicht zu hundert Prozent verwertbar sind, ist der Materialverlust schnell sehr hoch.
Stefan Freunberger, ISTA

Batterien aus organischem Material

Derzeit können Recylclate allerdings ohnehin nur einen sehr geringen Teil des Bedarfs an Rohmaterial für die Batterieproduktion decken, da einer hohen Nachfrage nur geringe Mengen an Batterien gegenüberstehen, die recycliert werden. Doch auch 2040 werden nach Schätzungen des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung bei Kobalt zwar immerhin vierzig, bei Lithium, Nickel und Kupfer aber nur rund fünfzehn Prozent des Bedarfs mit Recyclaten abgedeckt werden können.

Die Forschung bemüht sich daher bereits seit einiger Zeit darum, Batterien zu konstruieren, die auf problematische und knappe Rohstoffe verzichten können und die organisches Material nutzen. Neben der besseren Verfügbarkeit bedeuten solche Batterien auch einen Vorteil beim Recycling. Denn auch wenn nicht jedes organische Material gleichermaßen gut abbaubar ist, sind organische Stoffe in der Regel leichter wiederzuverwerten.

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Die Forscher um Stefan Freunberger haben eine Lösung gefunden, bei der mit organischem Material eine Batterie hergestellt werden kann, die ähnliche Energiedichten wie Lithium-Ionen-Batterien basierend auf Eisenphosphat erreichen. Lithium-Ionen-Batterien werden in sehr vielen Bereichen genutzt, darunter E-Mobilität, wobei dort im gehobenen Segment auch die noch energiedichteren Nickel-Mangan-Kobalt-Zellen zum Einsatz kommen.

In unserer Sendung behandeln wir folgende Themen: Die steigenden Strompreise belasten den Schienengüterverkehr, Engel Austria sichert sich den Titel 'Fabrik des Jahres 2023' in einem anspruchsvollen Produktionswettbewerb, und wir zeigen, wie künstliche Intelligenz den B2B-Vertrieb revolutioniert.

Nachnutzung von E-Auto-Akkus

Das Potential für die Nutzung von Batterien, die auf Basis organischer Stoffe aufgebaut sind, ist groß. Schon heute werden sie im stationären Bereich, wo Platz keine limitierende Größe ist, verwendet. Mit einer Lösung, die die Energiedichte von Lithium-Ionen-Zellen erreicht, ist mittelfristig auch der Einsatz in der E-Mobilität denkbar.

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Abseits von neuen technologischen Lösungen kann ein Weg, mit dem hohen Bedarf an Batterien umzugehen, auch in diversen Reuse-Konzepten bestehen und auch darin, Batterien so lange wie möglich zu nutzen. Das deutsche Start Up Battery Lifecycle Company (BLC), ein Joint Venture des Recycling-Spezialisten TSR und des Logistikdienstleisters Rhenus, hat diesen Gedanken zu einem interessanten Geschäftsmodell weiterentwickelt. Man wolle, sagt Lukas Brandl, der Geschäftsführer von BLC als Dienstleister sowohl am Anfang als auch am Ende des Lebenszyklus einer Batterie tätig werden.

Batterien, die irreparabel defekt und nicht mehr einsatzfähig sind, werden tiefenentladen und zerlegt. In weiterer Folge will das neugegründete Joint Venture auch leistungsfähige Komponenten von Altbatterien identifizieren und sie als Ersatzmodule für Reparaturen und bei der Aufarbeitung von Batteriepacks nutzen.

Gebrauchte Akkus können als Speichermedien für Strom aus Windrädern und Photovoltaik noch zehn bis fünfzehn Jahre gut arbeiten, bevor sie verschrottet oder recycliert werden müssen.
Maximilian Fichtner, Universität Ulm

Verlängerter Lebenszyklus

„Wir haben das Ziel, ein ganzheitliches Batterierecycling entlang der gesamten Wertschöpfungskette anzubieten und wollen alle Aufbereitungsschritte von der Erstprüfung bis zur Reparatur und Demontage übernehmen“, erklärt Brandl. Der Erstprüfung kommt in diesem Konzept eine besonders wichtige Rolle zu, denn funktionstüchtige Batterien, deren Leistung nicht mehr für den Einsatz in Fahrzeugen ausreicht, werden für eine Wiederverwendung in neuen Anwendungsgebieten vorbereitet.

Dass es im Sinne der Nachhaltigkeit sinnvoll ist, auf Nachnutzung zu setzen, betont auch Maximilian Fichtner, Professor für Festkörperchemie und einer der führenden Batterieforscher in Europa. Denn Akkus, die in einem Auto nicht mehr einsatzfähig sind, können noch jahrelang weitergenutzt werden: „Man kann sie für andere Zwecke verwenden, etwa als Speichermedien für Strom aus Windrädern und Photovoltaik. Da haben sie moderatere Arbeitsbedingungen als im Auto und können noch zehn bis fünfzehn Jahre gut arbeiten, bevor sie verschrottet oder recycliert werden müssen.“

30 Mio. E-Autos in Europa bis 2030

Lithiumbedarf

18 x so viel wie heute bis 203060 x so viel wie heute bis 2050

Kobaltbedarf

5 x so viel wie heute bis 203015 x so viel bis 2050

Sammelziele der EU

Gerätebatterien: ​​​​45 % bis 2027, 63 % bis 2030

Batterien von leichten Verkehrsmitteln: ​​51 % bis 2028, ​​​​​​61 % bis 2031

Laut EU vorgesehene Rückgewinnungsquoten

Lithium​​​​​​ 50 % bis 2027​​​​​​80 % bis 2031

Kobalt, Kupfer, Blei und Nickel​​​ 90 % bis 2027, ​​​​​​95 % bis 2031

Kapazitäten Batterierecycling


2021 - ​​​33 Kilotonnen

Benötigt bis 2030​ - 300 Kilotonnen

Benötigt bis 2040 - ​1500 Kilotonnen