Metalle und Rohstoffe : Rohstoffmangel akut – welche Szenarien drohen, welche Lösungen gibt es?

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Der EU drohen laut einer Untersuchung mittelfristig Engpässe bei der Versorgung mit Metallen wie Lithium. Hintergrund ist, dass der Rohstoffbedarf stark steigen wird, um etwa Energiewirtschaft und Verkehr nachhaltig zu gestalten.

So heißt es jetzt zumindest in einer Studie der Katholischen Universität Löwen. "Elektrofahrzeuge, Batterien, Photovoltaikanlagen, Windräder und Wasserstofftechnologien benötigen alle wesentlich mehr Metalle als ihre herkömmlichen Alternativen", erklärten die Forscher. Damit sind also gleich mehrere Industriezweige betroffen.

Wie sehr ganze Branchen jetzt schon den Mangel spüren – natürlich verschärft durch die kriegsbedingten Störungen in den Lieferketten –, lässt sich an einzelnen Unternehmen ablesen. Der oberösterreichische Autozulieferer Polytec etwa wagt für 2022 derzeit keine Prognose – unter anderem wegen knappen Ressourcen. Laut Erich Lehner, Managing Partner Markets bei EY Österreich, sind es zwei Mängel, die derzeit das Wachstum in jedem Bundesland bremsen: einmal Fachkräfte und einmal Rohstoffe.

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"Ohne eine baldige Versorgung mit neuen Primärmetallen drohen kritische Engpässe."
Studie der Katholischen Universität Löwen

Rohstoffe – politisch motiviert?

Rohstoffe können durch solche Mängel dann plötzlich als politische Druckmittel genutzt werden. Der Rohstoff Lithium etwa darf in Mexiko künftig nur noch von staatlichen Stellen gefördert und verkauft werden.

Für die Elektromobilität, die Österreichs Abhängigkeit von russischem Gas senken soll, ist Lithium unverzichtbar. Lithium ist der Grundstoff für Lithium-Ionen-Batterien, das wichtigste Bauteil von Elektroautos. Es wird bislang vor allem in Australien sowie in Chile und weiteren lateinamerikanischen Ländern abgebaut. Die Verarbeitung zu batteriereinem Lithium, das in der Zellproduktion eingesetzt werden kann, findet überwiegend in China statt.

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"Wir müssen aufpassen, dass unsere schöne Energiewende nicht am Rohstoffmangel scheitert."
Karl Lichtblau, Institut der deutschen Wirtschaft

Lithium – Bedarf und Potenzial nicht deckungsgleich

In Auftrag gegeben wurde die am Montag veröffentlichte neue Studie vom europäischen Verband Eurometaux, in dem sich Nichteisenmetallerzeuger und -recycler zusammengeschlossen haben. Die globale Energiewende schreite schneller voran als die Zahl der Bergbauprojekte zur Gewinnung der nötigen Metalle, heißt es in der Untersuchung.

Bei Kupfer, Kobalt, Lithium, Nickel und sogenannten seltenen Erden könne es deshalb ab 2030 globale Versorgungsengpässe geben. Europa habe nur ein kleines Zeitfenster, um seine heimische Produktion voranzutreiben.

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Ein Abbau in der EU hätte den Vorteil, dass die hier geltenden Umwelt- und Sozialstandards eingehalten werden müssen, meinte die Geologin und Studienautorin Liesbet Gregoir. Besonders bei Lithium übersteige der zukünftige Bedarf jedoch das theoretische Potenzial. Kurzfristig sei die EU also auf Importe angewiesen. Dabei sei man gut aufgestellt: Die EU würde Metalle aus vielen verschiedenen Ländern beziehen, so Gregoir.

"Greenflation"

Mangel bedeutet natürlich auch unweigerlich Teuerung. Ökonomen warnen bereits länger, dass steigende Rohstoffpreise den Ausstieg aus fossiler Energie erschweren könnten. Stark steigende Rohstoffpreise gefährden nach Ansicht deutscher Wirtschaftsexperten den geplanten weltweiten Übergang zu kohlendioxidfreier Stromerzeugung. "Wir müssen aufpassen, dass unsere schöne Energiewende nicht am Rohstoffmangel scheitert", sagt zum Beispiel Karl Lichtblau vom Institut der deutschen Wirtschaft.

Der Ökonom sieht bei 22 chemischen Elementen Probleme und verwies auf Knappheit etwa bei Kupfer, Platin und Lithium. Kupfer wird für Windräder benötigt, Platin für die Wasserstofferzeugung, Lithium für die Batterieproduktion.

Manche Unternehmen, etwa Wienerberger, geben an, von den steigenden Preisen nicht betroffen zu sein. Das ist aber damit zu erklären, dass sie die gestiegenen Kosten in ihren eigenen Preisen weitergeben. Davon abgesehen ist nämlich auch in der heimischen Bauindustrie sehr wohl zu beobachten, dass der globale Rohstoffmangel bremst.

Der globale Chefstratege des US-Investmenthauses Morgan Stanley, Ruchir Sharma, sprach von einer "Greenflation", einer Teuerungswelle durch die Energiewende. "Steigende Nachfrage und sinkendes Angebot werden die Preise weiter nach oben schießen lassen", sagte er dem Blatt.

Die ökonomischen Effekte könnten in den kommenden Jahren die gesamte weltweite Klimapolitik entgleisen lassen. Das Problem von "Greenflation" liege nicht allein im aktuellen Anstieg der Rohstoffpreise. Hinzu komme, dass zugleich neue umweltpolitische Vorgaben die künftige Produktion, etwa von Kupfer und Aluminium, auf Dauer erschwerten. Dies alles könne kohlendioxidfreien Strom unterm Strich deutlich teurer machen als bisher gedacht.

Die große Möglichkeit

Kein Ausweg also aus der Rohstoff-Misere? Einen wichtigen Teil der Lösung könnte Recycling darstellen. Von 2040 an könne ein großer Teil des europäischen Metallbedarfs auch durch Wiederverwertung gedeckt werden.

"Recycling ist Europas größte Möglichkeit, seine langfristige Selbstversorgung zu verbessern, und könnte bis 2050 45 bis 65 Prozent des Bedarfs an Basismetallen in Europa decken", heißt es in der Studie. Bei sogenannten seltenen Erden und Lithium bestehe das Potenzial, Quoten von mehr als 75 Prozent zu erreichen.

Mit deutlichem Abstand am stärksten steigt der Bedarf der Untersuchung zufolge beim Lithium. Die globale Nachfrage nach dem Metall als Übergangsrohstoff werde bis 2050 voraussichtlich mehr als 2000 Prozent der weltweiten Gesamtnachfrage von 2020 betragen.

Aber auch bei seltenen Erden wie Dysprosium (plus 433 Prozent) oder dem Schwermetall Kobalt (plus 403 Prozent) ist den Angaben zufolge mit einer deutlich höheren Nachfrage zu rechnen. Mit Blick auf Europa rechnen die Forscherinnen und Forscher damit, dass 35-mal mehr Lithium, 7- bis 26-mal mehr Seltenerdmetalle und 3,5-mal mehr Kobalt benötigt wird, um nachhaltig Energie zu erzeugen und die EU bis 2050 klimaneutral zu gestalten.

"Ohne eine baldige Versorgung mit neuen Primärmetallen und ein besseres Recycling drohen kritische Engpässe, die Europas Ziel eines autonomeren, sauberen Energiesystems gefährden", teilte die KU Löwen (Belgien, flämisch: Leuven) mit. Die Untersuchung schränkt jedoch ein, dass Technologische Entwicklungen und Verhaltensänderungen die Lage ebenfalls noch beeinflussen können, in der Studie aber nicht berücksichtigt wurden. (apa/red)