Elektromobilität : AVL List auf der Suche nach der ultimativen Batterie

Helmut List AVL List

Helmut List: Ambitionierte Batterie-Ziele

- © Helene Waldner

Zur Verbesserung von Lithium-Ionen-Zellen haben sich vier maßgebliche Player der steirischen Industrie- und Forschungslandschaft zusammengefunden. Das ehrgeizige Ziel ist laut dem Grazer Forschungszentrum Virtual Vehicle die Steigerung der Energiedichte der Akkuzellen um 20 bis 30 Prozent bei 1.000 Ladungen. Am Projekt OpMoSi sind zudem die Materials Center Leoben Forschungs GmbH, die Varta Innovation GmbH sowie die AVL List beteiligt.

Die Lithium-Ionen-Batterie hat in den 1990er-Jahren den Energiespeichermarkt erobert: Man findet sie in Smartphones ebenso wie in Digitalkameras, E-Bikes, Notebooks oder Haushaltsgeräten und Werkzeugen. Vor allem durch die rasante Entwicklung im Bereich der E-Mobilität verzeichnet die Technologie weiterhin konstante Wachstumsraten. Nicht zuletzt, weil es gelungen ist, die Dichte der Batterien um mehr als das Dreifache zu erhöhen. Um den Trend fortzusetzen, ist aber eine weitere Verbesserung der Technologie und die Entwicklung neuer Materialien notwendig.

Steirisches Konsortium

Hier setzt das steirische Konsortium, das von der Virtual Vehicle GmbH koordiniert wird, an: Vorrangiges Ziel des dreijährigen Projektes ist es, die Ladungsdichte und Lebensdauer von Li-Io-Zellen zu erhöhen. Gelingen soll dies durch neuartige Anoden, sogenannte "Hollow Core-Shell Silizium Kohlenstoff (HCS Si-C) Komposit Anoden". Diese neue Zellgeneration soll verglichen mit bestehenden Technologien eine 30 Prozent erhöhte Energiedichte bei gleicher Ladestabilität erreichen. Im Entwicklungsprozess sollen die Kompetenzen der Projektpartner in verschiedenen Bereichen effektiv kombiniert und gebündelt werden: Von der Simulation über die Elektroden- bzw. Zellfertigung bis zur Elektrochemie. "Künftig soll eine zielgerichtetere, kostengünstigere und ressourcenschonendere Herstellung von verbesserten Lithium-Ionen-Batterien mit Si-Anoden ermöglicht werden", hieß es vonseiten Virtual Vehicle. Nach erfolgreicher Projektdurchführung sei ein Folgeprojekt auf nationaler oder EU-Ebene geplant.

Die Virtual Vehicle Research GmbH ist mit 300 Mitarbeitern laut eigenen Angaben Europas größtes Forschungszentrum für virtuelle Fahrzeugentwicklung. Der Schwerpunkt liegt auf der engen Verknüpfung von umfassender Systemsimulation und Hardware-Tests in der Automobil- und Bahnindustrie. Das Materials Center Leoben (MCL) ist ein Forschungsunternehmen mit hoher Expertise im Bereich der Materialforschung, das sich auf Werkstoffe, Herstell- und Verarbeitungsprozesse sowie innovative Werkstoffanwendung spezialisiert hat. Im Projekt will man hochauflösende bildgebende Verfahren sowie KI-basierte Bildanalyse-Modelle heranziehen, um die Struktur der Anode bestmöglich verstehen zu können.

Die Varta Innovation GmbH ist Teil der Varta AG, die zur Industriegruppe Montana Tech Components gehört. Sie bringt die Kompetenz in der Fertigung von Elektroden und Batteriezellen sowie ein grundlegendes Verständnis der verwendeten Materialien und der Zellauslegung bzw. des Zelldesigns ein. Die AVL List GmbH ist für die Entwicklung, Simulation und das Testen von Antriebssystemen in der Automobilindustrie und anderen Industrien bekannt. Das Unternehmen mit rund 11.000 Mitarbeitern hat sich über Jahre eine Expertise im Design und der Auslegung von Batteriemodulen und Batterie-Packs erarbeitet. Das Gesamtprojekt wird vonseiten der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft mit 2,7 Mio. Euro gefördert.

Recycling für AVL ebenfalls wichtiges Forschungsthema

Batterien in Elektroautos werden meist aussortiert, wenn sie nur mehr 80 Prozent ihrer Leistung erbringen. Bisher müssen sie entsorgt und recycelt werden, doch ein Grazer Konsortium will ihnen ein zweites Leben einhauchen. AVL List, AVL DiTEST, Energie Steiermark, Grazer Energieagentur, Saubermacher sowie Smart Power bauten mit den Batterien einen von Originalausrüstungsherstellern (OEM) unabhängigen großtechnischen Stromspeicher. Das Projekt wurde am Dienstag abgeschlossen.

Konzipiert wurde die Pilotanlage zur Abdeckung von Spitzenlast. Gleichzeitig wurden spezielle Instrumente für die Zustandserhebung - den "State of Health" - der E-Autobatterie entwickelt. Dem Konsortium war es wichtig, den Prototyp unabhängig von Batterieherstellern zu entwickeln, damit die Voraussetzungen für einen freien Markt geschaffen wird. "Mit der Überführung des Prototyps zum Saubermacher Ecoport in Feldkirchen bei Graz wurde das Projekt Second Life - Batteries4Storage nun nach rund dreieinhalbjähriger Laufzeit erfolgreich abgeschlossen", sagte Saubermacher-Chef Hans Roth.

Damit man aber Batterien dem zweiten Leben zuführen kann, muss man auch den Zustand von diesen genau bestimmen können. Von AVL DiTEST wurde dazu ein mobiles Schnellanalyse-Gerät entwickelt. Es erhebt den Zustand unterschiedlicher Batterien verschiedener Erzeuger. Von AVL List wurde indessen ein elektronisches Bewertungswerkzeug entwickelt, das den Wert-Unterschied zwischen Recycling und Wiederverwendung darstellt. Die Grazer Energieagentur steuerte ein Planungstool bei, das eine optimale Dimensionierung der Speichersysteme für bestimmte Anwendungen ermöglicht.

Speichersystem der Zukunft

Die Pilotanlage wurde von Smart Power errichtet und hat eine Leistung von 96 kWh. "Seit Herbst 2020 glich der Prototyp am Saubermacher Standort in Premstätten die Lastspitzen des Entsorgungsunternehmens aus. Nun wurde die Anlage in die Firmenzentrale in Feldkirchen bei Graz verlegt und optimiert dort den Eigenstromverbrauch aus der Fotovoltaikanlage", hieß es weiter. Von außen sieht die Anlage unscheinbar aus und ähnelt einem kleinen Container. Darin sind aber die Akku-Module auf Regalen zu sehen. Sie sind miteinander vernetzt und stammen aus einem recht großen Elektrofahrzeug.

Batterie-Stromspeichersysteme werden in Zukunft eine immer größere Rolle spielen: Sie sollen bei erneuerbaren Energiequellen für den Ausgleich von Stromerzeugung und Verbrauch sorgen. Außerdem sollen sie bei Stromausfällen als Absicherung dienen, die Netzstabilisierung verbessern und mehr dezentral produzierten Strom liefern. Zielgruppen für Speichersysteme aus gebrauchten Batteriesystemen seien stromintensive Industriebetriebe sowie Errichter und Betreiber von Wohngebäuden und PV-Anlagen, Anbieter für Elektrotechnik, Betreiber von großen E-Fahrzeugflotten wie Elektrobussen sowie E-Mobilitätsdienstleister.

Aktuell fallen in Österreich pro Jahr etwa 4.000 gebrauchte Batteriesysteme aus der Elektromobilität an - das entspricht etwa 200 Tonnen, rechnet das Konsortium vor. Je nach Entwicklung der E-Mobilität werden für das Jahr 2030 zwischen 10.000 und 20.000 Tonnen prognostiziert.