Lieferketten : Mega-Stau im Hamburger Hafen – Folgen für Österreichs Industrie

Hamburger Hafen Container
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Störungen in den globalen Lieferketten führen zu Problemen in den Häfen. Das bekommt auch der für Österreich wichtige Hafen Hamburg deutlich zu spüren. Infolge großer Schiffsverspätungen stauen sich die Container auf den Terminals, was zu einer Überlastung der Lager führt, wie Hans-Jörg Heims, Sprecher des Hamburger Hafenlogistikers HHLA, sagte. Eine ganze Reihe von Schiffen müsse daher derzeit vor Helgoland warten, bis ein Platz in ihrem Zielhafen frei werde.

Der Hamburger Hafen ist für Österreich der wichtigster Containerhafen für neben Triest/Koper und Rotterdam ausgebaut. Mit einem Containerumschlag von 320.776 Standardcontainern (TEU) und einem Plus von 6,46 Prozent im Vergleich zum Vorjahr war 2021 das bisher beste Ergebnis erzielt worden. "Auch das Jahr 2022 ist gut angelaufen", sagte der Leiter der Repräsentanz Österreich von Hafen Hamburg Marketing in Wien, Alexander Till, noch im März.

Er betonte: "Seit Beginn der Containerisierung in den 1970er-Jahren ist Hamburg ohne Unterbrechung der wichtigste Hafen für Österreich in diesem Segment." Der Marktanteil sei stets zwischen 40 und 50 Prozent gelegen.

Doch nun: Stau. Laut Hans-Jörg Heims sind es zehn Frachter, die zurzeit nach Hamburg wollen. "Das kann von ein paar Tagen bis zu einigen Wochen dauern." Trotz aller Bemühungen und eines Großeinsatzes von Personal und Technik komme es zu Verzögerungen bei der Abfertigung.

Mitarbeiter im hamburger Hafen
Ein Mitarbeiter im Hamburger Hafen. Doch die Situation gerät außer Kontrolle. - © YouTube/WELT Nachrichtensender
"Wir kommen an Grenzen, je länger die Situation auf den Lieferketten so angespannt bleibt."
Hans-Jörg Heims

Lieferketten und Staus außer Kontrolle

Wie kam es zu diesen Problemen? "Ausgelöst durch die Coronapandemie gibt es seit zwei Jahren weltweit Störungen in den Lieferketten", sagte Heims. "In Folge von Lockdowns in großen chinesischen Städten ist der Betrieb in den dortigen Häfen immer wieder unterbrochen worden. Und dann stauen sich dort die Schiffe. Löst sich der Stau auf, kommt die Welle ein paar Wochen später in Europa an."

Seit zwei Jahren habe die HHLA solche Situationen immer wieder gut gemanagt. Doch die Fahrpläne der Schiffe seien durch weitere Ereignisse wie die tagelange Blockade des Suezkanals durch das Großcontainerschiff "Ever Given" im März 2021, schlechte Witterung und zuletzt durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine außer Kontrolle geraten.

Die HHLA habe bereits zusätzliche Flächen mit Containern belegt. "Aber wir kommen an Grenzen, je länger die Situation auf den Lieferketten so angespannt bleibt", berichtete Heims. Je mehr Container in einem Lager stehen, umso größer sei der Aufwand beim Umschlag und desto länger dauere die Abfertigung.

Früher habe man 500 Meter gebraucht, um einen Container vom Lager zum Schiff zu bringen. Heute seien das manchmal 1,5 Kilometer - je nachdem, wo der Container stehe. Erschwert wurde die Situation auf einem Terminal im Hamburger Hafen durch Bauarbeiten für Landstrom. Dadurch habe ein Liegeplatz zeitweise nicht genutzt werden können.

Der Stau von Frachtschiffen wird auch für höhere Preise sorgen. Das Exportvolumen des größten Hafens der Welt ist nach Schätzungen drastisch zurückgegangen. Viele Unternehmen bekämen ihre Waren teilweise seit mehr als drei Wochen nicht mehr aus dem Land. Auch alternative Lieferwege über andere Häfen reichten nicht aus, um den Ausfall abzufedern. "Die Verknappung des Angebots an Lieferungen aus China wird die bereits jetzt schon hohe Inflation in Deutschland weiter negativ beeinflussen", sagte Maximilian Butek, der Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Shanghai.

"Die Schockwellen, die der Stillstand hier in China auslöst, sind noch gar nicht im vollen Umfang fassbar", sagte der Delegierte. Es dürften Monate vergehen, um die Störungen in den Lieferketten zu beheben. Der Hafen an sich sei nicht das größte Problem. Die Schwierigkeit liege wegen der strengen Coronamaßnahmen vielmehr im Transport der Waren mit Lastwagen von und zum Hafen.

"Das betrifft im Prinzip alle Warengruppen. Aber vor allem bei Elektronikartikeln und Rohstoffen oder Vorprodukten ist die Sorge groß", sagte der Delegierte. Der Lockdown betreffe mittlerweile alle Unternehmen - unabhängig von Branche oder Größe. Es gebe massive Beeinträchtigungen der Lieferketten, der Transport- und Logistik-Möglichkeiten oder beim Personal und in der Produktion.

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Die 26 Millionen Einwohner zählende Hafenstadt ist seit einem Monat von weitgehenden Ausgangssperren betroffen. Die Metropole steht im Zentrum der größten Coronawelle in China seit Beginn der Pandemie vor mehr als zwei Jahren. Mit Ausgangssperren, Massentests und Quarantäne verfolgt die chinesische Führung eine strikte Null-Covid-Strategie, die durch die Ankunft der Omikron-Variante BA.2 aber auf eine schwere Probe gestellt wird.

Vorsichtig optimistisch gibt sich Rolf Habben Jansen, Chef der Reederei Hapag-Lloyd. "Wir sehen jetzt auch die ersten Zeichen, dass wieder mehr Ladung in den Häfen von Shanghai und Ningbo abgefertigt wird", sagte er den Fernsehsendern RTL und ntv. Er persönlich erwarte daher, dass sich die Situation in den chinesischen Häfen in vier bis sechs Wochen weitestgehend normalisiert.

Die aktuellen Probleme dürften sich aber ohnehin erst in etwa zwei Monaten voll auswirken, schätzt das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Die Güter seien etwa bis Hamburg 30 bis 40 Tage unterwegs, müssten danach noch weitertransportiert werden. "Dann könnte es etwa bei Elektronikartikeln wie Fernsehern oder Tablets oder bei Zwischengütern für die deutsche Produktion zu Verzögerungen kommen", sagte IfW-Handelsexperte Vincent Stamer. Das könnte beispielsweise Automobilhersteller oder Maschinenbauer treffen.

Aus Österreich kommen an den Hamburger Hafen vor allem Produkte wie Holz, Papier, Getränke, Beschläge, Maschinen und Anlagen; umgekehrt hauptsächlich Handelswaren, Möbel, Baumaterialien, Sportartikel und Massengüter wie Kohle und Eisenerz.

Der Gesamtumschlag ist im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2020 sogar um fast 27 Prozent auf 5,6 Millionen Tonnen gestiegen. "Kein anderer Hafen bietet für die österreichische Industrie so günstige Voraussetzungen", sagte Till. Entscheidend sei dabei die Bahn. "Sie transportiert 98 Prozent des österreichischen Containervolumens von und nach Hamburg." So seien im vergangenen Jahr pro Woche 160 Züge zwischen Österreich und Hamburg unterwegs gewesen.

Für Österreich sind auch die Häfen an der oberen Adria - vor allem Triest/Koper - und auch Europas größter Hafen Rotterdam von besonderer Bedeutung. Nach Containerumschlag gemessen ist Koper nach Hamburg der zweitwichtigste Hafen. Im Jahr 2020 wurden dort nach Daten der Seehafenbilanz 2021 der Wochenzeitung "Verkehr" 225.000 TEU umgeschlagen, in Triest waren es 42.236 TEU. In Rotterdam belief sich der Containerumschlag auf 65.615 TEU.

Beim Import und Export führt dagegen der Hafen in Koper die Bilanz der wichtigsten Häfen für Österreich noch vor Hamburg an. 2020 wurden in Koper rund 6 Millionen Gütertonnen von und für Österreich umgeschlagen und in Triest waren es rund 770.000 Gütertonnen. In Rotterdam betrug der Gesamtumschlag rund 2,3 Millionen Tonnen. (apa/red)