Produktionsstandorte : Herlitschka (Infineon): "Europa bisher vor allem Endkunde"

Sabine Herlitschka Infineon, Top 250 Industriemagazin-Ranking: 250 Beste Industrieunternehmen in Österreich.

Sabine Herlitschka, Infineon

- © APA/GERT EGGENBERGER

Wenn es nicht den Krieg in der Ukraine gebe, hätte man den stärksten Aufschwung seit 50 Jahren, so aber die höchste Inflation seit 40 Jahren. So spricht zumindest Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung (IV) Österreich, bei einem Konjunkturgespräch der RLB Steiermark.

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Wirtschaftsaufschwünge in einer Dauer von sieben bis zehn Jahren seien ja Ausreißer, historisch gesehen. Die nächste Krise dämmere schon herauf, die Inflationskrise. Man habe in den vergangenen Jahren oft von Knappheiten gesprochen, tatsächlich sei kaum etwas knapp gewesen. "Wir sahen in realer Rechnung unglaublich günstige Energie- und Rohstoffpreise und ein Kapitalangebot ohne Ende."

"Die soziale Kohäsion darf nicht zerstört werden."
Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung (IV) Österreich

Fachkräftemangel erst in Aufwärmphase?

Nun sehe man tatsächlich Knappheitspreise und in Bezug auf die Kapitalmärkte eine totale Erosion der Renditen. Und der jetzige Fachkräftemangel sei nur einmal "zum Aufwärmen", in den nächsten zehn Jahren seien in Österreich wohl rund 540.000 Jobs nicht zu besetzen. Da lägen aber ebenso wie bei der Energie Chancen, "wenn wir es nur klug anstellen." Wenn man das tue, könne man Biogas zu guten Preisen selbst erzeugen, wie Helmenstein bereits Anfang März erläutert hatte. Die heimische Produktionsstruktur sehe Gaseinsatz vor, unter einer hohen Importquote aus Russland, andere Länder wie Frankreich oder Italien könnten da entspannter sein. Wenn Unternehmen ihre Strategie auf Biogas umstellten, könnte das Thema Energie für sie erledigt sein.

Ein Embargo auf Erdgas würde Österreich derzeit massiv treffen. Helmenstein spricht von zweistelligen Inflationsraten, massiver Arbeitslosigkeit und – wegen mangelnder Netzstabilität – auch einem Blackout. Österreich und Europa müssten sich - wie die USA seit 20 Jahren - bei Energien viel autonomer aufstellen.

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Stichwort Lieferketten: Es brauche jedenfalls Zeit und Investitionen, bis neue Produktionsstätten entstünden, aber die Problematik werde sich auflösen, antwortete Helmendstein auf eine entsprechende Publikumsfrage. "Wir werden nicht mehr so lange und dünne Lieferketten sehen, ebenso wie eine verstärkte Diversifikation, das heißt auch Produktion zurück nach Europa, ein Schlüsselfaktor werden dabei auch die Energiekosten sein."

Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung Österreich: Ausstieg aus "ultraexpansiven Geldpolitik"

- © YouTube/ Industriellenvereinigung Niederösterreich

Rückbesinnung auf Standort Europa

Aufhorchen ließ Helmenstein mit einem Plädoyer für ein Aussteigen aus einer "ultraexpansiven Geldpolitik", die zu extremen sozialen Disruptionen und massiven Verteilungskämpfen führen könnte. "Die soziale Kohäsion darf nicht zerstört werden", so Helmenstein in Erinnerung an entsprechende Erfahrungen aus der Ära Margaret Thatcher in Großbritannien.

Sabine Herlitschka, Vorstandschefin von Infineon Technologies Austria, sprach bei gleicher Gelegenheit über die jetzigen Forderungen nach einem Rückbesinnen auf Europa als Produktionsstandort. Als Beispiel führte sie die Genese ihres Unternehmens in Österreich an. 1970 sei man als verlängerte Werkbank gestartet, 2021 habe man nach Investition von rund 1,6 Mrd. Euro eine neue energieeffiziente vollautomatische Fabrik am Standort in Kärnten in Betrieb genommen.

Es gehe darum, Produktion und F&E zu kombinieren. Das habe nur Nutzen: Ein Job bei Infineon schaffe drei weitere in der Region. 2025 plane man 70 Prozent aller Emissionen auf Basis von 2019 einzusparen. Der auf Versorgungssicherheit abzielende European Chips Act (ECA) sehe 43 Mrd. Euro an Investitionen in die Fertigung von Halbleitern vor, gleichzeitig investierten aber die USA und China ein Mehrfaches. "Europa ist bisher vor allem als Endkunde, nicht als Fertiger aufgetreten", so Herlitschka.

Strategische Teile brauchen Investments

Hürden dabei seien Mangel an Fachkräften und "die Herausforderung Genehmigungsrecht". Der bisherige Fachkräftemangel drohe zum Arbeitskräftemangel zu werden. "Der Erfolg bisheriger Rekrutierungsmethoden ist überschaubar, wir brauchen andere Maßnahmen, da muss uns gemeinsam mehr gelingen", sagte Herlitschka.

Sie plädierte für "Investitionen in strategische Teile von Wertschöpfungsketten, denn wir werden nicht alles nach Europa zurückholen können. Die großen Veränderungen kommen erst, da müssen wir zu den first movern gehören und auch besser in der Umsetzung von Zielen, die ja in Europa vorgegeben werden, sein."

Herlitschka brachte angesichts der Problematik US-amerikanischer Datenkraken und dem berüchtigten chinesischen Social Credit System europäische Werte als Asset ins Spiel - den Daten- und Konsumentenschutz in der EU. "Technologien haben immer mit Werten zu tun. Da setzen wir Standards und das ist gut so. Das prägt auch Gesellschaftssysteme und ich möchte, dass die Welt mehr von unseren Werten geprägt ist und nicht vom Social Credit System." (apa/red)