Geschäftsausblick : Wienerberger 2022 – kommt Rekordjahr oder Gas-Notfall?

Verpackte Ziegel bei Baustoffproduzent Wienerberger
© YouTube/ Wienerberger

Der Baustoffkonzern Wienerberger hat in den ersten drei Monaten 2022 bei anhaltend hoher Nachfrage sowohl den Umsatz, als auch den Gewinn stark gesteigert. "Wir sind mit einer Entwicklung von plus 44 Prozent was den Umsatz betrifft auf über eine Milliarde Euro im ersten Quartal sicherlich über den Erwartungen der Analysten und des Marktes. Das ist auch bei weitem unser bestes erstes Quartal in der Geschichte des Unternehmens", sagte Wienerberger-Chef Heimo Scheuch.

Bei einem Umsatz von 1,15 Mrd. Euro wurde das EBITDA auf 225 Mio. Euro mehr als verdoppelt. Längerfristige Prognosen seien angesichts des volatilen geopolitischen und wirtschaftlichen Umfelds schwierig, "wir haben über das zweite Quartal hinaus jetzt keine große Visibilität". Dennoch gehe man davon aus, "dass wir die durchaus ambitionierte Guidance für das Gesamtjahr von 750 bis 770 Millionen aufrecht erhalten können".

Wieneberger sei in 28 Ländern tätig, von denen einige sehr stark von russischem Gas abhängig seien, "andere überhaupt nicht". Wienerberger selbst habe Notfallpläne entwickelt und sei mit den Regierungen und lokalen Planstellen in Kontakt. "Derzeit fließt genügend Gas und wir sind im April. Für April, Mai, Juni sehe ich eine Verfügbarkeit als gegeben an." Wienerberger habe fast 90 Prozent des heuer benötigten Gases schon gekauft, und zwar "deutlich unter den heutigen Spotpreisen". Das das bereits eingekaufte Gas etwa als Folge einer möglichen Ausweitung der EU-Sanktionen gegen Russland ausbleiben könnte, befürchtet Scheuch nicht. "Wir kaufen Gas von internationalen Produzenten, ob das die OMV ist oder ob das Vattenfall aus Norwegen ist etc. Das sind keine Trader, das sind wirklich Produzenten. Wo die das Gas her holen, ob das jetzt aus Nordafrika kommt, aus Russland kommt, das wissen wir teilweise gar nicht." Mit Sanktionen greife der Staat in privatrechtliche Verträge ein.

Wienerberger haben im ersten Quartal ausreichend Rohstoffe und Energie gehabt, betonte Scheuch. Auch für das zweite Quartal gehe er davon aus, "dass wir ausreichend Rohstoffe, vor allem Energie, vorfinden werden". Entgegen den negativen Aussagen des Marktes sei im ersten Quartal mehr Gas in Europa zur Verfügung gestanden als im ersten Quartal des Vorjahres. "Das spekulative Element, das wir sehr stark in diesem Markt haben in Europa, ist leider auf die Negativmeldungen zurückzuführen, die sowohl von Politik als auch von den Medien derzeit kommen. Hier ist nicht zu sehen, dass es zu einer Verknappung kommen wird in den nächsten Monaten."

In einer Aussendung des Konzerns hieß es heute: "Hinsichtlich der Volumens- und Preisentwicklung im zweiten Quartal 2022 sind wir weiterhin optimistisch. Die Business Unit Wienerberger Piping Solutions verzeichnete einerseits signifikant gestiegene Inputkosten, andererseits entspannte sich die Situation entlang der Lieferkette deutlich und die Verfügbarkeit von Plastikgranulaten war gesichert." Bei Wienerberger Building Solutions habe der Ukraine-Krieg vereinzelt zu Vorzugskäufen geführt.

Die ersten drei Monate seien in allen Regionen, in denen Wienerberger tätig ist, sowohl in Nordamerika, als auch in Europa, und in allen Produktbereichen sehr gut gelaufen, sagte Heimo Scheuch. "Wir haben in allen Märkten und in allen Produktionsstätten über den Winter durchproduziert", so der Wienerberger-Chef. "Viele Konkurrenten und Mitbewerber im Baustoffbereich - und da spreche ich jetzt nicht nur über den Ziegel- oder den Rohrbereich im engeren Sinn - haben aufgrund der stark gestiegenen Kosten stillgelegt bzw. sind in den ersten Monaten dieses Jahres aus der Produktion gegangen. Dadurch haben wir natürlich noch zusätzlich Nachfrage bekommen." Weil sich die Leute gegen die Inflation schützen wollten, werde stärker in Häuser oder Wohnungen investiert.

Erwartet wird im Jahresvergleich eine Umsatzsteigerung um 44 Prozent auf 1,15 Mrd. Euro und eine Steigerung des EBITDA um 112 Prozent auf 225 Mio. Euro. "Somit halten wir unsere EBITDA-Guidance von 750 bis 770 Millionen Euro für das Gesamtjahr 2022 aufrecht", so das Unternehmen am Dienstag.

Für das zweite Quartal 2022 geht Wienerberger von einem weiteren Anstieg der Nachfrage aus. Bei den Energiepreisen wird kurzfristig keine Entspannung erwartet. "Die steigende Kosteninflation kompensieren wir durch bereits implementierte Preiserhöhungen. Was die Versorgung mit Energie und insbesondere mit Erdgas angeht, so haben wir bereits 89 Prozent des gesamten von der Wienerberger Gruppe 2022 benötigten Gasvolumens gesichert", so der Ziegelkonzern.

Wienerberger wird die endgültigen Ergebnisse des ersten Quartals 2022 am 12. Mai 2022 veröffentlichen.

Fragezeichen Gasversorgung

Anfang April gab Wienerberger bekannt, bei einem Engpass bei der Versorgung mit Gas die Produktion selektiv zu drosseln und Kurzarbeit einzuführen, "hoffentlich vorübergehend", wie Scheuch sagte: "Wir können schnell reagieren". Das habe das Unternehmen auch bei früheren Engpässen in der Gasversorgung gezeigt. Manche Produkte müsse Wienerberger aber immer liefern, da sie systemrelevant seien.

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Wienerberger habe für jedes der 28 Länder, in denen der Konzern tätig ist, einen eigenen Notfallplan, so Scheuch. Der Republik Österreich würde er als erste Maßnahme nahelegen, die derzeit nur zu 13 Prozent gefüllten Gasspeicher "so schnell wie möglich" auf 80 Prozent aufzufüllen. Mittel- und langfristig müsse es darum gehen, den Gasbezug zu diversifizieren. Scheuch erinnerte an die nie gebaute Pipeline Nabucco für Gas aus dem kaspischen Meer. Langfristige Maßnahmen würden zwar heuer nichts mehr ändern, aber "es gibt Jahre danach, darauf muss man sich vorbereiten".

Andere Länder seien da besser vorbereitet. Polen etwa habe nicht nur an der Ostsee das größte Terminal zur Anlieferung von Flüssiggas in Osteuropa gebaut, sondern auch die Anbindung an die Pipeline aus Norwegen. Außerdem arbeite das Land am Umstieg auf andere Ressourcen. Dänemark wieder sei vorbildlich, weil das Gasnetz für die Beimischung von bis zu 50 Prozent Biogas vorbereitet sei.

Grundsätzlich rief Wienerberger zur Deeskalation und zur Bewahrung von Ruhe auf. Es bringe niemandem etwas, nun vom "Wirtschaftskrieg" zu sprechen. Auch eine "Ansagepolitik", bei der ein Embargo mit einem Verzicht auf russisches Gas angekündigt wird, hält Scheuch nicht für sinnvoll: "Da würde ich vorsichtig sein". Das führe zu Erwartungshaltungen auf beiden Seiten, die die Eskalation nach oben treiben. Man könne nicht auf einmal alles abdrehen, das würde die Produktion in verschiedenen Industriezweigen mit hunderttausenden Beschäftigten zum Erliegen bringen.

Wirtschaftlich habe Wienerberger nur zwei Werke in Russland, die jeweils in einem Radius von bis zu 150 km Kunden beliefern und zusammen weniger als ein Prozent zum Konzernumsatz beitragen. In Osteuropa laufe das Geschäft derzeit gut, die Nachfrage sei hoch, offen sei allerdings, ob mit einer höheren Inflation eine Abschwächung der Konjunktur kommt, das werde sich aber wohl erst im zweiten Halbjahr zeigen.

Starker Start nach starkem Jahr

Ein starkes Jahr 2022 wäre insofern keine Überraschung, da die Gruppe auf das Jahr 2021 als das erfolgreichste Jahr in der Unternehmensgeschichte zurückblickt. Durch die Fokussierung auf innovative, digitale und nachhaltige Systemlösungen konnte Wienerberger trotz herausfordernder Marktbedingungen eine hervorragende Performance und starkes organisches Wachstum in allen Geschäftsbereichen erzielen.

Der Außenumsatz hat sich 2021 in Summe um 18 % auf fast 4,0 Mrd. € (2020: 3,4 Mrd. €) erhöht und das EBITDA im selben Zeitraum dank eines proaktiven Margenmanagements und einer strikten Kostendisziplin um herausragende 24 % auf 694 Mio. € (Vorjahr: 558 Mio. €) gesteigert.

Das vergangene Jahr war durchaus von großen Herausforderungen geprägt: Sowohl die instabile geopolitische Lage, die makroökonomischen Bedingungen als auch die anhaltende COVID-Pandemie sorgten mit Handelsrestriktionen und der hohen globalen Nachfrage nach wichtigen Rohstoffen und im Energiebereich für Lieferengpässe bzw. signifikante Preisanstiege von bis zu 50 %. Durch ein effektives Supply Chain Management hat Wienerberger es jedoch geschafft, dauerhaft lieferfähig zu bleiben und die inflationsbedingte Kostensteigerung zu managen. Gleichzeitig ist es Wienerberger damit gelungen, seine Position als verlässlicher Partner am Markt und für die Kunden auch in einem schwierigen Umfeld zu stärken und ein starkes organisches Wachstum zu generieren. (apa/red)