EU-Klimaziele in der Kritik : EU-Verpackungsverordnung: Frontalangriff auf Papier, Karton und Wellpappe

Papierindustrie Österreich

Experten der Papierindustrie kritisieren die pauschale Bevorzugung von wiederverwendbaren Verpackungen gegenüber recycelten Papierprodukten

- © Austropapier

Neben den ökologischen und ökonomischen Argumenten, die für Recycling als gleichberechtigte Lösung sprechen, sind es vor allem die im aktuellen Entwurf der europäischen Verpackungsverordnung vorgesehenen Mehrwegzwangsquoten, die den Wettbewerb verzerren und einen massiven Eingriff in eine funktionsfähige Kreislaufwirtschaft darstellen. Die österreichische Papierindustrie zählt seit Jahrzehnten zu den absoluten Vorreitern bei Nachhaltigkeitsthemen im Sinne der Bioökonomie.

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Gemeinsam mit der gesamten Wertschöpfungskette Papier, Karton und Wellpappe hat sie wesentlich dazu beigetragen, dass die heimische Kreislaufwirtschaft europaweit führend ist. Die Sammel- und Verwertungsquote von Verpackungen aus Papier, Karton, Pappe und Wellpappe liegt in Österreich bei 85 Prozent.

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Mehrere Wege zur Zielerreichung

Austropapier als Interessenvertretung der 23 heimischen Papier- und Zellstoffproduzenten begrüßt ausdrücklich, dass die Kreislaufwirtschaft neben der Dekarbonisierung im Rahmen des Green Deals ganz oben auf der EU-Agenda steht und auch im Entwurf der europäischen Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung (PPWR) ihren Niederschlag findet.

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„Bedauerlicherweise fehlt im aktuellen Entwurf jedoch ein eindeutiges Bekenntnis, dass mehrere Wege zur Zielerreichung der Klimaneutralität Europas bis 2050 als gleichwertig angesehen werden“, erklärt Austropapier-Präsident Martin Zahlbruckner und kritisiert die Bevorzugung von fossilbasierten Reuse-Produkten gegenüber den recyclingfähigen und erneuerbaren faserbasierten Verpackungen: „Es muss von der EU berücksichtigt werden, aus welchen Materialien die Verpackungen bestehen und ob funktionierende Systeme vorhanden sind, die Kreislaufwirtschaft sicherstellen.”

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Papier- und Kartonfasern, die in den Papierkreislauf zurückgeführt werden, sind hochwertige europäische Sekundärrohstoffe, die Primärrohstoffe ersetzen können. Laut einer Studie der Technischen Universität Graz können sie mindestens 25 Mal wiederverwendet werden.

Austropapier-Präsident Martin Zahlbruckner

- © Austropapier

Wettbewerbsverzerrung durch verpflichtende Quoten

Eine pauschale Bevorzugung von fossilen Mehrwegverpackungen können der Fachverband PROPAK und der Verein PROPAK Austria als Vertreter der industriellen Hersteller von Verpackungen aus Papier, Karton, Pappe und Wellpappe nicht nachvollziehen: Wir unterstützen die EU-Ziele, doch ohne Not ein perfekt funktionierendes Kreislaufsystem in Frage zu stellen und Reuse einen pauschalen Vorrang einzuräumen, ist der falsche Weg und bedroht Teile der Branche nachhaltig“, warnt PROPAK-Obmann Georg Dieter Fischer.

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Besonders problematisch sieht die Branche die von der EU in der PPWR geforderten Reuse-Quoten, die eine sinnvolle Koexistenz mit recyceltem Papier, Karton und Wellpappe nicht zulassen. „Die im Entwurf vorgesehenen verpflichtenden Quoten stehen diametral zu den Plänen der EU für eine funktionierende europäische Kreislaufwirtschaft im Sinne des Green Deal“, kritisiert Stephan Kaar, Sprecher des Forum Wellpappe Austria.

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Verpflichtende Quoten für alle Verpackungsarten hätten eine erhebliche Einschränkung des freien Wettbewerbs im Binnenmarkt und die Substitution eines erheblichen Anteils von Verpackungen aus Papier, Karton, Pappe und Wellpappe aus erneuerbaren und recyclingfähigen Rohstoffen durch Materialien aus fossilen Rohstoffen zur Folge.

Höhere Kosten und Umweltbelastung durch Reuse

Für eine Bevorzugung von fossil basierten Mehrwegprodukten gibt es auch aus wissenschaftlicher Sicht keine nachvollziehbare Begründung. Der europäische Wellpappenverband FEFCO hat errechnet, dass zur Erfüllung der geplanten verbindlichen Mehrwegquoten bis 2040 8,1 Milliarden neue Kunststoffkisten auf den Markt kommen müssten. Das ist nicht im Sinne des Green Deal und untergräbt den eingeschlagenen Weg der Dekarbonisierung.

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Reuse-Verpackungen werden durch höhere Transport- und Reinigungskosten deutlich höhere CO2-Emissionen verursachen als Recyclingpapierprodukte und zudem deutlich teurer sein. Eine aktuelle McKinsey-Studie hat für fossile Reuse-Verpackungen eine bis zu 150 Prozent höhere CO2-Belastung und bis zu 200 Prozent höhere Kosten errechnet, die direkt an die Kund:innen weitergegeben werden müssen. Eine Umstellung auf Reuse statt Recycling würde zudem den Wasserverbrauch drastisch erhöhen.

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„Auch eine Verpflichtung zu geschlossenen Produktkreisläufen wäre für Papier absolut nicht sinnvoll, da es einer der größten Vorteile des Papierrecyclings ist, aus lokalen Altpapiersammlungen ganz unterschiedliche Produkte je nach Bedarf an Ort und Stelle wiederherstellen zu können“, erklärt Pro Carton-Director General Horst Bittermann und warnt bei einer Umsetzung vor steigender Belastung für die Umwelt: „Die Konsequenz wäre ein massiver Transportanstieg von Verpackungen für die stoffliche Verwertung in ganz Europa und exorbitante zusätzliche und unnötige CO2-Emssionen.“

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Austropapier-Präsident Martin Zahlbruckner, PROPAK-Obmann Georg Dieter Fischer, Pro Carton-Director General Horst Bittermann und Forum Wellpappe Austria-Sprecher Stephan Kaar appellieren an ein Umdenken der EU vor dem Abstimmungsprozess: „Alle ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Argumente führen eine Bevorzugung fossiler Verpackungen ad absurdum und legen eine gleichwertige Lösung nahe. Nur mit einer Gleichbehandlung von nachhaltigen Papier- Karton und Wellpappe-Erzeugnissen kann die weitere Dekarbonisierung im Sinne des Green Deal gelingen.“