Nachhaltigkeit in Unternehmen : Nachhaltigkeitsmanager: Die Ökos der Industrie

A pile of assorted paper and cardboard materials marked with the universal recycling symbol, set against a neutral background to promote environmental conservation and sustainable practices.

An welchen Projekten arbeiten Österreichs Nachhaltigkeits-Manager?

- © TensorSpark - stock.adobe.com

Die nachhaltigen Aktivitäten sind beeindruckend – denn, Sustainability Manager sind anders motiviert. In einem Job als Nachhaltigkeitsmanager, den es in vielen Unternehmen erst seit ein paar Jahren gibt, ist viel mehr versteckt als die korrekte Abwicklung des Nachhaltigkeitsberichts und Ausarbeitung einer Strategie für nachhaltige Entwicklung.

Die Arbeit an Visionen für eine nachhaltige Zukunft fängt mit dem Assessment des Unternehmens an. Denn nur was man messen kann, kann man auch optimieren. Geholfen haben die gesetzlichen Vorgaben. Dass viele Unternehmen erst am Anfang der nachhaltigen Transformation stehen, mindert nicht den Enthusiasmus, mit dem die Themen verfolgt werden. Denn diese Änderung hat einen großen Hebel.

Das Industriemagazin stellt 9 Umsetzer:innen und ihre Schwerpunkte vor.

1. Dorothea Wiplinger, Sustainability Manager, Borealis

Herzensthema: Kreislaufwirtschaft - national und international

Seit Jahresanfang wird der Produktionsstandort in Schwechat mit Strom aus Wasserkraft versorgt, zugrunde liegt die Wasserkraft-Stromabnahmevereinigung mit VERBUND. International finanziert Borealis gemeinsam mit Systemig eine gemeinsame Vision der Nachhaltigkeit in Indonesien: im Projekt STOP wird das Austreten von Abfällen in die Umwelt durch den Aufbau kostengünstiger Abfallmanagementlösungen dauerhaft verhindert. Man kooperiert mit Stadtverwaltungen, um effektive, kreislauforientierte Abfallmanagementsysteme in Regionen mit einem hohen Grad an Vermüllung der Umwelt und Ozeane aufzubauen. Bis Ende 2022 konnte das Programm Abfallsammlung und -wiederverwertungsdienste für mehr als 300.000 Menschen in drei Städten bereitstellen. Ziel des Projekts ist der lokale Aufbau von Kompetenzen. So konnte etwa die erste Städtepartnerschaft, die 2017 in Muncar, einer Fischergemeinde im Bezirk Banyuwangi, gestartet wurde, Ende Februar 2022 in die Hände der lokalen Regierungsbehörden zur selbstständigen Weiterführung übergeben werden.

  • straight headshot, press, media release, Dorothea Wiplinger, photo, picture, photoshoot, Group Expert, Sustainability, Strategy, Group Development, July 2019
    „Die neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, die für 2024 in Kraft tritt, wird Transparenz und Glaubwürdigkeit erhöhen. Wir sehen das als Chance, unser Nachhaltigkeitsmanagement weiter voranzutreiben.“

    Dorothea Wiplinger

2. Laura Böhm, Sustainability Communications Specialist, Lenzing

Herzensthema Klima: Climate Action Plan

Man dreht am Geschäftsmodell an sich (Stichwort recycelte Baumwolltextilien als neuer Input für Fasern) und modelliert Prozessschritte oder den Einkauf, indem man den CO2 Footprint berücksichtigt, und zwar weltweit. Umsetzungstool, Kernstück und Projektkoordinator ist der Climate Action Plan, der die sukzessive Umstellung vorantreibt. Mit wissenschaftsbasierten Zielen wird die Dekarbonisierung der Gruppe orchestriert. Die strategischen Investitionen tragen Früchte: das Headquarter in Österreich und die Produktionsstandorte in Paskov, Tschechien und in Mobile, Alabama/USA werden bereits zu 100 % mit erneuerbarem Strom versorgt. Auch die jüngste nachhaltige Investition, der Kauf eines Biomassekraftwerks in Heiligenkreuz (Burgenland) wird in Zukunft rund 50 % des derzeit eingesetzten Erdgases durch erneuerbare Energie ersetzen. Eine Viskose Anlage in Nanking, China wurde von Kohle auf Erdgas umgestellt, 200.000 Tonnen CO2 werden so jährlich gespart. In Brasilien wird man in Zellstoffproduktion bei LD-Cellulose (einem Joint Venture) mehr als 50 % der überschüssigen Energie als Bioenergie ins Netz einspeisen. Die TENCEL™ Lyocellanlage in Thailand wird bereits mit 100% nachhaltiger Bioenergie betrieben.

  • „Wir müssen alle gemeinsam schnellstmöglich und mit höchster Dringlichkeit handeln, um unseren Planeten und unser Klima zu schützen“

    Laura Böhm

3. Katharina Aspalter, Function Lead Sustainability Management bei STRABAG

Herzensprojekt: Energieproduktion durch den Transport von Steinen

20 % des elektrischen Energiebedarfs lassen sich durch das Gewicht des Rohmaterials auf den Förderbändern decken. Im Steinbruch Saalfelden wird so der Eigenanteil der Energieversorgung ausgebaut. Die Abbauhöhe des Steinbruchs, nämlich 1.500 m, stellte das Unternehmen vor eine Herausforderung. Die nachhaltige Lösung schaffte in mehrfacher Hinsicht einen Mehrwert. Man entschied sich für den unterirdischen Transport mittels eines Tunnels. So kommt man ohne Lkw aus, am Ende folgt ein direkter Anschluss an die ÖBB zum Abtransport. Der Hauptvorteil dieses Projekts im Sinne der Nachhaltigkeit ist allerdings die Eigenenergieproduktion: Ein weitgehend autonom betriebenes Förderband überwindet auf einer Strecke von 3,2 km einen Höhenunterschied von 700 m. Die Masse des Rohsteins auf dem Förderband zieht mit hoher Kraft nach unten und treibt dadurch einen Generator. Er bremst das Förderband und produziert Strom. 500 t Gestein kann das Förderband pro Stunde abtransportieren und bis zu 550 kW Energie erzeugen. Sie kann als eine nachhaltige Energiequelle betrachtet werden. Die Energie wird für den Betrieb der Aufbereitungsanlage genutzt. So lassen sich Ökonomie und Ökologie bzw. nachhaltige Entwicklung sinnvoll ergänzen.

  • „Die Baubranche an sich und natürlich die Strabag, als eines der zehn größten Bauunternehmen Europas, verfügen über einen enormen Hebel, der bedient werden kann. Diesen Hebel in Richtung Nachhaltigkeit zu bewegen ist meine persönliche Motivation“

    Katharina Aspalter

4. Thomas Höpler, Group Sustainability Manager, Neuman Aluminium

Herzensprojekt: Recycle – Aluminium aus dem Gelben Sack

Neuman Aluminium hat weltweiten Bedarf an Aluminium von 130.000 Tonnen im Jahr. In einem nachhaltigen Materialwissenschaftsprojekt beschäftigte man sich mit Legierungen. Ziel war die Veränderung der Legierungselemente von Aerosoldosen, um die Wandstärke der Dosen zu verringern und damit Material zu sparen. Auch Material aus dem Gelben Sack soll verwendet werden. Durch die enge Zusammenarbeit mit Abfallentsorgern will man möglichst viel sortenreines Sekundäraluminium gewinnen und im Kreislauf halten. Durch das Zusammenspiel von Materialveränderung und Wiederverwertung von Dosen aus dem Gelben Sack plant man ca. 50.000 Tonnen Aluminium zu gewinnen. Das ist eine Dimension, die wirklich interessant wird, sagt Thomas Höpler, noch dazu, weil dieses Aluminium, rein rechnerisch zumindest, keinen CO₂-Fußabdruck hat. Innovation und die Wertschätzung von altem ist für den Neuman Sustainability Manager kein Widerspruch, sondern ein Grundprinzip von Kreislaufwirtschaft. In Neuman Aluminium hat er einen Nachhaltigkeitszirkel gegründet, der Stakeholder im Unternehmen vernetzt und Synergien durch Teilen der Learnings zu relevanten Themen der Nachhaltigkeit schafft.

  • „Neben den zehn "Rs" der Kreislaufwirtschaft gefällt mir ein elftes "R" besonders gut: Respect - wertschätzen oder Dinge lieben. Für mich der Überbegriff für die zehn anderen“

    Thomas Höpler

5. Sabine Schellander, Co-Head of Sustainability, Greiner AG

Herzensanliegen: Mindset schaffen und Zusammenhänge aufzeigen

Puzzlestücke ineinanderzufügen, ist die Aufgabe von Sabine Schellander. Das große Bild erklärt, warum Dekarbonisierung nicht ohne Kreislaufwirtschaft funktionieren kann. Dieses Bewusstsein muss im Unternehmen, das Ziele der nachhaltigen Entwicklung verfolgt, verankert werden, damit alle Maßnahmen Hand in Hand greifen können. Das geht am besten, wenn der Austausch funktioniert, denn in jedem Bereich gibt es Experten, die die tatsächliche Umsetzung in der Tiefe vorantreiben. Zur Erreichung der Unternehmensziele - 2030 sollen 100 % der Verpackungen recycle - oder kompostierbar sein, bis 2025 will man zu 10 % nachhaltige Kunststoffe verwenden – ist das Maßnahmenpaket schon unterwegs. Greiner investiert in Entwicklungsarbeit am Produktdesign und in die Verfügbarkeit von Rohstoffen. Dazu wurde 2022 das erste eigene Recyclingwerk in Serbien gekauft. Man arbeitet am Kompetenz- und Technologieaufbau bei der Wiederverwertung. Der Innovationsfokus ist groß, denn zu 80 % werden Lebensmittel verpackt, das bedeutet penible Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben. Ziel ist die Balance zwischen ökonomischer Sinnhaftigkeit und materialtechnischer Machbarkeit.

  • „Es braucht Übersetzungsarbeit, um das Big Picture zu erfassen und um Mitarbeiter:innen aufzuzeigen, dass oft, mit der tagtäglich geleisteten Arbeit, ein wesentlicher Beitrag in Richtung Nachhaltigkeit gesetzt wird“

    Sabine Schellander

6. Wilfried Lechner, Leiter Marketing, Kommunikation und Nachhaltigkeit, Wienerberger

Herzensprojekt: Biodiversität


"Bis Ende des Jahres 2023 werden wir für jedes Werk einen klaren Biodiversität-Aktionsplan haben“, sagt Wilfried Lechner. Gemeinsam mit mehreren Kolleg:innen aus der Zentrale, einem klar definierten Biodiversitäts-Botschafter pro Standort und externen Spezialisten werden in jedem Wienerberger-Werk Monitorings durchgeführt. Die aktuelle Flora- und Fauna-Artenvielfalt wird gemessen und bewertet. Im internen Team Green laufen alle Themen zum Bereich Nachhaltigkeit – egal ob aus Produktion, Vertrieb, Einkauf oder Produktmanagement – zusammen, werden überprüft und kommuniziert.

Ziel dieser Nachhaltigkeitsstrategie ist, die bestehende Vielfalt schützen und sogar ausbauen. Mit der verpflichtenden Integration von Biodiversitätsmaßnahmen in allen 216 Produktionsstandorten weltweit soll zusätzlich bis 2030 ein neutraler Biodiversitäts-Fußabdruck erreicht werden. Sechs erfolgreiche Pilotprojekte waren der Grundstein für die Erstellung von über 200 Aktionsplänen, mit deren Umsetzung man bereits begann. Insgesamt wurden in einem Maßnahmenkatalog für Biodiversität 31 konkrete Maßnahmen definiert. Außerdem rekultiviert und renaturiert man aufgelassene Tongruben oder stellt sie für die Nachnutzung bereit. Diese Orte bieten ideale Rahmenbedingungen für die Ansiedlung von seltenen Pflanzen und Tieren und werden Schritt für Schritt mit professioneller Unterstützung in artenreiche Naturräume umgewandelt.

  • „Nachhaltigkeit ist für mich eine echte Herzensangelegenheit: als Vater von vier Kinder möchte ich alles in meiner Macht stehende tun, damit sie in einer intakten und gesunden Umwelt aufwachsen“

    Wilfried Lechner

7. Simon Meinschad, Geschäftsführer hollu

Herzensprojekt: Vision von einer besseren Welt

Der gesamtheitliche Ansatz steht für Simon Meinschad, Geschäftsführer des Familienunternehmens hollu an erster Stelle. So hat man den Zweck und die nachhaltige Entwicklung des Unternehmens verbindlich an den 17 SDGs ausgerichtet. Diese strategische Ausrichtung auf Nachhaltigkeit initiierte umfassende Veränderungen. Man gestaltete einen neuen Campus in Zirl, höchste ökologische Standards wurden mit einem nachhaltigen Energiekonzept verbunden. Geheizt wird nur noch mit Produktionsabwärme und Wasser- und Luftwärmepumpen, der eigene Ökostrom kommt vom Dach, die Umstellung der Flotte auf E-Mobilität schreitet fort. In der Forschung & Entwicklung tüftelt das Laborteam an umweltfreundlichen Rezepturen für die ökologische Produktlinie hollueco. Die moderne und nachhaltige Supply Chain wurde mit einem Naturerholungspark direkt am Firmengelände verbunden: vom Sumpfgraben für Libellen über einen sonnigen Duft- und Kräutergarten bis hin zur großen Wildblumenwiese, denn Biodiversität wird großgeschrieben.

  • Wir haben uns bewusst dafür entschieden, die ca. 5.000 m2 große Fläche der Biodiversität zu widmen und einen Wohlfühl-Freiraum für Menschen, Tiere und die Natur zu schaffen“

    Simon Meinschad

8. Rene Adam, Director Research & Technology, FACC AG

Herzensprojekt: Die Entwicklung von leichteren Komponenten zur CO₂-Reduktion

In Österreich bezieht man bei FACC ausschließlich Strom aus Wasserkraft, setzt auf verstärkte Nutzung von Geothermie und spart, mit einem neuen nachhaltigen Logistikkonzept durch ressourcenschonende Verpackungen und kraftstoffsparende Lkw, jährlich mehrere Tonnen CO₂ ein. Die Optimierung der Ressourcen, die in die Produktion hineinspielen, sind wichtig, lösen aber nicht das grundlegende Problem in der Luftfahrt, sagt Rene Adam. Denn, je nach Berechnungsmethode mittels Life-Cycle-Assessment, hat man zwischen 85 und 90 % Kohlendioxid Ausstoß in der Betriebsphase des Flugzeugs. Nimmt man die Kerosin Produktion mit in die Rechnung, dann ist man überhaupt bei 99 %. Deshalb ist die Hauptaufgabe des Technologieunternehmens, Komponenten und Bauteile zu entwickeln, die noch leichter sind. Erst eine Gewichtsreduktion ermöglicht eine weitere CO₂-Reduktion. Im Leichtbau heißt das konkret, Material, Bauteilarchitektur und Fertigungsverfahren gesamtheitlich zu betrachten und miteinander zu verbinden, um ein möglichst effizientes Bauteil zu produzieren. Keine leichte Übung, wenn zusätzlich die Produktionskosten nicht in die Höhe schießen dürfen. Man balanciert ein Viereck aus automatisierter Produktion, Einbeziehung der Nachhaltigkeit, Überlegungen zu Kostensenkung und Gewichtsreduktion. Einen Sweetspot zu finden, ist eine spannende Aufgabe, so Adam.

  • „Man muss sich mit der Nachhaltigkeitsdebatte, aufgrund der unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten, kritisch auseinandersetzen und über Zahlen, Daten und Fakten sprechen und nicht nur über Ideologien“

    Rene Adam

9. Dr. Florian Heiler, ESG & Sustainability Management, B&C- Industrieholding

Herzensprojekt: Übergreifende Nachhaltigkeitsmassnahmen

Mit ihren Holdinggesellschaften ist die B&C-Gruppe Kernaktionärin bzw. Mehrheitseigentümerin der AMAG Austria Metall AG, Lenzing AG und Semperit AG Holding. Diese Kernbeteiligungen werden unter langfristigen strategischen Gesichtspunkten gehalten. Als langfristig orientierter Investor ist man sich der Dringlichkeit der Veränderungen bewusst, die für den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft erforderlich sind. Als Beitrag dazu arbeitet man am Ausbau und der Stärkung der B&C Kompetenzen und Prozesse zur Nachhaltigkeit. Eine wichtige Stellschraube war es, die neue Position Nachhaltigkeit als Stabsstelle zu schaffen. Eine Koordinations- und Kompetenzanlaufstelle für die vielfältigen Themen und Stakeholder in- und außerhalb der B&C. Zusätzlich beschäftigt Florian Heiler dabei die Frage, wie wir gesellschaftlich mit dieser sich verknappenden Ressource „Zukunft“ umgehen – wir berauben uns ja durch Nicht-Nachhaltigkeit vielfältiger Zukunftsmöglichkeiten. Wie gestalten man diesen Wandel – technologisch, sozial, nachhaltig, wirtschaftlich und menschlich?

  • „Ich sehe mich als Head, Heart and Hand of Sustainability. Denn alle drei Qualitäten und Fähigkeiten braucht es und müssen aktiv bespielt werden, damit wir wirklich weiterkommen“

    Florian Heiler