Industriepolitik : Bangkok bis Singapur: Neue Kooperationen in Südostasien?

Singapore skyline and Marina Bay at sunset

Die Skyline von Singapur: Das Tor nach Asien für die Österreichische Wirtschaft?

- © Oleksandr Dibrova - stock.adobe.

Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) ist von seiner Südostasien-Tournee zurückgekehrt und zieht ein positives Resümee der Besuche in Jakarta, Singapur und Bangkok. Es sei vorteilhaft gewesen, Thailand und Indonesien vor den nun folgenden internationalen Treffen zu besuchen. "Damit bekamen wir große Aufmerksamkeit für Österreich, obwohl wir ein kleines Land sind", sagte Kocher im APA-Gespräch. In Thailand und Indonesien folgen nun die Gipfel von APEC- bzw. G20.

>>> Das sind Österreichs 1.000 Top-Manager.

In allen besuchten Staaten habe es nach der Covid-Zeit großen Willen zur vertieften Zusammenarbeit gegeben. Kocher ortet "ein Aufbruchssignal". Er traf mehrere Ministerinnen und Minister und besuchte Firmen mit Österreichbezug.

Mit Indonesien - dem Staat mit den viertmeisten Einwohnern weltweit - sowie Thailand wurden Absichtserklärungen (Memorandum of Understanding, MoU) zur verstärkten Zusammenarbeit bei der Ausbildung von Fachkräften unterzeichnet. Denn österreichische Firmen an Ort und Stelle brauchen solche. Etwa alleine für Swarovski und für iSi Automotive der Pochtler Automotive Holding arbeiten in Thailand jeweils mehrere Tausend Menschen. Ein zweites MoU, das mit Thailand geschlossen wurde, sieht die Einrichtung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe für Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit vor.

>>> AT&S bis Voestalpine: Diesen Ruf haben die Unternehmen im Internet.

"Es gilt nun, die Memoranden mit Leben zu erfüllen, das ist entscheidend", sagte Kocher vor der Rückkehr am heutigen Dienstag. "Es gab insgesamt sehr viel Interesse an einer vertieften Zusammenarbeit nun nach der Covid-Zeit, in der es sehr schwierig war, sich zu treffen."

ABD0028_20220301 - WIEN - ?STERREICH: Arbeitsminister Martin Kocher (?VP) am Dienstag, 1. M?rz 2022, anl. der PK "Aktuelles zum Arbeitsmarkt" im Arbeitsministerium in Wien. - FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER
Martin Kocher auf Südostasien-Reise - © APA/HELMUT FOHRINGER

Indonesien: The new place to be?

Auf der ersten Station in Indonesien hat der Wirtschaftsminister am Donnerstag ein Memorandum of Understanding zur Kooperation rund um Facharbeit mit der indonesischen Arbeitsministerin Ida Fauziyah unterschrieben. Ziel der Absichtserklärung ist die Ausbildung von Fachkräften nach österreichischem Modell zu vertiefen, insbesondere mit Blick auf heimische Mangelberufe. Das österreichische duale Ausbildungssystem stößt international auf Interesse. Auch mit den USA gibt es dahingehend eine Kooperation. Davon erwartet man sich wechselseitigen Nutzen. Österreichische Firmen an Ort und Stelle brauchen etwa qualifizierte Arbeitskräfte. Österreich braucht den Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte, sagt Kocher mit Blick auf den Arbeitsmarkt und Arbeitskräftemangel oft.

>>> Warum das Geschäft in China zum Risiko wird.

"Die Regierung ist aber auch nicht die Rekrutierungsagentur für die Wirtschaft in Österreich. Es gibt eine Reihe von Initiativen, etwa durch die Wirtschaftskammer", betonte Kocher vor österreichischen Journalisten. Im Rahmen der Unterzeichnung des MoU in der indonesischen Hauptstadt Jakarta hob Kocher die beispielgebende duale Ausbildung in Österreich hervor. Die neue Erklärung vertiefe die Kooperation zwischen Indonesien und Österreich und werde beiden Seiten Nutzen bringen. "Es ergeben sich Chancen für den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft beider Länder", sagte der Arbeits- und Wirtschaftsminister. Fauziyah: "Das Memorandum ist die Basis für die Entwicklung und die Kooperation im Feld der Ausbildung und der Arbeit. Es geht auch um Sprachtraining - und Österreich profitiert ebenso von qualifizierten Arbeitskräften in Indonesien."

32 heimische Firmen sind in Indonesien tätig, eine Handvoll hat Produktionsstandorte, etwa die börsennotierten Unternehmen Voestalpine und Lenzing. "Die größten Herausforderungen für österreichische Unternehmen in Indonesien sind vor allem protektionistische Tendenzen der Regierung", sagte Botschafter Thomas Loidl vor österreichischen Journalisten. "Die lokale Produktion wird gefördert, Importe werden eingeschränkt." Beispielsweise sind Nickelexporte aus dem weltgrößten Nickel-Förderstaat seit 2020 verboten. Zinkpower aus Brunn am Gebirge in Niederösterreich produziert in Indonesien.

>>> Rohstofknappheit: Europa am Scheideweg.

"Die Marktzugangsbedingungen sind in den vergangenen Jahren schwieriger geworden" so Loidl weiters. Und: "Wenn es so weit kommt, dass man mit einem Investitionsprojekt vor ein indonesisches Gericht muss, hat man praktisch schon verloren." Daher hätten auch viele indonesische Firmen ihren Sitz im nahen Singapur und nicht in Indonesien selbst. Indonesien kämpft auch mit Korruption.

Eine der von Kocher angesprochenen Initiativen wird etwa von eee Austria umgesetzt. Mit zurückzuzahlenden Kredit-Geldern aus Österreich werden in Indonesien in mehrere Projekte 10 bis 15 Mio. Euro investiert, so Stefan Düss von eee Austria. Zum Beispiel wurde auf grüner Wiese ein Gebäude zum Thema Tourismustraining (Koch, Kellner und Co in Kooperation mit der Tourismusschule Kleßheim) errichtet, wo schon - auf Kosten Indonesiens - trainiert wird. Auch Tischler-Trainings gibt es, weitere Projekte in weiteren Bereichen sind in Planung. Derzeit gibt es knapp 500 Ausbildungsplätze. Trainiert werden junge Erwachsene für bis zu acht Monate. Digitales wird groß geschrieben, auch Deutschkurse gibt es. Insgesamt sind vier Projekte geplant.

>>> Wie Lithium zum politischen Druckmittel wird.

In Indonesien soll auch eine neue Hauptstadt aus dem Boden gestampft werden. Doch Botschafter Loidl bremste hier die Hoffnungen auf rasche gute Geschäfte für Austro-Firmen, obwohl der Start 2024 erfolgen soll und Investitionen von gut 30 Mrd. Dollar geplant sind. "Aber es gibt sehr viele Unsicherheiten, es ist ein langer Prozess." Mittel- bis langfristig gebe es jedenfalls Potenzial für österreichische Firmen der Medizin- und Umwelttechnik, Verkehr und Co.

Chip-Hersteller setzen auf Malaysia

Chip-Hersteller wie AT&S und Infineon setzen ebenfalls auf Südostasien. Der neue noch im Bau befindliche AT&S-Campus im malaysischen Kulim, etwa 350 Kilometer nördlich der Hauptstadt Kuala Lumpur, wird nach Fertigstellung zur Produktion von IC-Substraten genutzt. Insgesamt umfasst das Projekt eine geplante Gesamtinvestition von 1,7 Milliarden Euro über die kommenden Jahre. Der Bau des neuen AT&S Campus startete am 30. Oktober 2021, der kommerzielle Betrieb soll 2024 anlaufen. „Malaysia ist schon heute eine wichtige Drehscheibe für die Chip-Lieferkette. Wir sind überzeugt, dass Malaysia seine Position als Technologieland weiter stärken und die Stellung in der Region als High-Tech-Produktionsstandort in Asien ausbauen kann“, so Andreas Gerstenmayer, CEO von AT&S.

>>> Die besten AI-Projekte der Industrie.

In der Region werden nicht nur tausende neue Arbeitsplätze geschaffen, sondern Malaysia wird sich auch als Hotspot für ein völlig neues, einzigartiges Technologiesegment profilieren. „AT&S bringt die neueste Generation von High-End-Technologien nach Malaysia und wird einen völlig neuen Technologiesektor in einem der zukünftigen globalen Mikroelektronik-Hotspots etablieren. Am neuen Standort werden neben der Herstellung von Hightech-Produkten auch umfangreiche F&E-Aktivitäten betrieben“, sagt AT&S COO Ingolf Schröder.

AT&S folgt damit der Strategie von zahlreichen Unternehmen der Chipindustrie. Auch Infineon, Deutschlands führender Chiphersteller, wird in Kulim eine neue Fabrik für zwei Milliarden Euro errichten - mittlerweile das dritte Werk des Konzerns in Malaysia. Im zweiten Halbjahr 2024 sollen die ersten Chips das Werk verlassen.

>>> AT&S sucht weltweit 10.000 Mitarbeiter.

Das Land gilt als sicherer Standort in geopolitisch angespannten Zeiten und macht die Unternehmen unabhängig von China. Nicht erst durch das Export-Verbot der USA - es dürfen keine Hightech-Chips mehr nach China exportiert werden - weichen zahlreiche Unternehmen auf andere asiatische Staaten aus. In den Konzernen wächst zunehmend die Angst, in China des eigenen Know-Hows beraubt zu werden. Malaysia ist dabei das bevorzugte Land um günstig in Asien zu produzieren.

Alpla und sein Werk in Thailand

Nach 18 Monaten Bau- und Installationszeit eröffnete die Alpla Group und PTT Global Chemical das gemeinsame, hochmoderne Recyclingwerk Envicco in Thailand. Mit einer Kapazität von 45.000 Tonnen an recyceltem Kunststoffen - 30.000 Tonnen lebensmitteltaugliches PET und 15.000 Tonnen HDPE - zählt das Werk an der südöstlichen Küste der Provinz Rayong zu den größten Recyclinganlagen in Asien. „Dieses Vorzeigewerk, das dank der hervorragenden Zusammenarbeit mit GC in Rekordzeit errichtet wurde, ist ein wichtiger Baustein unserer Recyclingaktivitäten im asiatischen Raum“, sagte ALPLA Chairman Günther Lehner im Rahmen der feierlichen Eröffnung.

>>> Philipp Lehner: Der Weltenversteher.

„Die Nachfrage nach recycelten, nachhaltigen Verpackungsmaterialien steigt in Südostasien stark an. Dabei spielen qualitativ hochwertige Kunststoffe eine zentrale Rolle. Mit dem neuen Werk bringen wir unser langjähriges Know-how in der Aufbereitung und Verarbeitung von Post-Consumer-Recyclingmaterial zu neuen Verpackungen nun auch in Thailand ein“, erklärt Bernd Wachter, ALPLA Corporate Director für den asiatischen Markt. „Dieses Joint Venture ist ein wirklich kreislauforientiertes, umweltfreundliches Projekt, das eine umfassende Wertschöpfungskette für Kunststoffe in Thailand schafft. Damit ist es ein hervorragendes Beispiel für den weltweiten Einsatz von österreichischem Green-Tech-Know-how“, fügt Georg Weingartner, der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Bangkok, hinzu.

Sie schätzen unsere Arbeit?

Nie mehr eine wichtige News aus der Industrie verpassen? Abonnieren Sie unser Daily Briefing: Was in der Industrie wichtig wird. Täglich um 7 Uhr in Ihrer Inbox. Hier geht’s zur Anmeldung!