Energiewende : Rohstoffknappheit: Europa steht am Scheideweg

Roman Stiftner, Geschäftsführer des Fachverbandes „Bergbau-Stahl“ und „NE- Metallindustrie“ in der WKÖ und Generaldirektor von EUMICON.

„Wir müssen uns auf die aktuellen Herausforderungen vorbereiten." Roman Stiftner, Geschäftsführer des Fachverbandes „Bergbau-Stahl“ und „NE- Metallindustrie“ in der WKÖ und Generaldirektor von EUMICON.

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Welche Konsequenzen könnte der Green Deal für die Rohstoffversorgung in der Industrie haben? Hierzu hat eine kürzlich veröffentlichen Studie der belgischen „Katholieke Universiteit“ (KU Leuven) eine wenig erbauliche Antwort.

Laut der Uni wird die durch den EU Green Deal, der die Industrie ja ganzheitlich in eine kreislauforientierte Wirtschaft umbauen will, bevorstehende Energiewende zu einem massiven Mehrbedarf an mineralischen Rohstoffen bzw. „Nicht-Eisen“-Metallen führen. Beispielsweise würde der Bedarf an Lithium bis 2050 um über 2000% zulegen soll. Aber auch Basisrohstoffe wie Aluminium, Stahl, Kupfer, Baurohstoffe und Zement erführen enorme Steigerungen. Dies könnte ab 2030 zu dramatischen Versorgungsengpässen führen.

Die Primärrohstoffgewinnung wird allerdings bis zumindest 2040 einen wesentlichen Anteil an der Versorgung der Industrie mit mineralischen Rohstoffen haben. Die ausreichende Versorgung zu fairen Marktbedingungen ist eine wesentliche Grundlage für eine positive wirtschaftliche Entwicklung.

Hinzu kommt, dass Europa bei vielen Metallen in hohem Maße abhängig von Importen ist. Würden diese Abhängigkeiten von außereuropäischen Rohstoffquellen diversifiziert und mit strategischen Partnern global sichergestellt werden, könnte auf Probleme – etwa die Lieferkettenstörungen, wie sie zuletzt durch die Pandemie und den Ukrainekrieg ausgelöst wurden – besser reagiert werden.

Dringende Entscheidungen

„Europa muss dringend Entscheidungen treffen, wie diese drohende Versorgungslücke geschlossen werden kann. Ohne eine entschlossene Strategie riskiert man neue Abhängigkeiten von unberechenbaren und nicht nachhaltigen Lieferanten", sagt Andreas Henckel von Donnersmarck, Obmann des Fachverbands Bergwerke und Stahl. Er nimmt, so wie viele andere Branchenvertreter, am Rohstoffdialog in Wien teil, wo Lösungsansätze für die aktuellen Herausforderungen der energieintensiven Branchen diskutiert werden.

Im Mittelpunkt der Veranstaltung, die von den WKÖ-Fachverbänden „Bergbau-Stahl“ und „Nicht Eisen-Metallindustrie“, der europäischen Rohstoffplattform EUMICON (European Mineral Resources Confederation) und dem Bundesministerium für Finanzen (BMF) organisiert wird, steht die strategische Absicherung der Rohstoffversorgung auf österreichischer und europäischer Ebene. Zusätzlich wird der vom BMF initiierte „Masterplan Rohstoffe 2030“ präsentiert, der die für Österreich relevanten rohstoffpolitischen Dimensionen behandelt.

Kreislaufwirtschaft im Kampf gegen Rohstoffmangel

„Wir müssen uns auf die aktuellen Herausforderungen vorbereiten. Ein dramatisch erhöhter Bedarf an Rohstoffen durch den europäischen Green Deal, enorm hohe Energiepreise und der subventionierte Import zu Dumpingpreisen - besonders aus dem asiatischen Raum - sind dabei nur drei Faktoren", sagt Roman Stiftner, Geschäftsführer des Fachverbandes „Bergbau-Stahl“ und „NE- Metallindustrie“ in der WKÖ und Generaldirektor von EUMICON.

Die Kreislaufwirtschaft wird hier wohl als wesentliches Element mit hineinspielen. Mittlerweile werden bereits viele der strategischen Rohstoffe, vor allem in Österreich, in hocheffizienten Recyclinganlagen gewonnen. Recycling ist daher für Europa eine große Chance, seine Unabhängigkeit langfristig zu verbessern. Dazu müssen allerdings die Recyclingquoten stark erhöht, in die notwendige Infrastruktur investiert und die dafür nötigen gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Manche befürchten, dass Sonderregelungen wie die Verlagerung des Abfalltransports vom LKW auf die Schiene, wie es das Abfallwirtschaftsgesetz ab 1.1.2023 vorsieht, die Kreislaufwirtschaft in Österreich massiv einschränken könnte.

Recycling hat zwar enormes Potential, man muß sich aber im Klaren sein, dass die heimische Industrie zukünftig nicht allein über eine reine Kreislaufwirtschaft mit mineralischen Rohstoffen versorgt werden kann. Nicht alle mineralischen Rohstoffe können recycelt oder in verlängerten Lebenszyklen von Produkten einem nachfolgenden Recycling entzogen werden“, so Stiftner.

Erhöht der Green Deal die Energiekosten?

Was ebenfalls viele befürchten: Die Transformation in eine grüne und digitale Wirtschaft könnte zu empfindlich höheren Energiekosten führen. Denn mehr Digitalisierung benötigt mehr Energie in Herstellung und Betrieb der Geräte. Ein Diskussionspunkt beim Rohstoffdialog ist daher auch, dass es in diesem Zusammenhang zu keinen Wettbewerbsverzerrungen kommt. Denn die aktuellen Energiepreissteigerungen fallen nicht überall in Europa gleich stark aus. Und in anderen Regionen, etwa USA und China, wird mit deutlich niedrigeren Energiekosten produziert.

„Diese Ungleichheiten können dazu führen, dass der Standort Österreich noch weiter an Wettbewerbsfähigkeit verliert, und es zu einer Abwanderung der Industrie in Nicht EU-Länder kommt", so Alfred Hintringer, Obmann des Fachverbands der NE-Metallindustrie. Die Bereitstellung grüner Energie in ausreichenden Mengen und zu kompetitiven Preisen sei daher für den europäischen Wirtschaftsstandort unverzichtbar.