Außenhandel : Warum das Geschäft in China zum Risiko wird

China verliert als Ort für Investitionen immer mehr an Attraktivität. Aber wo Verlierer, da auch Gewinner.

China verliert als Ort für Investitionen immer mehr an Attraktivität. Aber wo Verlierer, da auch Gewinner.

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China verliert für europäische Unternehmen an Attraktivität: Seit sich die zweitgrößte Volkswirtschaft vom Rest der Welt abwendet und zunehmend abschottet - noch immer verfolgt das Land eine harte Zero-Covid-Politik mit rigorosen Lockdowns ganzer Städte - zeigt sich aus Sicht der europäischen Handelskammer in China, dass "Ideologie die Wirtschaft übertrumpft". Ein neues Positionspapier unter diesem Titel, das am Mittwoch vorgelegt wurde, beklagt eine "zunehmende Politisierung" und wachsende Herausforderungen.

"China ist nicht mehr so attraktiv, wie es einmal war", sagte Kammerpräsident Jörg Wuttke bei der Vorlage des Papiers. "Es gibt eine Menge Probleme im System, und uns geht Vorhersehbarkeit, Verlässlichkeit und Effizienz verloren." Das Positionspapier enthält rund 1.000 Empfehlungen zu notwendigen Reformen, um die angeschlagene chinesische Wirtschaft wieder zu stabilisieren.

Während große europäische Konzerne - Volkswagen, Daimler, BMW oder BASF - ungeachtet der Diskussionen um zu große Abhängigkeiten weiterhin in China investieren, halten sich zahlreiche Unternehmen zurück. Kaum ein Unternehmen wage noch den Sprung nach China. "Es kommen keine neuen europäischen Unternehmen mehr", sagt Wuttke. Stattdessen entscheide man sich für andere Länder, die attraktiver seien.

Wohin geht die Reise?

In den Zentralen europäischer Firmen habe es eine "bedeutende Wende" gegeben, stellt das Positionspapier fest: "Während die Diskussion sich einst vorrangig um Gelegenheiten für Investitionen drehten, konzentrieren sie sich jetzt auf den Aufbau der Widerstandskraft der Lieferketten, auf die Herausforderungen, Geschäfte zu machen, wie mit den Risiken durch Reputationsschäden umgegangen wird, und die Bedeutung der Einhaltung globaler Regeln."

Die Abkehr Chinas vom Rest der Welt, die Reisebeschränkungen und Quarantäne-Bestimmungen im Reich der Mitte sowie der fehlende Austausch ehemaliger Partner erschweren das Engagement im Land, so Wuttke. Statt auf Impfungen mit westlichen Impfstoffen zu setzen, verharrt das Land in Lockdowns, die auch noch Jahre anhalten könnten. "Es ist wirklich eine große Sorge, weil die Welt sich weiterbewegt und nicht auf China wartet", sagte Wuttke.

Sorge um Taiwan

Auch habe China zunehmend ein Reputationsproblem, so die Experten. Neben den Drohgebärden und die Sorge über eine mögliche Invasion Taiwans stehen immer wieder Menschenrechtsverletzungen und Vorwürfe der Zwangsarbeit in Xinjiang im Raum. "Die negative Haltung ist ein weiteres Hemmnis, das unsere Anteilseigner zuhause in Europa beeinflusst", sagte Wuttke. "Einige Unternehmen fangen an, nach anderen Ländern zu schauen, deren politisches System weniger eine Herausforderung ist, um nicht dafür kritisiert zu werden, dort tätig zu sein." Es gebe mehr Misstöne und Antagonismus in europäischen Hauptstädten gegenüber China - nicht zuletzt auch aufgrund der Haltung Chinas während der Lockdowns in Europa, als die chinesische Regierung sich als Retter inszenierte.

"China muss die notwendigen Bedingungen schaffen, die es Unternehmen erlaubt, treuhänderische, unabhängige Überprüfungen ihrer Geschäftstätigkeiten vornehmen zu lassen, damit sie nachweisen können, sich an globale Rechtsvorschriften zu halten", heißt es in dem Papier. Hier geht es insbesondere um die Anforderungen, Lieferketten frei von Zwangsarbeit zu halten.

Die Wirtschaft habe in China lange eine vorrangige Rolle gespielt und sei vorhersehbar gewesen, sagte Wuttke. "Aber plötzlich haben wir eine Verkettung unglücklicher Umstände." Er nannte strenge Null-Toleranz-Politik gegenüber Covid-19 ohne eine Rückzugsstrategie gepaart mit enormen wirtschaftlichen Gegenwinden, Überschuldung, Immobilienkrise, Überalterung sowie eine mögliche Abwendung von der Globalisierung - die China überhaupt erst stark gemacht habe.

Go West!

Wo es Verlierer gibt, sind auch Gewinner: Die wachsende Skepsis gegenüber China und der Abstieg Russlands - zumindest aus einer westlichen Perspektive - verändern die globalen Handels- und Investitionsströme. An vorderster Stelle profitieren die USA davon. Mehrere Trends sprechen für eine Renaissance der europäisch-amerikanischen Beziehungen und eine wachsende Rolle des Landes in den nächsten Jahren. Politisch ist Washington gestärkt: Noch nie haben sich seit dem Ende der Sowjetunion so viele Staaten geschlossen an Sanktionen beteiligt. Wirtschaftlich boomt die Neue Welt: Die Bedeutung als Energielieferant für Europa gewinnt an Bedeutung, Investitionen werden angezogen - besonders aus den Bereichen, die sich aus China und Russland verabschieden. Und auch militärisch erweist sich die USA aktuell als einzige wirkliche Supermacht.

Erst kürzlich veröffentlichte der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VMDA) eine Umfrage, an der sich rund 350 Maschinenbauer beteiligten. Fazit: Drei Viertel der Unternehmen wollen ihre Geschäftsaktivitäten in den USA ausbauen; ein Drittel produziert bereits dort; 80 Prozent der Unternehmen erwarten im laufenden Jahr steigende US-Umsätze. Mehr als 100.000 Menschen beschäftigen die deutschen Maschinenbauer in den USA. Zwei Drittel der Firmen wollen ihre Belegschaft in den USA aufstocken.

Auch die hohen Energiekosten in Europa sowie das billionenschwere Investitions-Paket, das die Biden-Regierung geschnürt haben, unterstützen viele Unternehmen bei ihrer Entscheidung.