EU-Präsidenten über die Zukunft der Industrie : Zur Lage der EU: Von der Leyen geht beim Klimaschutz auf Industrie zu

Ursula von der Leyen im Europäischen Parlament

Ursula von der Leyen im Europäischen Parlament

- © CC-BY-4.0: European Union 2019

Die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Ursula von der Leyen, will die europäische Wirtschaft fit für eine klimaneutrale Zukunft machen und sie vor der Konkurrenz aus China schützen. Vor den Europaabgeordneten betonte sie die Bedeutung des europäischen Green Deal. Er sei ein Leuchtturmprojekt ihrer Amtszeit. Die EU-Kommission bleibe in Bezug auf den Green Deal "auf Kurs". Von der Leyen hob Maßnahmen hervor, die der Industrie helfen sollen, die Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu bleiben: "Wir haben die Klima-Agenda zu einer wirtschaftlichen Agenda weiterentwickelt."

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Darüber hinaus kündigte sie eine Untersuchung zu unfairem Wettbewerb im Bereich der Elektroautos aus China an. Für eine "saubere Wirtschaft" sei die E-Mobilität eine Schlüsselindustrie. Billige chinesische Elektroautos, deren Preise durch staatliche Subventionen gedrückt würden, würden die Weltmärkte jedoch "überschwemmen". Mit dieser Ankündigung dürfte sie, wie in den Medien berichtet, einem Wunsch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron entsprochen haben.

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Zugeständnisse an die eigene Fraktion

Außerdem werde die Kommission ein "Paket für die Windkraft in Europa" vorstellen. Ziel soll dabei die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und die Verbesserung von Auktionssystemen "in der gesamten EU" sein. Als Zugeständnis an von der Leyens eigene konservative EVP-Fraktion im EU-Parlament kann wohl auch die starke Betonung der wirtschaftlichen Aspekte des Klimaschutzes verstanden werden. Diese war zuletzt beim Klimaschutz auf die Bremse getreten und hatte mehr Rücksicht auf die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft gefordert.

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Die Bedeutung der Dekarbonisierung der Wirtschaft betonte die Kommissionschefin in ihrer Rede aber auch. Sie bezog sich dabei auf die Hitzewellen in ganz Europa sowie auf die Waldbrände und Überschwemmungen in Griechenland und Spanien. "Dies ist die Realität eines Planeten, der kocht", so ihr Appell.

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Von der Leyen schlug mehrere Initiativen zur Bewältigung der drei großen wirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit vor: Arbeitskräftemangel, Wettbewerbsfähigkeit und Rahmenbedingungen für europäische Unternehmen. Sie habe den ehemaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, gebeten, einen Bericht über die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit zu erstellen. Zur Vorbereitung des Arbeitsmarktes auf die Zukunft und zur Bekämpfung des Fach- und Arbeitskräftemangels will die Kommission gemeinsam mit der belgischen Ratspräsidentschaft im kommenden Jahr erneut einen Gipfel mit den Sozialpartnern in Val Duchesse einberufen.

Blick in den Plenarsaal des EU-Parlaments in Straßburg

- © Wikipedia

Auch KI spielte in der Rede eine zentrale Rolle

Auch kritische Rohstoffe und der effiziente Einsatz von künstlicher Intelligenz seien von hoher Relevanz für die Wettbewerbsfähigkeit. "Aus diesem Grund werden wir noch in diesem Jahr das erste Treffen unseres neuen Clubs für kritische Rohstoffe einberufen", betonte von der Leyen. Gleichzeitig werde die Kommission auch in Zukunft die Förderung eines offenen und fairen Handels vorantreiben. Ziel sei auch die Stärkung der Zusammenarbeit mit Afrika. Für den nächsten EU-AU-Gipfel werde die Brüsseler Behörde deshalb gemeinsam mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell ein neues Strategiekonzept vorlegen.

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Die Künstliche Intelligenz (KI) könne vieles besser machen, so von der Leyen. "Doch sollten wir auch die durchaus realen Gefahren nicht unterschätzen", warnte sie: "Unsere oberste Priorität ist es, sicherzustellen, dass sich die KI auf eine menschenzentrierte, transparente und verantwortungsvolle Weise entwickelt." Wichtig seien hier Supercomputer: "Deshalb kann ich heute eine neue Initiative ankündigen, KI-Start-ups unsere Hochleistungscomputer zur Verfügung zu stellen, um ihre Geschäftsmodelle zu erproben."

Kritik und Lob an Von der Leyens Rede

Kritik und Zustimmung prägten die anschließende Debatte mit den Europaabgeordneten und weitere Reaktionen. Der österreichische Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP), der in einer Aussendung beschleunigte Verhandlungen über den von der Kommission im Frühjahr vorgelegten "Net-Zero Industry Act" forderte, äußerte sich weitgehend lobend. "Das ist einerseits wichtig, um auf den US-amerikanischen Inflation Reduction Act zu reagieren, andererseits müssen wir aber auch unabhängig davon den Ausbau der für die grüne und digitale Transformation strategisch wichtigen Technologien noch schneller vorantreiben."

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"Ich freue mich, dass die Digitalisierung als eines der zentralen Themen unserer Zukunft und dessen Wichtigkeit in der EU angekommen ist. Die Digitalisierung ist in unserer modernen und vernetzten Welt mittlerweile Treiber der Wirtschaft", so Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky (ÖVP). EVP-Vorsitzender Manfred Weber betonte den Glauben seiner Partei an den Green Deal - aber auch die Unternehmen müssten Gehör finden.

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Die Caritas Europa-Generalsekretärin Maria Nyman betonte: "Die Präsidentin betonte zwar die Bedeutung des Schutzes von Arbeitsplätzen, aber es bedarf vieler zusätzlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut. Wir fordern eine Rahmenrichtlinie zum Mindesteinkommen, die wirtschaftliche Sicherheit und Würde für alle ermöglicht." "Mehr als die Hälfte der Vorschriften (Bürokratie) kommt aus Brüssel - hier gibt es dringenden Handlungsbedarf, denn das droht zunehmend die Europäische Wettbewerbsfähigkeit zu beeinträchtigen. Unternehmerisches Risiko und Investitionen sind nirgendwo anders so vielen Auflagen und Beschränkungen unterworfen wie in Europa", so Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung (IV).

IV-Chef Georg Knill im Gespräch
IV-Präsident Knill kritisiert die Brüsseler Bürokratie - © Marija Kanizaj