Henning Hatje ist einer der drei Gründer des 2020 gegründeten Procurement-Unternehmens Lhotse. Mit der Plattform Lhotse spürt Hatje für Unternehmen verschiedenster Branchen die besten Angebote von Händlern im Netz auf und unterstützt sie damit beim taktischen Einkauf – etwa die Funke Mediengruppe oder E.ON. Das INDUSTRIEMAGAZIN traf ihn zum Interview.
INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Hatje, laut einer McKinsey-Studie von 2021 liegen zwei Drittel des ESG-Fußabdrucks von Unternehmen bei deren Lieferanten. Inwieweit kann das Lieferkettengesetz hier einwirken?
Henning Hatje: Die aktuellen Gesetzesänderungen des Supply Chain Act betreffen vor allem die Art und Weise, wie ein Unternehmen seine sozialen und ökologischen Auswirkungen misst und analysiert. Obwohl die neuen Gesetze unbestreitbare Auswirkungen auf die Art und Weise haben werden, wie Unternehmen Materialien beschaffen, ist ihre Bedeutung auch symbolisch, da sie einen gesellschaftlichen Wandel aufzeigen.
Es ist absehbar, dass immer mehr Gesetze erlassen werden, die eine selbstgefällige Haltung der Unternehmen in Bezug auf ihren Kohlenstoff-Fußabdruck nicht mehr zulassen. Wahrscheinlich wird es bald weitere Gesetze geben, die die Verringerung des CO2-Fußabdrucks zu einer rechtlichen Angelegenheit machen, auch wenn dies sicherlich auch jetzt schon eine Priorität ist.
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Welche Rolle spielen dabei das Risikomanagement und die Zukunftssicherheit der Lieferkette?
Hatje: Gerade durch die Pandemie wurden eine Reihe von Schwachstellen in den Lieferketten von Unternehmen aufgedeckt, welche sich beispielsweise zu stark auf Lieferanten aus einer Hand oder aus Übersee verlassen haben. Beim Vorantreiben des Themas Nachhaltigkeit in einem Unternehmen ist es wichtig, sich auf das Risikomanagement und die Zukunftssicherheit der Lieferkette zu konzentrieren. Auf diese Weise können Unternehmen die nachhaltige Beschaffung nutzen, um problematische Lieferanten zu identifizieren und ihren Ruf zu schützen, Risiken durch Lieferengpässe zu mindern, die Einhaltung von Vorschriften zu gewährleisten und die Robustheit ihrer Lieferkette zu schützen.
Wie kann Technologie unterstützen, ESG-Compliance aufzubauen?
Hatje: Nachhaltigkeit und Lieferantenvielfalt sind zwar übergreifende Konzepte, aber ESG trifft den Kern der Sache. Das größte Hindernis für die Mehrheit der Chief Procurement Officers bei der Umsetzung von ESG-Kriterien, und vor allem in Bezug auf die indirekte Beschaffung, ist der Mangel an den erforderlichen Tools und Daten. Eine Studie von Coupa (2022) ergab, dass 65 Prozent der Unternehmen nicht wissen, ob ihre engsten Lieferkettenpartner ESG-Standards einhalten. Die Lösung ist einfach: Technologie kann ESG-Lieferantendaten in Ihre bestehenden Beschaffung-Workflows integrieren, sodass sich Unternehmen nicht mit fragmentierten Informationen in verschiedenen Abteilungen herumschlagen müssen.
Wie groß ist denn der ESG-Fußabdruck, der Unternehmen durch Beschaffung bei Ihren Lieferanten entsteht?
Hatje: Diese Frage ist schwer zu beantworten. Jedes Unternehmen besitzt einen eigenen individuellen Fußabdruck, welcher sich aus diversen Werten zusammensetzt. Die Lhotse-App identifiziert lediglich automatisch Lieferanten passend zu der Anfrage des jeweiligen Unternehmens, holt Angebote ein und gibt einen transparenten Überblick über die besten Optionen sowie die historischen Daten eines Lieferanten. Dies kann Auskunft darüber geben, inwiefern die Lieferanten ESG konform sind und dementsprechend ausgewählt werden. Da wir nur die Auswahl der Anbieter erleichtern, hängt dies ganz davon ab, für welches Angebot sich unsere Kunden letztendlich entscheiden und davon wiederum, wie groß der ESG-Fußabdruck schlussendlich ist.