Als Farmer in Finnland, lässt Martin Berlekamp seine Gedanken für eine Sekunde in entlegenere Regionen galoppieren, würde er sich grundsätzlich auch "sehr wohl" fühlen. Doch eigentlich hat er hier den "großartigsten Job der Welt": Beim Wiener Neudorfer Hersteller von Verpackungslösungen Schur Flexibles managt der gebürtige Münsteraner, der auf über zwei Jahrzehnte Erfahrung in der Kunststofffolienindustrie verweisen kann, seit 2018 die Nachhaltigkeit. Bei einem Arbeitgeber, der diese quasi in der DNA hat. Und Berlekamp auf seiner Mission volle Unterstützung angedeihen lässt: Ihn treibt an, Verpackung neu zu denken und die Vor- und Nachteile verschiedener Lösungen neutral zu bewerten. Man sei ein Team von drei Leuten, "sehr erfahren und motiviert", sagt er. Jede Neuentwicklung werde auf die Recyclierbarkeit überprüft, mit etwas Glück erfolgt dann die Freigabe eines Entwicklungsauftrags.
Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehe da die gesamte Wertschöpfungskette. Der Einsatz alternativer Rohstoffe aus erneuerbaren Rohstoffen zweiter Generation sei so ein Thema, in das Berlekamps Herzblut fließt. "Wir haben sehr viel verfügbare Biomasse, die aber derzeit nicht genutzt wird", sagt er. Besonders interessant: Rückstände aus anderen Industrieprozessen, die in regelmäßigen und vergleichbaren Mengen anfallen. "Etwa Tallöl aus der Holzindustrie", so der Experte.
Der Plan, die Produktionsstätten in Europa bis 2025 Schritt für Schritt klimaneutral umzugestalten, steht laut Berlekamp. Kooperationen machen neue Kräfte frei: Etwa mit dem Startup Recycda. Es baut das eine internetbasierte Plattform auf, die Aufschluss über die Recyclingfähigkeit in unterschiedlichen Ländern - samt Richtlinien und Guidelines - gibt.
Als Hersteller von Verpackungsmaterialien könne man jedenfalls einiges bewegen. Am Ende aber müsste es auch bei Verbrauchern 'klick' machen. "Es macht keinen Sinn, biologisch abbaubare Bonbonpapiere in den Markt zu bringen, so Berlekamp. Vielmehr müsse schon unseren "Kindern beigebracht werden, nichts in der Natur wegzuwerfen, sondern eben im Abfallbehälter". Was Berlekamp zuversichtlich stimmt: Die offene Diskussion über den gesellschaftlichen Nutzen von Kunststoffverpackungen. Berlekamp: "Plötzlich kann man mit Supermarktketten, Kunden und NGO’s offen über Fakten sprechen".
ZUR PERSON
Martin Berlekamp studierte nach seinem Abitur in seiner Heimatstadt Münster Chemie. Nach seiner Promotion 1995 arbeitete er ein knappes Jahr als post doctoral graduate an der Univerität Jyväskylä, Finnland. Anschließend war er drei Jahre in einem mittelständischen Unternehmen für Holzbehandlungsprodukte als Produktmanager und Leiter der Anwendungstechnik tätig. 1999 wechselte er in die Hartfolienindustrie. Seit 2018 ist er bei Schur Flexibles.