Stellenabbau bei ZF Friedrichshafen : Elektroschock für ZF: Warum das Herzstück des Konzerns fällt

ZF Friedrichshafen AG Produktion Zulieferer

ZF sitzt auf einem Schuldenberg von über zehn Milliarden Euro – Spielraum für Fehler gibt es keinen mehr.

- © ZF Friedrichshafen AG

Noch vor wenigen Jahren galt ZF Friedrichshafen als unangefochtener König der Getriebe – ein technologischer Taktgeber der Autoindustrie, bewundert für Ingenieurskunst und Innovationskraft. Heute aber geraten die Zahnräder ins Stocken. Der einst präzise laufende Maschinenraum des Konzerns wirkt aus dem Takt, die Schlagzahl sinkt – und hinter den Kulissen läuft fieberhaft die Transformation.

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Die Lage ist angespannt – finanziell wie strategisch. Bei einem Umsatz von rund 40 Milliarden Euro sitzt ZF auf einem Schuldenberg von über zehn Milliarden. Die Eigenkapitalquote liegt unter 20 Prozent – Spielraum für Fehler gibt es keinen mehr.

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Geheimplan „Verde“: ZF treibt radikale Ausgliederung der Getriebesparte voran

Unter Geheimhaltung wurde Anfang des Jahres in Friedrichshafen das Projekt „Verde“ vorangetrieben. Dutzende Führungskräfte mussten Verschwiegenheitsklauseln unterschreiben, denn die Pläne waren brisant: ZF erwägt die komplette Ausgliederung seiner Sparte „Elektrifizierte Antriebstechnologien“ – intern als „E-Division“ bezeichnet. Der Name täuscht: Es geht nicht nur um Elektromobilität, sondern um das gesamte Getriebegeschäft – konventionell, hybrid, vollelektrisch.

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Die Neuaufstellung ging damit deutlich tiefer als noch im Herbst angekündigt. Damals sprach der Vorstand von möglichen technologischen Partnerschaften – nun stand ein fundamentaler Umbau im Raum. ZF steht nicht nur vor einem Strategiewechsel, sondern womöglich vor der größten Zäsur in seiner Geschichte.
Eine Ausgliederung der Sparte würde mehr als 32.000 Beschäftigte betreffen und ein Umsatzvolumen von knapp 10 Milliarden Euro – das entspricht etwa jedem fünften Arbeitsplatz und einem Viertel des gesamten Konzernumsatzes. Besonders stark betroffen wäre der Standort Schweinfurt, an dem rund drei Viertel der 8.000 Mitarbeitenden in der E-Division tätig sind.

Warum aber steht ausgerechnet die Getriebesparte – einst das Herzstück von ZF – heute so massiv unter Druck?

Produktion von Traxon-Getrieben bei ZF

- © ZF Friedrichshafen AG

ZF Friedrichshafen: 7.600 Stellen sollen bis 2030 gestrichen werden

Nun plant der Autozulieferer ZF Friedrichshafen einen umfassenden Stellenabbau in seiner Antriebssparte. Bis zum Jahr 2030 sollen rund 7.600 Arbeitsplätze wegfallen, wie das Unternehmen mitteilte. Eine entsprechende Vereinbarung sei gemeinsam mit dem Gesamtbetriebsrat und der IG Metall getroffen worden. Die Stellenkürzungen sind Teil der bereits im vergangenen Jahr angekündigten bis zu 14.000 wegfallenden Jobs in Deutschland.

Um die Kosten bis 2027 um über 500 Millionen Euro zu senken, sieht das Sanierungskonzept unter anderem verkürzte Arbeitszeiten für Teile der Belegschaft sowie eine verschobene Tariferhöhung vor. Von der ursprünglich geplanten Ausgliederung der „Division E“, in der rund 30.000 Mitarbeitende elektrische, konventionelle und hybride Antriebe fertigen, rückt der Konzern ab. In Österreich beschäftigt ZF derzeit rund 800 Mitarbeitende an drei Standorten.

„Mit dem Bündnis beschreiten wir in der Industrie neue Wege“, sagte der neue Vorstandsvorsitzende Mathias Miedreich, der am Mittwoch seinen ersten Arbeitstag antrat. „Uns ist bewusst, dass der Weg dorthin mit harten Einschnitten für unsere Mitarbeitenden einhergeht.“

Elektroschock für das Herzstück: Warum klassische Getriebe ausgedient haben

Der Wandel zur Elektromobilität trifft das Getriebegeschäft von ZF besonders stark. Denn E-Autos brauchen keine komplexen Mehrganggetriebe – ein Elektromotor kommt in der Regel mit einem einstufigen Reduktionsgetriebe aus. Jahrzehntelang war der Konzern führend bei komplexen Automatik- und Doppelkupplungsgetrieben, Bauteilen, die in der Elektromobilität schlicht überflüssig sind. Mit jedem Modellwechsel und jeder E-Plattform, die bei den großen Herstellern anläuft, schmilzt das Geschäftsvolumen im klassischen Antriebsbereich.

Das stellt die jahrzehntelange Ingenieurskunst von ZF radikal in Frage. Was früher technologische Krone war, wird zunehmend zum Auslaufmodell. Die Nachfrage der Autohersteller nach klassischen oder auch hybriden Getrieben sinkt rapide – während ZF gleichzeitig Milliarden in neue Technologien investieren muss, etwa in Software, Leistungselektronik oder Batteriesysteme, in denen der Konzern bislang keine Führungsrolle hat.

Hinzu kommen branchentypische Belastungen: hohe Vorleistungen in Forschung und Entwicklung, schwankende Abrufe der Hersteller, stockende Modellanläufe. ZF steht Zdamit nicht allein – auch Wettbewerber wie Continental kämpfen mit den Folgen des Strukturwandels. Der Konzern hat sein Antriebsgeschäft bereits in die eigenständige Gesellschaft Aumovio ausgegliedert. Im September soll Aumovio an die Frankfurter Börse gehen, Conti-Aktionäre erhalten für je zwei Papiere eine Aktie des neuen Autoelektronik-Spezialisten ins Depot. ZF droht ein ähnlicher Weg: Ein einst breit aufgestellter Systemanbieter ringt darum, in der elektrifizierten Zukunft noch eine Rolle zu spielen.

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ZF Forum in Friedrichshafen

- © ZF Group

Standorte unter Druck: ZF streicht tausende Jobs trotz E-Investitionen

Die Krise in der Antriebssparte von ZF hat bereits in den vergangenen Jahren zu tiefgreifenden Sparmaßnahmen geführt – mit spürbaren Einschnitten an mehreren deutschen Standorten.

Im Werk Saarbrücken, dem größten Getriebewerk des Konzerns mit rund 10.000 Beschäftigten, wurde trotz hoher Investitionen in neue E-Antriebsachsen ein massiver Stellenabbau angekündigt: Mindestens 1.800 Arbeitsplätze sollen bis Ende 2025 wegfallen, bei weiter sinkender Auslastung könnten es laut IG Metall bis zu 4.500 werden. Die Nachfrage bröckelt, etwa weil Großkunde BMW Getriebe für den US-Markt künftig direkt aus den USA bezieht. Konkrete Zahlen zur Auslastung nennt ZF nicht – doch intern ist von einer deutlich spürbaren Unterauslastung die Rede.

Auch am Standort Schweinfurt, wo ZF Antriebskomponenten für Elektrofahrzeuge fertigt, ist die Situation angespannt: Rund zehn Prozent Überkapazität belasten den Standort, weshalb die wöchentliche Arbeitszeit für knapp 10.000 Beschäftigte auf 32,5 Stunden reduziert wurde. Kurzarbeit und Kündigungen sollen vermieden werden – doch das strukturelle Problem bleibt ungelöst: Die Nachfrage nach klassischen und hybriden Antriebskomponenten sinkt schneller, als neue E-Projekte das Volumen kompensieren können.

Hinzu kommen Standortschließungen kleinerer Werke: Das Werk Gelsenkirchen wurde Ende 2024 stillgelegt, Eitorf soll bis 2027 folgen. Trotz all dieser Maßnahmen gelingt es ZF bislang nicht, die Auslastung im Antriebsbereich wieder auf ein stabiles Niveau zu bringen.

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Sanierer Miedreich übernimmt: ZF setzt auf radikalen Neuanfang mit Plattformstrategie

Die Verantwortung für die angeschlagene E-Division liegt nun bei Mathias Miedreich – einem erfahrenen Restrukturierer, der Anfang des Jahres die wohl schwierigste Aufgabe im gesamten ZF-Konzern übernommen hat. Der 50-jährige Betriebswirt soll nicht nur milliardenschwere Altlasten aus der Ära seines Vorgängers abtragen – etwa Großaufträge, die zu nicht kostendeckenden Konditionen abgeschlossen wurden – sondern die Sparte fit für die Zukunft machen.

Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt in Zweibrücken betonte Miedreich, dass er die Herausforderung nicht unterschätze, aber an die „Substanz von ZF“ glaube. Im Zentrum seines Sanierungsprogramms stehen die Einführung von Plattformtechnologien, Kostensenkungen, Personalabbau – und vor allem die Suche nach einem strategischen Partner. Dabei zieht Miedreich eine klare Linie: „Partnerschaft heißt nicht Verkauf.“ Die E-Division, so betont er, bleibe integrativer Bestandteil von ZF – auch dann, wenn einzelne Bereiche mit Partnern weiterentwickelt würden. Damit markiert Miedreich einen Kurswechsel: Umbau ja, Ausverkauf nein.

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 Mathias Miedreich soll ZF nun sanieren 

- © ZF Friedrichshafen AG

ZF auf Partnersuche: Drahtseilakt zwischen US-Markt, Sparkurs und Strategiekrise

Miedreichs Sanierungsauftrag bei ZF gleicht einem Drahtseilakt. Idealerweise findet der Konzern einen Partner, der auf quer eingebaute Antriebe spezialisiert ist – also Aggregate, die parallel zur Achse verbaut werden. In diesem Bereich hat ZF Nachholbedarf: Als langjähriger Zulieferer von Premiumherstellern wie BMW liegt der Fokus bislang auf längs verbauten Antriebseinheiten. Das Ziel aber ist größer: Gemeinsam mit einem Partner soll ein führender Anbieter für komplette Antriebsstränge entstehen – mit ausreichend Volumen, um die Werke dauerhaft auszulasten.

Dabei rückt vor allem der US-Markt in den Fokus – weniger aus strategischer Überzeugung, sondern aus Mangel an Alternativen. Deutsche Wettbewerber kommen aus kartellrechtlichen Gründen als Partner kaum infrage, chinesische Interessenten gelten als politisch riskant: Unter der handelspolitischen Linie von Donald Trump könnten chinesische Miteigentümer das US-Geschäft empfindlich belasten – durch Zölle, Restriktionen oder politische Blockaden. Ein US-Partner hingegen wäre regulatorisch einfacher zu integrieren und könnte gleichzeitig den Marktzugang in Nordamerika stabilisieren.

Miedreich zeigt sich dennoch demonstrativ gelassen: „Wir wollen einen Partner finden, aber wir müssen nicht.“ Doch sollte die Partnersuche scheitern, droht ein noch schärferer Sparkurs – mit spürbaren Folgen auch für die Beschäftigten. Genaue Zahlen nennt er nicht. Doch klar ist: Ohne Partner schrumpfen die Spielräume – und die Ambitionen.

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Plattform statt Einzelteil: Neue Technik unter Marktdruck

ZF treibt die Entwicklung neuer Komponenten mit Hochdruck voran – auch, um sich technologisch unabhängiger von China zu machen. 

Magnetfreie Elektromotoren, die ohne seltene Erden auskommen, sollen Kunden von den bisherigen Lieferketten entkoppeln. Ein neu entwickeltes Thermomanagementsystem nutzt Propan als umweltfreundliches Kältemittel in Kombination mit einer Wärmepumpe. Zudem arbeitet ZF an einem sogenannten Range-Extender, der bereits das Interesse von BMW geweckt haben soll: Ein kleiner Verbrennungsmotor fungiert dabei als Generator, der die Batterie während der Fahrt lädt und so die Reichweite elektrischer Fahrzeuge erhöht. Ein weiteres Beispiel ist die neue i-Stop-Technologie, bei der die vollständige Verzögerung softwaregesteuert über den Elektromotor erfolgt – ganz ohne mechanisches Bremssystem. Doch all diese Entwicklungen brauchen Zeit, bis sie im Markt Fuß fassen und Umsatz generieren. Hinzu kommt die Unsicherheit durch die erratische US-Zollpolitik. 

Besonders große Hoffnungen setzt ZF in ein neu entwickeltes, modulares Plattformsystem für elektrische Antriebe. Im Vergleich mit den führenden Anbietern aus China zeigt sich der Konzern selbstbewusst: „Durch unser Baukastenprinzip liegen wir 15 Prozent unter den Kosten vergleichbarer Elektroantriebe“, sagt Chefentwickler Ottmar Scharrer. ZF habe nicht nur beim Entwicklungstempo, sondern auch bei den Herstellungskosten das Niveau der asiatischen Spitzenanbieter erreicht – mit „China-Speed“ und „China-Cost“.

„Noch in diesem Jahr werden die entscheidenden strategischen Weichen gestellt“, kündigt Miedreich an. Doch klar ist auch: Wenn sie falsch gestellt werden, könnte der frische Elan des neuen Spartenchefs schneller verpuffen, als ihm lieb ist.

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ZF-Standort in Shanghai 

- © ZF

ZF im globalen Spagat: US-Boom trifft China-Schwäche

Während in Europa Werke schrumpfen und Aufträge wegbrechen, fährt ZF in Nordamerika auf Expansionskurs. Rund 27 Prozent des Konzernumsatzes – mehr als elf Milliarden Euro – entfallen inzwischen auf die Region. Besonders in den USA investiert der Konzern massiv, etwa in Gray Court (South Carolina), wo das PowerLine-Getriebe für Nutzfahrzeuge künftig in Stückzahlen von bis zu 200.000 Einheiten pro Jahr gefertigt werden soll. Die Nachfrage ist da: Vor allem im boomenden US-Nutzfahrzeugmarkt erwartet ZF „signifikantes Wachstum“. Der Umbau des Konzerns wird hier zur Wachstumsstory. Möglich macht das die lokale Produktion, die Nähe zu Kunden wie Freightliner von Daimler Truck – und BMWs wachsendes Interesse an US-Ware, um Zölle zu umgehen. Während ZF in Deutschland ums Überleben einzelner Werke ringt, entstehen in den USA neue Kapazitäten. Die Zukunft fährt bei ZF – zumindest teilweise – amerikanisch.

Weniger rund läuft es im größten Automobilmarkt der Welt: China. 2024 sank der Umsatz dort auf nur noch 6,4 Milliarden Euro – ein drastischer Rückgang gegenüber den 8,1 Milliarden Euro im Vorjahr. Gründe sind unter anderem die Auslagerung der Achsmontage an Foxconn sowie ein stark sinkendes Preisniveau im chinesischen Volumengeschäft.

Gleichzeitig versucht ZF, sich in China technologisch neu zu positionieren. Mit dem Ausbau von Softwarekompetenz, softwaredefinierten Steuergeräten wie „ZF ProAI“ sowie einer neuen E-Achse aus dem Werk in Shenyang will der Konzern den Wandel vom Hardwarezulieferer zum Systemanbieter meistern. Auch im Bereich Fahrerassistenz und autonomes Fahren setzt ZF auf Expansion: Als erster ausländischer Zulieferer erhielt das Unternehmen eine Level-4-Testlizenz in Shanghai. Zudem sicherte sich ZF einen Großauftrag für das vollelektronische Steer-by-Wire-System im kommenden Nio-Flaggschiff ET9. Doch der Umbau ist teuer, die Margen eng – und der Personalabbau bleibt nicht aus: Die Zahl der Beschäftigten in China sank binnen eines Jahres um rund 1.500 auf 15.500.

Während ZF in China ums Wachstum kämpft und in Nordamerika expandiert, rückt eine grundsätzliche Frage immer stärker in den Fokus: Was bleibt von dem Konzern, wenn die Antriebssparte fällt?

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ZF ohne Antriebssparte: Wie stark der Konzern auch ohne Herzstück bleibt

Sollte ZF seine Antriebssparte tatsächlich verkaufen - oder nach dem Vorbild von Continental ausgliedern - bliebe ein Konzern mit einem nach wie vor beachtlichen industriellen Fundament. Der Umsatz der übrigen Divisionen summiert sich auf rund 32 Milliarden Euro (bei zuletzt 41,4 Mrd. Euro Gesamtumsatz). Damit wäre ZF zwar deutlich verschlankt, aber immer noch einer der größten Systemlieferanten der Automobilindustriel.

Größte verbliebene Einheit wäre die Division Chassis Solutions mit einem Jahresumsatz von 11,2 Milliarden Euro. Sie umfasst das komplette Fahrwerkssystem für Pkw bis sechs Tonnen – von konventionellen und semi-aktiven Dämpfern über Lenkungen und Bremsen bis hin zu X-by-Wire-Lösungen und aktiven Federungssystemen. ZF positioniert sich hier als Komplettanbieter für sogenannte Vehicle Motion Control.

Die Division Commercial Vehicle Solutions (CVS) mit einem Umsatz von 7 Milliarden Euro versorgt die globale Nutzfahrzeugbranche mit Antriebssystemen, Bremstechnik, Achsen und Steuerungselektronik. Die Einheit ging 2020 aus der Integration von Wabco hervor und gilt heute als zentraler Baustein in ZFs Strategie für automatisiertes, vernetztes und elektrifiziertes Fahren im Nutzfahrzeugbereich.

Mit der Division ZF Lifetec (ehemals Passive Safety Systems) bleibt auch der Insassenschutz ein Pfeiler. Sie erwirtschaftet 4,6 Milliarden Euro und produziert Airbags, Sicherheitsgurte, Lenkräder und Gasgeneratoren – klassische, aber stabile Sicherheitskomponenten mit hoher Fertigungstiefe.

Im Bereich der intelligenten Fahrzeugtechnik ist ZF mit Electronics and ADAS vertreten. Diese Sparte bringt es auf 2,5 Milliarden Euro Umsatz und umfasst Kameras, Radar- und Lidarsysteme, Steuergeräte sowie Fahrerassistenzlösungen – Schlüsseltechnologien für das automatisierte Fahren.

Abseits der Straße operiert die Division Industrial Technology mit einem Umsatz von 3,3 Milliarden Euro. Sie bietet Antriebe und Achsen für Land- und Baumaschinen, Bahn, Marine sowie Windkraftanlagen – ergänzt durch Prüftechnik und Mikromobilitätslösungen.

Abgerundet wird das Portfolio durch die Sparte Aftermarket, die mit 3,3 Milliarden Euro Umsatz ein verlässliches Ertragsstandbein darstellt. Hier bietet ZF Ersatzteile, Diagnose- und Reparaturlösungen für Fahrzeuge im Feld – unterstützt durch ein weltweites Servicenetz.

Auch ohne die E-Division bleibt ZF ein global breit aufgestellter Technologiekonzern – allerdings ohne das Geschäftsfeld, mit dem es über Jahrzehnte identifiziert wurde. Die Zukunft läge dann klar im Fahrwerk, in der Sicherheitstechnik, bei Nutzfahrzeugen – und in der Software. Doch die zentrale Kompetenz im Antrieb wäre Geschichte.

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Zwischen Systemhoffnung und Strukturbruch: Die offene Zukunft von ZF

ZF steht an einem Scheideweg. Der jahrzehntelange Erfolg als Getriebespezialist bröckelt unter dem Druck der Elektromobilität, und mit der möglichen Ausgliederung der E-Division könnte ausgerechnet das Herzstück des Unternehmens Geschichte werden. Was bleibt, ist ein breit aufgestellter Technologiekonzern – stark in Fahrwerk, Sicherheit, Nutzfahrzeugen und Industrieanwendungen, mit wachsendem Know-how in Software, Elektronik und autonomen Systemen. Doch der Wandel ist teuer, der Wettbewerb hart, und die Margen in vielen Bereichen dünn.

Hinzu kommt ein zunehmend aggressives Wettbewerbsumfeld, vor allem aus Asien. Chinesische Anbieter wie CATL, BYD oder GAC Aion dominieren nicht nur bei Batterietechnologien, sondern greifen auch im Bereich kompletter elektrischer Antriebssysteme an – mit enormem Tempo, massiver staatlicher Förderung und massiver Skalierung. Viele dieser Unternehmen bieten integrierte Lösungen aus Motor, Batterie, Leistungselektronik und Software aus einer Hand – zu Preisen, mit denen westliche Zulieferer kaum mithalten können. ZF setzt zwar auf technologische Eigenentwicklungen wie modulare E-Plattformen und magnetfreie Motoren, muss aber beweisen, dass es auch bei Stückzahlen, Kostenstrukturen und Innovationsgeschwindigkeit mithalten kann.

Die Zukunft von ZF wird davon abhängen, ob es gelingt, diesen Umbau nicht nur technisch, sondern auch wirtschaftlich zu meistern – sei es mit einem starken Partner an der Seite oder im Alleingang. Die Strategie steht: modular, skalierbar, softwarebasiert. Doch ob der Konzern damit in der ersten Reihe der Mobilitätsanbieter bleibt oder zur industriellen zweiten Liga abrutscht, ist offen. Klar ist nur: Die Zeiten, in denen ZF vor allem durch mechanische Meisterwerke glänzte, sind vorbei. Jetzt entscheidet sich, ob daraus ein neuer Systemanbieter erwächst – oder ein Konzern, der von der Vergangenheit überrollt wird, während andere die Zukunft liefern.