Transport & Logistikbranche : Warum Verbrenner unverzichtbar bleiben

Christian Schnöbel, Managementberatung Horváth

Christian Schnöbel, Managementberatung Horváth

- © Maks Richter

Wenn der Motor schneller laufen soll als die Beschleunigung hergibt, spricht man landläufig von einem „Verreiber“. Dieses Risiko tragen derzeit alle Planungen rund um das geplante Verbot von diesel- und benzinbetriebenen Fahrzeugen mit dem Jahr 2035. Auch wenn das Verbrennerverbot die Logistikbranche nur bedingt betrifft, so zeigen doch alle Parameter, dass die Transformation in eine CO2-freie Verkehrszukunft deutlich langsamer läuft als gewünscht.

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Nachhaltigkeit mit Einschränkungen

Das Nachhaltigkeitsgebot ist bei den verantwortlichen Führungskräften bei den Logistik- und Transportunternehmen längst angekommen. Das zeigt auch eine neue Studie der Managementberatung Horváth. Geschäftsmodelle und Prozesse werden angepasst, Transporte zunehmend von der Straße auf die Schiene verlagert. Doch dem Fortschritt sind Grenzen gesetzt. Selbst in zwölf Jahren, so die Prognose, wird der Anteil an dieselbetriebenen Transporten noch bei gut einem Viertel liegen.

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Zu den größten Hürden auf dem Weg zur klimaneutralen Logistik gehört die nach wie vor eingeschränkte Reichweite von Transportfahrzeugen mit alternativen Antrieben und die nicht ausreichende Ladeinfrastruktur. Klimafreundliche Kraftstoffe sind ebenfalls Mangelware oder teuer. Gerade in der margenarmen Logistik ist dies ein echtes Problem. Hinzu kommt die lange Lebensdauer der großen teuren Trucks. Es rechnet sich schlichtweg nicht, konventionelle Fahrzeuge vorzeitig abzustoßen.

Regionale Kreislaufwirtschaft als Ziel

Die Dekarbonisierung in der Logistik- und Transportindustrie hat neben dem CO2-freien Transport jedoch noch wichtige weitere Dimensionen, in denen die Branche in den kommenden Jahren große Fortschritte machen wird. So arbeiten große Teile der Logistikwirtschaft bereits mit Hochdruck an der Etablierung von regionalen Kreislaufwirtschaften.

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Die Wiederverwendung von Rohstoffen, Verpackungen und Ladehilfen ist aus Sicht von Branchenexperten neben dem Einsatz von E- und Schienenfahrzeugen ein großer Hebel auf dem Weg zur Klimaneutralität. Zwei von drei befragten Managern messen ihr hohe Bedeutung zu – auch wenn die Rückführung von Verpackungen im Konsumentenmarkt deutlich schwieriger durchzusetzen ist als im B2B-Segment. Das liegt an stark individualisierten Verpackungen und an der Vielzahl an Anbietern.

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Die Heterogenität von Produkten und Prozessen erschwert die Bemühungen um eine Kreislaufwirtschaft ganz generell. Dafür wären neue Standards und Normungen dringend festzulegen, sagen drei von vier Befragten. Standards können durch Industrieverbände, kooperierende Transport- und Logistikunternehmen oder staatliche Einrichtungen festgelegt werden. Hauptsache ist, dass Initiativen gesetzt werden. Unter Zugzwang kommen die Unternehmen auch dadurch, dass das Thema Kreislaufwirtschaft nicht zuletzt für Investoren und Kapitalgeber als ESG-Kriterium immer wichtiger wird.

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Eng mit der Kreislaufwirtschaft ist auch die Regionalisierung von ausgewählten Beschaffungs- und Absatzwegen verbunden, eine Folge der krisenbedingten Lieferengpässe und Lieferkettenstörungen. Re- und Nearshoring, erhöhte Lagerbestände sowie diversifizierte Beschaffung werden hier als wichtige Anpassungen genannt. Dadurch ergeben sich neben mehr Resilienz auch Nachhaltigkeitsvorteile durch kürzere Transportwege und höhere Transparenz.

Höhere Kosten für letzte Meile

Während die Verbrennerdiskussion in der überregionalen Logistik anhalten wird, ist die letzte Meile in den Innenstädten bei der Dekarbonisierung schon fortgeschritten. Doch die wird sich spürbar weiter verteuern. Die letzte Meile macht schon heute über drei Viertel der gesamten Transportkosten der Logistikanbieter aus, davon sind über 90 Prozent Personalkosten, und die steigen weiter ebenso wie die Betriebs- und Bereitschaftskosten aufgrund immer strengerer regulatorischer Vorgaben.

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Dazu gehören verkehrsbezogene Nachhaltigkeitsziele, Immissionsschutz, Straßen- beziehungsweise baurechtliche Vorgaben, technische Vorgaben sowie Datenschutz- und Haftungsregelungen. Dass diese Vorgaben auch noch regional unterschiedlich sind, erschwert standardisierte Lösungen und verteuert die Prozesse zusätzlich. Zur Kostenreduktion gibt es verschiedene Stellschrauben, u.a. die Zustellung mehrerer Pakete an einem Punkt, eine Tour-Verdichtung durch verbesserte Routenplanung oder eine optimierte Sendungsübergabe.

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Grundsätzlich bedarf es innovativer und umweltfreundlicher Lösungen für die gesamte innerstädtische Logistik, die Schienenverkehr, Pakethubs (z.B. in Parkhäusern), Lastenfahrräder, Zustellroboter und auch Drohnen einschließen. Dabei wird Start-ups als von Investoren geförderten Impulsgebern eine wichtige Rolle zugemessen. Reines Reagieren auf neue Regulierungen bringt die urbane Logistik nicht voran, die Unternehmen müssen ihre Transformation aktiv gestalten.

Hoher Transformationsbedarf

Wissenschafter wie Manager der großen Logistik- und Transportunternehmen gehen von einem hohen Transformationsbedarf aus, um die anspruchsvollen Nachhaltigkeitsziele der Europäischen Union sowie von Kunden und Investoren zu erreichen. Die Strategien und Konzepte dafür gibt es bereits. Ob die Umsetzung allerdings im gewünschten Tempo gelingt, das wird nicht nur vom politischen Druck, sondern auch von der Machbarkeit und der Kostenentwicklung abhängen.

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Für die Studie "Corporate Transformation in der Transport- und Logistikindustrie" wurden über 25 Strategieleiter und CxOs von namhaften Logistik- und Transportunternehmen befragt. Dr. Christian Schnöbel ist Partner bei der Managementberatung Horváth und verantwortet den Bereich Transportation, Travel & Logistics. cschnoebel@horvath-partners.com