Autoindustrie : Autoproduktion ohne Erdöl und Gas: Ist das möglich?

BMW Auto aus 100% Recyclingmaterial

BMW-Chef Zipse: Autos produzieren ohne Gas und Strom

- © apa/Tobias Schwarz

BMW will seine Autofabrik im ungarischen Debrecen ausschließlich mit Ökostrom betreiben. Das "Werk in Ungarn soll vollständig auf fossile Energieträger verzichten", sagte Vorstandschef Oliver Zipse am Mittwoch auf der BMW-Hauptversammlung in München. Seinen Angaben zufolge ist es damit das weltweit erste Automobilwerk, das ohne fossile Energien betrieben wird.

Am 1. Juni werde der Grundstein für das Werk in Ungarn gelegt, 26 Monate später sollen dort die ersten Vorserien-Autos der vollelektrischen Neuen Klasse vom Band laufen. Der Großteil des für die Produktion benötigten Stroms werde direkt auf dem Werksgelände erzeugt, "für den Rest nutzen wir zu 100 Prozent regenerative Energiequellen", sagte Zipse.

Der Verzicht auf Gas im Werk Debrecen gehe zurück auf das Ziel, den CO2-Ausstoß in der Fertigung zu reduzieren, und sei unabhängig von der aktuellen Versorgungslage, sagte eine Unternehmenssprecherin. Das sei aber auch wirtschaftlich sinnvoll: "Das Konzept sorgt für Preisstabilität und Versorgungssicherheit."

Bisher braucht BMW Gas in den Autofabriken vor allem für den Betrieb von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen und für die Öfen in der Lackiererei. Im vergangenen Jahr hat der Konzern weltweit 3,5 Mio. Megawattstunden Erdgas verbraucht, von insgesamt 6,5 Mio. Megawattstunden Energie insgesamt. Der größte Teil des CO2-Ausstoßes von 766.153 Tonnen stammte demnach aus der Verbrennung von Erdgas in den Kraft-Wärme-Anlagen und Lackierereien.

Der Energieeinsatz in der Pkw-Produktion sinkt übrigens grundsätzlich. 2019 erreichte er dem Branchenverband ACEA zufolge bei den Mitgliedsunternehmen umgerechnet rund 40,5 Megawattstunden pro Fahrzeug, was einer Verbesserung von 17 Prozent gegenüber 2005 entspricht. Der CO2-Ausstoß pro gebautem Fahrzeug ist im gleichen Zeitraum um 38 Prozent auf gut 10 Tonnen gesunken. Bei einer Lebens-Fahrleistung von 150.000 Kilometern entspricht das einem CO2-Ausstoß von knapp 67 Gramm pro Kilometer zusätzlich zu den betriebsbedingten Emissionen. Die liegen in der EU für Neuwagen aktuell bei 123 Gramm pro Kilometer.


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Wie klimafreundlich ist die Produktion von E-Autos?

Ganz generell sorgen aber immer wieder auch Behauptungen für Diskussionen, wonach der Bau von E-Autos, wie in der BMW-Fabrik in Ungarn geplant, mehr Emmissionen verursachen als die Produktion von Verbrennern. Das stimme allerdings nicht wirklich, wie Forscher immer wieder betonen, jedenfalls dann nicht, wenn der gesamte Lebenszyklus brücksichtigt wird.

Was stimmt: Die Produktion von E-Autos ist energieintensiv und mit einem hohen Ausstoß von Treibhausgasen verbunden. "Elektrofahrzeuge verursachen bei der Herstellung in der Regel mehr Treibhausgasemissionen als konventionelle Pkw, die mit Diesel oder Benzin betrieben werden", heißt es etwa in einer Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) vom Januar 2020. Je nach Energiequelle, Energieeffizienz der Produktion und Batteriegröße fielen zwischen 70 und 130 Prozent höhere Treibhausgasemissionen an als bei der Herstellung von Benzin- oder Dieselfahrzeugen.

Jens Buchgeister vom Karlsruher Institut für Technologie erklärt aber, dass die bloße Betrachtung des Herstellungsprozesses von Elektroautos nicht ausreiche, um ihre Ökobilanz zu beurteilen. Über ihren gesamten Lebensweg seien Elektroautos gegenüber Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren wesentlich effizienter. So würde die bei der Herstellung entstehende ökologische Mehrbelastung ab einer Fahrleistung von insgesamt 150.000 Kilometern mehr als ausgeglichen.

Das Bundesumweltministerium erklärte in einer Publikation zur Umweltbilanz von Elektroautos vom Januar 2021, ein Elektrofahrzeug der Kompaktklasse erzeuge "gegenüber einem Benziner etwa 30 Prozent weniger Klimagase. Gegenüber einem vergleichbaren Diesel sind es etwa 23 Prozent weniger." Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Veröffentlichung des ISI vom Januar 2020. Zwar sei die Herstellung von E-Autos im Vergleich zu konventionellen Pkw aufgrund der technischen Prozesse bei der Batterieherstellung deutlich energieintensiver, gleichzeitig verursache ihre Nutzung je nach Quelle des verwendeten Stroms aber weniger Treibhausgase.