Energie : Verbund-Chef Strugl: "Erneuerbare Energien stabilisieren unser Geschäft"

Verbund CEO Strugl Michael

Verbund-Chef Strugl: Strategisch gut aufgestellt

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Der Verbund Stromkonzern sieht sich durch die anhaltenden Verwerfungen auf den Energiemärkten und die Auswirkungen des Russland-Ukraine-Kriegs am Rohstoffsektor in der Absicht bestätigt, seine Erneuerbaren-Stromerzeugung beschleunigt auszubauen. Bis zum Jahr 2030 sollen 20 bis 25 Prozent der Erzeugung des Konzerns aus PV und Wind stammen, voriges Jahr waren es erst vier Prozent. 93 Prozent steuerte die Wasserkraft bei.

Nötig seien mehr Anstrengungen in Richtung Erneuerbare, um stärker von fossilen Energieimporten wegzukommen, sagte Verbund-Generaldirektor Michael Strugl am Montag auf der Hauptversammlung. Außerdem stelle die Erhöhung des Solar- und Windkraftanteils einen Beitrag zur Stabilisierung der Ergebnisse gegenüber der Wasserkraft dar, gewissermaßen ein interner Hedge. "Gerade die letzten Quartale haben uns in dieser strategischen Überlegung bestärkt", so Strugl. Die PV- und Winderzeugung wolle man selbst entwickeln oder auch entsprechend zukaufen, wie es zuletzt in Spanien der Fall war.

2022 bis 2024 seien steigende Investitionen in nachhaltige Projekte geplant, sagte Finanzvorstand Peter Kollmann, der von einer aktuellen Entwicklung an den Energiemärkten in einer historischen Dimension sprach. Noch ohne allfällige Zukäufe sieht der Investitionsplan 3,1 Mrd. Euro vor, davon 997 Mio. Euro für die Wasserkraft, 550 Mio. für Neue Erneuerbare, 1,27 Mrd. Euro für das Netz und 243 Mio. Euro für Sonstiges. Das Netz sei neben der Erzeugung am zweitwichtigsten, so Kollmann, hier sei 2021 auch das operative EBITDA stark angestiegen, schon anteilig samt der mehrheitlich erworbenen GasConnect Austria (GCA). Ein gut ausgebautes Netz sei die wichtigste Voraussetzung für Versorgungssicherheit. 2021 seien an 241 Tagen Eingriffe durch Redispatch nötig gewesen - vor zehn Jahren um die 50 Tage jährlich -, heuer im Jänner schon an 20 Tagen.

Die europäischen Strom- und Gas-Großhandelsmärkte seien von Umbrüchen und Preisausschlägen gekennzeichnet, so Verbund-Chef Strugl auf der HV, die "in einem sehr unruhigen und volatilen Marktumfeld" stattfinde. Der Erdgaspreis habe sich unglaublich stark nach oben entwickelt. Weitere preistreibende Faktoren seien der wirtschaftliche Aufschwung nach der Covid-Pandemie mit höherer Energienachfrage, Rohstoffverteuerungen und Lieferengpässen. Zu weiteren Unsicherheiten am Markt habe der Russland-Ukraine-Krieg geführt, insbesondere beim Gaspreis, noch zusätzlich angeheizt durch Diskussionen über Embargos oder Importstopps. Deshalb habe die Regierung Vorkehrungen zum Schutz von Kunden vorgenommen.

Hauptgrund des für 2022 erwarteten Ergebnisanstiegs beim Verbund-Konzern sei der deutlich höher erwartete Strom-Absatzpreis, der im Schnitt bei 120 Euro je Megawattstunde (MWh) liegen soll, nach 55 Euro 2021 bzw. 45 Euro 2020, sagte Kollmann. 74 Prozent der Verbund-Erzeugung seien abgesichert, also bereits auf Termin verkauft. Nach 1,579 Mrd. Euro im Vorjahr soll das EBITDA heuer bei 2,6 bis 3,5 Mrd. Euro liegen, das Konzernergebnis nach 874 Mio. bei 1,4 bis 2,0 Mrd. Euro.

Die 2021 überarbeitete Verbund-Strategie sieht drei Stoßrichtungen vor: die Stärkung der Positionierung am Heimmarkt, den Renewables-Ausbau in Europa und "die Positionierung als europäischer Wasserstoffplayer", denn diese Perspektive sehe man auch für den Verbund, so Strugl. Bei Wasserstoff wolle man zwei Value-Pools anzapfen: die Produktion direkt vor Ort beim Kunden (Beispiel voestalpine) und eine längerfristige Versorgung über Importkorridore. Erzeugt werden solle der Wasserstoff aus PV- und Windstrom dort, wo die Gestehungskosten niedrig seien. Der Transport nach Mitteleuropa sei dann über das Gasnetz möglich.

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Ein Speicher für Wasserstoff
Nach PV und Windkraft will Verbund auch auf Wasserstoff fokussieren - © PhotoGranary - stock.adobe.com

Industrievertreter: Energiewende kostet 43 Milliarden Euro

Vertretern der Industrie geht der Ausbau der erneuerbaren Energie indessen zu langsam: Für die erfolgreiche Klimawende braucht Österreich jetzt einen raschen Ausbau von Wasser- und Windkraftwerken über Photovoltaikanlagen bis Stromleitungen, betont etwa die Industriellenvereinigung und verlangt daher auch kürzerere UVP-Verfahren

Die Liste an Klima- und Energiezielen wächst stetig und schnell, findet die IV, während der Ausbau grüner Energie nicht nachkomme: Klimaneutralität bis 2040, 100 Prozent erneuerbarer Strom bis 2030, ehestmögliche Unabhängigkeit von russischem Gas.

Eine Chance, auf das notwendige Tempo zu kommen, ist die anstehende UVP-Gesetzes-Novelle. Dieses Gesetz muss jetzt klimafit gemacht werden, fordert die IV und ergänzt. Die bisherigen Vorschläge der Arbeitsgruppe des Klimaministeriums, reichen nicht aus, um den erforderlichen Genehmigungsturbo auslösen. Bereits seit Anfang des Jahres liegen gemeinsame Vorschläge der Industrie und Energiewirtschaft vor, die für eine tatsächliche Reform des UVP-Gesetzes sorgen würden. Ebenso gibt es mit dem Standortentwicklungsgesetz bereits seit 2019 ein Instrument, um Infrastrukturprojekte im besonderen öffentlichen Interesse voranzutreiben. Je schneller der Ausbau voran geht, desto rascher ist ein Ausstieg aus Öl und Gas aus Russland möglich.

Um das Erneuerbaren-Ausbau-Ziel von hundert Prozent Ökostrom bis 2030 sind laut IV-Angaben 500 weitere Windkraftwerke der größten Onshore-Turbinenklasse, 60 neue Wasserkraftwerke der Größe des Murkraftwerkes und 110 Quadratkilometer zusätzliche Photovoltaikflächen nötig. Den damit verbundenen Investitionsbedarf beziffert die IV mit 43 Milliarden Euro. Rund 25 Milliarden Euro davon sind für Projekte zum Ausbau der Erzeugung von sauberem Strom notwendig. Die Modernisierung und Digitalisierung der Netze benötigen Investitionen von etwa 18 Milliarden Euro.

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IV: Brauchen 60 neue Wasserkraftwerke - © APA/ERWIN SCHERIAU

Alle zwei Minuten eine PV-Anlage, alle drei Tage ein Windrad

Einen grünen Energie-Turbo forden auch die Interssensverbände für Windkraft und PV. Stark steigende Energiepreise würden die Schattenseiten der Abhängigkeit von internationalen Energiemärkten vor Augen führen, so die E-Wirtschaft. Es müsse nun endlich der Turbo für eine unabhängige Versorgung mit erneuerbaren Energien gezündet werden, forderte die IG Windkraft.

Österreich bräuchte eine enorme Ausbaugeschwindigkeit, um bis 2030 das Ziel einer vollständigen Stromversorgung aus erneuerbaren Quellen zu erreichen - nämlich alle zwei Minuten eine PV-Anlage, alle drei Tage ein Windrad und alle zwei Monate ein mittelgroßes Wasserkraftwerk, erklärte Oesterreichs Energie in einer Aussendung. Das Regierungsprogramm sehe die Errichtung zwar vor, bisher komme die Umsetzung dieses Mammutprojekts jedoch nur schleppend voran.

Der Ausbau der Erneuerbaren sei neben einem effizienten und sparsamen Energieeinsatz das zentrale Element zur Bekämpfung der Klimakrise, hieß es vom Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ). Die Erneuerbaren seien ein Garant für regionale und autarke Versorgungssicherheit. Schritte zur Umsetzung müssten auch die Bundesländer vornehmen. Der "Tag der Erneuerbaren" erinnert an das verheerende Reaktorunglück von Tschernobyl im April 1986.

Nach wie vor würden in 15 Mitgliedstaaten der EU fossile Energien mehr gefördert als alle Erneuerbaren zusammen - das müsse ein Ende haben, kritisierte die IG Windkraft. Nach zwei Monaten Krieg in der Ukraine und einer steilen Entwicklung der Gaspreise sei der Ausstieg aus fossilen Energien wie Erdöl und Erdgas nun auch eine entscheidende Frage für den Wirtschaftsstandort Österreich. Je schneller hier eine Befreiung aus der Abhängigkeit gelinge, desto attraktiver werde der heimische Wirtschaftsstandort. Die Windkraft in Österreich brauche dringend die Freigabe neuer Flächen für Windparks und einfachere, raschere Genehmigungsverfahren.

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Ambitionierte Vorgabe: Alle zwei Minuten eine PV-Anlage - © Verbund