EU-Taxonomie-Verordnung : EU-Taxonomie: Nachhaltigkeit ist jetzt klar definiert

EU Flaggen

Wie wurde die EU-Taxonomie-Verordnung entwickelt und welche Rolle spielt sie bei der Definition ökologischer Nachhaltigkeit?

- © SIDN

Um diese relevanten Fragen endlich sicher und objektiv beantworten zu können, wurde die EU-Taxonomie-Verordnung im Zeitraum 2018 bis 2020 vom Europäischen Rat, EU-Parlament und von der Europäischen Kommission entwickelt. Die Verordnung definiert „Nachhaltigkeit“ und wurde als gemeinsames Klassifizierungssystem für Wirtschaftstätigkeiten im Dienste der Umwelt ins Leben gerufen. Die EU-Taxonomie-Verordnung enthält gleichsam Kriterien, die bestimmen, ob eine Wirtschaftstätigkeit als nachhaltig einzustufen ist. Sie kann also den Grad der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition ermitteln. Die CSRD in Verbindung mit dem European Sustainable Reporting Standard (ESRS) ist der daran anknüpfende Berichtsstandard.

Nie mehr die wichtigsten News aus Österreichs Industrie verpassen? Abonnieren Sie unser Daily Briefing: Was in der Industrie wichtig wird. Täglich um 7 Uhr in Ihrer Inbox. Hier geht’s zur Anmeldung!

Bedeutung der EU-Taxonomie: Welche Umweltziele legt die Verordnung fest?

Die Bedeutung der EU-Taxonomie, die eine gemeinsame Sprache für klimafreundliche Wirtschaftsaktivitäten generiert, ist groß. Als wesentliche Säule des „Green-Deal“ ist sie ein bedeutsamer Schritt für die Realisierung der EU-Klima- und Umweltziele für 2030 sowie das Erreichen der Klimaneutralität bis 2050. Darüber hinaus greift sie verschiedene Wirtschaftsaktivitäten auf und zeigt auf, welche ökologischen Schwellenwerte unterschritten werden müssen, um als ökologisch nachhaltig zu gelten. Für Investor*innen und Politiker*innen ist sie auch ein wertvoller Input, der sie dabei unterstützt, sich ökologischer auszurichten, dar.

Das Konzept der Nachhaltigkeit wird im Rahmen der EU-Taxonomie in sechs verschiedene Umweltziele unterteilt:

  1. Wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz
  2. Anpassung an den Klimawandel
  3. Nachhaltiger Einsatz und Gebrauch von Wasser oder Meeresressourcen
  4. Übergang zur Kreislaufwirtschaft
  5. Vorbeugung, Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung
  6. Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen

Wie funktioniert die EU-Taxonomie eigentlich?

Durch die präzise Evaluierung der ökologischen Nachhaltigkeit und ESG-Ziele („Environmental, Social und Governance“, zu Deutsch: „Umwelt-, Sozial- und Regierungs-, Amts- oder Unternehmensführung)“) sollen Kapitalströme in ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten gelenkt werden. Gleichzeitig kann so eine ökologisch sinnvolle Investition attraktiver und transparenter sowie das Vertrauen bei Investor*innen gestärkt werden. Nicht zuletzt werden dank der EU-Taxonomie-Verordnung Anleger*innen vor Greenwashing geschützt.

Lesen Sie dazu auch: ESG: Alle Neuerungen 2024

Gemäß der Verordnung ist eine Wirtschaftstätigkeit dann als ökologisch nachhaltig zu kategorisieren, wenn sie einen relevanten Beitrag zur Verwirklichung eines oder mehrerer Umweltziele leistet. Dabei darf das Unternehmen aber nicht gegen ein anderes Klimaziel verstoßen. Beispiel: Eine Initiative, die das Klima schützt, jedoch negative Auswirkungen auf die Biodiversität hat, kann nicht als nachhaltig eingestuft werden. Sie ist quasi nicht taxonomiekonform.

Für wen gilt die EU-Taxonomie-Verordnung?

Seit 1. Jänner 2023 sind große Unternehmen berichtspflichtig, die in den Anwendungsbereich der EU Non-Financial Reporting Directive (NFRD, in Österreich umgesetzt als NaDiVeG) fallen. Dazu gehören große Kapitalgesellschaften sowie Unternehmen von öffentlichem Interesse bzw. mit durchschnittlich über 500 Mitarbeiter*innen. Mit 1. Jänner 2024 hat die neue Richtlinie CSRD den Anwenderkreis der EU-Taxonomie erweitert. Seither sind Unternehmen, die mindestens zwei der im Folgenden aufgezählten Charakteristika erfüllen, ebenso berichtspflichtig:

  • 250 Mitarbeiter*innen
  • 25 Mio. Euro Bilanzsumme
  • 50 Mio. Euro Umsatz

Mit 1. Jänner 2026 sollen auch kleine und mittlere kapitalmarktorientierte Unternehmen berichtspflichtig werden.

Lesen Sie dazu auch: CSR: Die neuen Pflichten

Die drei Leistungsindikatoren der EU-Taxonomie

Im Rahmen ihrer Berichtspflicht müssen seitens der Unternehmen der „EU-Taxonomie“-konforme Anteil des Umsatzes sowie die Investitionsausgaben (CapEx) und der Betriebsaufwand (OpEx) jeweils im Einklang mit der Verordnung berichtet werden. Die CSRD hebt die ökologische Berichterstattung im Wesentlichen auf das Level jener der Finanzberichterstattung. Heißt: Sukzessive kommen in der Unternehmensbewertung zu den finanziellen Kennzahlen jetzt immer mehr nicht-finanzielle hinzu. EU-Taxonomie und CSRD enthalten ESG-Kriterien, die zeigen, welche Ansätze der Nachhaltigkeit ein Unternehmen berücksichtigt.

Lesen Sie hier noch: Die nachhaltigsten Strategien fürs Green Building

Thema „Atomkraft & Erdgas“

Ein großer Streitpunkt der EU-Taxonomie war die Frage, ob die Europäische Union die Bereiche Atomkraft und Erdgas in die Verordnung aufnehmen soll. 2022 hat schließlich das EU-Parlament für den umstrittenen Vorschlag der EU-Kommission gestimmt, Erdgas und Atomkraft in die Taxonomie aufzunehmen. Heißt: Seit 2023 gelten Investitionen in diese Bereich unter bestimmen Voraussetzungen als „grün“. Klimaschutzorganisationen kritisierten diesen Schritt natürlich massiv. Die EU Taxonomie verliere dadurch an Glaubwürdigkeit, so deren einstimmiger Befund. „Die EU-Kommission darf nicht das Problem als Lösung verkleiden. Atomkraft und Erdgas können nicht nachhaltig sein“, meinte etwa Marie Kuhn Finanz- und Taxonomie-Expertin bei Greenpeace. Wie andere Umweltschutzorganisationen klagte auch Greenpeace 2023 gegen die EU-Einstufung von Gas und Atomkraft als klimafreundlich.

Lesen Sie dazu auch: Verträge bis 2040: Gewessler will raus aus Gazprom-OMV-Deal

atomkraftwerk tihange aachen belgien kernkraft nuklear kernenergie gau fukushima nuclear katastrophe gefahr kernschmelze reaktor kraftwerk energie energiewende strom atomkraft
„Die EU-Kommission darf nicht das Problem als Lösung verkleiden. Atomkraft und Erdgas können nicht nachhaltig sein“, meinte etwa Marie Kuhn Finanz- und Taxonomie-Expertin bei Greenpeace. „Die EU-Kommission darf nicht das Problem als Lösung verkleiden. Atomkraft und Erdgas können nicht nachhaltig sein“, meinte etwa Marie Kuhn Finanz- und Taxonomie-Expertin bei Greenpeace. - © engel.ac - stock.adobe.com

Die EU-Taxonomie-Verordnung und Österreich

Bereits 2022 hat Österreich beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine Klage gegen die Einstufung von Atomkraft und Erdgas als „grün“ eingereicht. Leonore Gewessler, Österreichs Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, meinte damals, sie unterstütze grundsätzlich die sogenannte Taxonomie der Europäischen Union. „Wogegen ich mich aber mit aller Kraft wehre, ist der Versuch, durch die Hintertür Atomkraft und Gas grün zu waschen“, so die Grünen-Politikerin. Das Verbrennen von Erdgas setze „Unmengen von Kohlendioxid frei“ und die Atomkraft sei „mit unkalkulierbaren Risiken verbunden“, meinte Gewessler 2022.

Lesen Sie dazu auch: Erneuerbare Energien: Ein Blick auf aktuellen Stand und globale Vergleiche

Studie: Berichte der Industrie noch wenig aussagekräftig

Laut einer im April 2023 veröffentlichten Studie von PwC Deutschland fehle es der Berichterstattung von Industrieunternehmen gemäß EU-Taxonomie noch an Aussagekraft und Vergleichbarkeit. Das ist eines der zentralen Ergebnisse einer Analyse, die die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland durchgeführt hat. PwC-Expert*innen hatten zuvor die Berichte für das Geschäftsjahr 2022 von über 700 Industrieunternehmen und 146 Finanzinstituten analysiert. Rund die Hälfte der Industrieunternehmen berichtete über die Taxonomieangaben im Nachhaltigkeitsbericht, etwas mehr als ein Viertel tat dies im Geschäftsbericht. Weitere Zahlen: 86 Prozent der Industrieunternehmen legten die Kennzahlen für jede Wirtschaftsaktivität offen. Lediglich 66 Prozent nutzen die verpflichteten EU-Mustertabellen für Umsatz, Investitions- und Betriebsausgaben.

Lesen Sie dazu auch: Nachhaltigkeit in der Industrie: Bedeutung, Möglichkeiten, Probleme